Lewis Hamilton nach China-GP: Was sagt die Ehrendame?
Lewis Hamilton nach dem China-GP
Gut drei Tage sind vergangen, seit Lewis Hamilton auf dem Siegerpodest von Shanghai eine Ehrendame mit Champagner geduscht hat. Diese Szene wird seither nicht nur in Grossbritannien kontrovers diskutiert, und auch die SPEEDWEEK.com-Leser sind sich nicht einig.
Manche finden, hier werde nun wirklich aus einer Mücke ein Elefant gemacht, die Szene sei doch harmlos. Ganz abgesehen davon, dass eine Ehrendame ja damit rechnen müsse, was da möglicherweise auf sie zukomme.
Andere sind der Meinung, Hamilton sei vielleicht nicht gerade ein Weltmeister in Sachen Taktgefühl und Etikette (raten Sie mal, wer bei Nationalhymnen vor den Rennen regelmässig die Kappe aufbehält), aber die Champagner-Dusche sei letztlich doch eher Ausdruck der Freude und ohne böse Absicht.
Wieder andere geben sich ganz ihrer Empörung hin und argumentieren, in Zeichen politischer Korrektheit sei eine solche Aktion nur sexistisch und saublöd.
Lewis Hamilton wird morgen in Bahrain zweifellos auf die Aktion angesprochen. Aber in der ganzen Aufregung ist bislang ein Aspekt scheinbar vergessen gegangen: Was sagt eigentlich die angeblich so Erniedrigte selber?
Die Zeitung «Shanghai Daily» hat die Grazie des Siegerpodest aufgespürt, sie heisst Liu Siying, ist 23 Jahre jung und ist Absolvenin des Instituts für bildende Kunst in Shanghai. Für sie ist das ganze Gedöns ein wenig schwer nachzuvollziehen, wie sie der chinesischen Zeitung sagt: «Die ganze Aktion hat ja nur wenige Sekunden gedauert, und ich habe mir nachher eigentlich keine Gedanken darüber gemacht. So wie es aussieht, sind ausländische Medien diesem Thema gegenüber etwas sensibler eingestellt als einheimische. Ich hatte die Anweisung meines Arbeitgebers, einen Platz auf dem Siegerpodest einzunehmen und das habe ich auch getan.»
Dass dann dort etwas passiert ist, womit sie nicht gerechnet hat, liegt weniger an der Ausgelassenheit von Lewis Hamilton: Lui Siying ist Fan von Kimi Räikkönen und hatte darum um den Dienst auf dem Siegerpodest gebeten, weil sie sich erhofft hatte, dort oben vielleicht den Finnen zu treffen. Viel gefehlt hat nicht – Kimi wurde Vierter.
Das Seltsame an der ganzen Affäre ist das Timing. Trotz angemessenen Respekts vor politischer Korrektheit: Wer als Moralist den Finger erhebt, was das gute Recht eines jeden ist, dem sei die Frage gestellt – wieso hat er nicht schon aufbegehrt, als Lewis Hamilton beim Spanien-GP auch ein Ehrendame duschte? Oder als Sebastian Vettel und Fernando Alonso nach Siegen in Monza das Gleiche taten? Wo waren die ganzen Kritiker damals?