Irrer Singapur-Fan: Sperrzone mangelhaft bewacht
Ungewöhnliche Szene im Singapur-GP
Der britische Staatsbürger Yogvitam Pravin Dhokia bleibt in Singapur in Haft. Dem 27-Jährigen blühen bis zu sechs Monate Gefängnis für seine Dummheit, während des Singapur-GP vom 20. September die Rennstrecke zu betreten.
Noch in der Rennnacht auf Montag hatten die Singapurer Rennorganisatoren auf die Monitore im Pressesaal Bilder von Videoüberwachungskameras eingespielt: Zu sehen ist, wie ein Mann durch eine Lücke im Zaun unweit von Kurve 13 des «Bay Marina Circuit» auf die Bahn steigt, dann in aller Gemächlichkeit die Strecke kreuzt, zwischendurch beschleunigt er seinen Gang etwas, vielleicht erschreckt vom nahenden Motorenlärm oder von Zurufen anderer GP-Besucher. Renn-Leader Sebastian Vettel ist dann der erste Fahrer, der vorbeiflitzt, während der in gestreiften Bermuda-Shorts und blauem T-Shirt gekleidete Mann in Rennrichtung gesehen auf der linken Seite dem Verkehr entgegenläuft. Rennleiter Charlie Whiting bringt sofort das Safety-Car auf die Bahn, so wie es für solche Fälle im Formel-1-Reglement vorgesehen ist.
Kurz nach seinem Pistenspazierung wurde Yogvitam Pravin Dhokia verhaftet.
Noch während des Rennens twitterten Rennbesucher Bilder von unbewachten Lücken im Schutzzaun – um zu zeigen, wie einfach es ist, auf die Strecke zu gelangen.
Nun liegt der offizielle Bericht der Singapurer Organisatoren vor. Darin soll nachzulesen sein, dass Alkohol im Spiel war. Das entschuldigt freilich nicht, wie der Brite spielend einen knapp ein Meter hohen Zaun übersteigen konnte, wie er mühelos eine Zone durchquerte, die eigentlich nur für Streckenposten gedacht ist und wieso ihn niemand daran hinderte, durch eine Lücke im Zaun auf die Bahn zu gelangen. Eine Lücke, die eigentlich dazu da ist, den Streckenposten schnelles Eingreifen zu erlauben.
Der Autoverband FIA wird nun darüber entscheiden müssen, ob die Singapurer für die Versäumnisse gebüsst werden.
Für den Singapur-GP 2016 wird das Sicherheitsprotokoll der Rennstrecke überarbeitet. Es wird mehr Personal geben, welche Lücken bewacht. Es ist auch davon die Rede, den inneren Schutzzaun (zwischen Besucherraum und Streckenpostenzone) zu erhöhen.
Irrer Pistenläufer schon in China!
Mit dem Vorfall in Singapur haben wir zum zweiten Mal in dieser Saison einen Pistenläufer: Gut eine Viertelstunde nach Beginn des zweiten freien Trainings zum Grossen Preis von China im vergangenen April rannte ein schwarzgekleideter Mann, offenbar von der Haupttribüne kommend, quer über die Start/Ziel-Gerade, ungefähr auf Höhe der Ziellinie, und hechtete gekonnt über die Boxenmauer Richtung Ferrari-Garage.
Der Mann hatte sich auf der Rennstrecke eine Lücke zwischen dem vorbeigerasten Sauber von Felipe Nasr und dem nahenden Force India von Nico Hülkenberg ausgesucht. Nach seinem Sprung über die Boxenmauer verschwand der Mann vom TV-Bild. Was geschah dann?
Der Mann bewegte sich zielstrebig Richtung Ferrari-Box, wurde jedoch von Sicherheitskräften überwältigt, bevor er in den Bereich von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen eindringen konnte.
Die Sicherheitskräfte übergaben den möglicherweise geistig Verwirrten daraufhin der Polizei. Augenzeugen zufolge hat der Mann auf Chinesisch geäussert, er wolle einen Formel-1-Renner fahren. Aktion und Aussage sprechen nicht für einen normalen Geisteszustand.
Bei Start und Ziel sind die GP-Renner jenseits von 250 km/h schnell. Gruselig der Gedanke was passierte, wäre er von einem Formel-1-Auto an- oder überfahren worden. So etwas musste die Formel 1 1977 erleben, damals kamen Shadow-Star Tom Pryce und ein Streckenposten ums Leben.
Die chinesischen Organisatoren reagierten auf Anweisung der Rennleitung umgehend: die Sicherheitskräfte, welche Zäune zwischen Tribünen und Rennstrecke überwachen, wurden verdoppelt.
Menschen auf der Rennstrecke sind im modernen GP-Sport äusserst selten. Unvergessen der frühere Geistliche Cornelius «Neil» Horan, der im britischen Grand Prix 2003 auf die Silverstone-Strecke rannte, um auf die Worte des Herrn aufmerksam zu machen (auf seinem Schild stand: «Lest die Bibel. Die Bibel hat immer Recht»). Das Einzige, was wirklich nah war, war sein eigenes Ende: der Wagen von Mark Webber verpasste den irren Priester nur um Haaresbreite.
Das Safety-Car musste auf die Bahn geschickt werden, um den Eindringling einzufangen. Held der Stunde war Streckenposten Stephen Green, der Horan mit einem gekonnten Ringergriff überwältigte. Horan, der auch bei anderen Sportanlässen Störefried spielte, wurde später für seine Aktion in Silverstone zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.
Im Jahre 2000 drang der 47jährige Robert Sehli, ein ehemaliger Angestellter von Mercedes, auf die Hockenheim-Rennstrecke vor, er war aus dem Dickicht der ersten Waldgeraden auf den Grünstreifen neben der Bahn gelangt. Der Franzose wollte mit seiner Aktion gegen eine seiner Meinung nach ungerechtfertigte Entlassung protestieren – was auf einer weissen Pellerine stand, die er trug.
Auch hier musste das Safety-Car ausrücken. Später kam heraus, dass er seine Aktion schon beim Frankreich-GP durchführen wollte, es dort aber nicht an den Sicherheitskräften vorbei geschafft hatte.
Selhi erhielt später eine Busse von 200 D-Mark. Und von einem französischen Gericht eine Wiedergutmachung in Höhe von rund 12.000 Dollar – der Richter fand ebenfalls, dass Selhis Entlassung nicht korrekt war.