FIA-Chef Jean Todt: «Ferrari hat mich enttäuscht»
Jean Todt
Alles in der Formel 1 dreht sich um Macht. Wir haben einen FIA-Pressekonferenzraum, aber Chef Jean Todt bittet die Medienvertreter in sein Büro. Es ist dabei nicht wenig ironisch, dass der erste Teil der Diskussion von dröhnenden V8-Cosworth der historischen Formel 1 gestört wird. Denn die Motoren sind ein grosses Thema, und das ist unser Einstieg.
Jean, wieso sind Sie der Meinung, die Formel 1 brauche einen unabhängigen Motorhersteller?
Die Einführung der neuen Motoren war schmerzhaft, viele haben sich beispielsweise über den Sound beschwert. Aber wir fanden, es ist Zeit, dass die Formel 1 wieder Vorreiter sein soll, daher der Schritt zur Hybrid-Technik. Die Autohersteller fanden das auch prima. Dann aber stellte sich ein Problem: Die Motoren wurden für die weniger wohlhabenden Teams zu teuer. Gegen die Geldverteilung in der Formel 1 können wir als FIA nichts tun. Wir finden sie ungerecht, aber das ist Sache der kommerziellen Rechtehalter. Wir können aber das Reglement beeinträchtigen, um etwas mehr Balance zu erreichen, und genau das tun wir im Moment.
Wir haben also bei der letzten Sitzung der Strategiegruppe vorgeschlagen, Mittel und Wege zu finden, kostengünstigere Motoren zu haben, dieser Vorschlag wurde mit grosser Mehrheit angenommen. Aber das ist nur ein Vorschlag, der muss nun zur Formel-1-Kommission. Findet er dort Anklang, wird er vom FIA-Weltrat abgesegnet. Ich fand es dann sehr enttäuschend, dass Ferrari von seinem Veto-Recht gemacht hat. Also werden wir – als aus unserer Sicht einzige Option – eine Ausschreibung für einen kostengünstigen Motor machen, der es einem Team erlaubt, zu einem machbaren Preis konkurrenzfähig mitzufahren.
Wie soll es gehen, dass dieser Billig-Turbo konkurrenzfähig ist?
Das ist eine unserer Aufgaben. Wir haben es in der Langstrecken-WM auch geschafft, dass verschiedene Motorkonzepte auf Augenhöhe miteinander antreten, Toyota, Porsche und Audi. Wieso soll es also in der Formel 1 nicht klappen?
Aber ich finde es sehr ärgerlich, dass Teams ums Überleben kämpfen müssen, dass es Rennställe gibt, die für 2016 noch keinen Motor haben. Das sollte es nicht geben. Wir müssen die Interessen der kleineren Rennställe vertreten.
Wie teuer soll dieser Turbo werden?
Zwischen sechs und sieben Millionen pro Jahr.
Erwarten Sie von den Herstellern nicht grossen Widerstand?
Ein Veto-Recht ist wie eine Schusswaffe. Man sollte sehr vorsichtig damit sein, wie man sie einsetzt.
Wie kam es eigentlich zum Veto-Recht von Ferrari?
Das ist in den 80er Jahren entstanden, als das Concorde-Abkommen entstand. Enzo Ferrari fühlte sich in Maranello gegen die ganzen englischen Teams isoliert. Keiner sollte überdies vergessen, dass Ferrari damals das einzige Team war, welches das komplette Auto selber gebaut hat. Er wollte eine Art Schutz. Die FIA hat ihm dies zugesichert. Seither ist dieses Veto-Recht immer aufrecht erhalten worden. Als ich dann Präsident wurde, habe ich zur Frage gestellt, ob das noch zeitgemäss sei. Bernie Ecclestone war aber dafür, dass Ferrari dieses Recht behält. Und die anderen Teams haben zugestimmt.
Hätte man rückblickend nicht einen Höchstpreis für die Turbomotoren bestimmen müssen? Und vorschreiben sollen, dass die Rennställe eine Mindestanzahl von Teams mit Triebwerken ausrüsten müssen?
Doch, und das ist etwas, das ich bedaure. Wir hätten einen vernünftigen Preis einführen müssen. Sagen wir: 12 Millionen, das ist ein akzeptabler Preis, ein fairer Preis. Das hätte sichergestellt, dass die Hersteller noch immer mit den Motoren verdient. Es wäre nicht fair gewesen, den Autoherstellern sechs Millionen vorzuschreiben. Aber wenn die Hersteller nicht Willens sind, günstigere Motoren zu liefern, dann führen wir eben eine andere Lösung ein. Und was die Anzahl Teams angeht: Wir haben eine Obergrenze von maximal drei festgelegt, aber in künftigen Reglements werden wir das anders formulieren.
Sehen Sie in diesem Zwist nicht einen Kampf darum, wer in diesem Sport wirklich die Macht hat?
Wer die Macht hat? Die FIA reguliert diesen Sport. Die Teams verpflichten sich, daran teilzunehmen. Und sie haben natürlich die Gelegenheit zu einer fairen Diskussion darüber, wie dieser Sport reguliert wird. Die Struktur ist für mich in Ordnung.
Die Hersteller haben also nicht zu viel Macht?
Nein, das finde ich nicht. Sie haben ein Recht dazu, ihre Position vertreten zu dürfen. Ich habe kein Problem damit, wenn sie das tun.