Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Mercedes gegen Ferrari: FIA muss viele Fragen klären

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton und ein langer Blick auf den Ferrari

Lewis Hamilton und ein langer Blick auf den Ferrari

​Mercedes hat die FIA um Klärung gebeten: Das Reglement ist in Sachen Kooperation mit Partner-Teams offenbar schwammig. Aber ist Ferrari ein Fehlverhalten nachzuweisen?

Die Rennkommissare Garry Connelly (Australien), Khaled Bin Shaiban (UAE), Derek Warwick und Steve Stringwell (beide Grossbritannien) werden hier in Abu Dhabi Überstunden machen müssen: Nicht nur haben sie sich mit dem Geschehen auf der Strecke in den verschiedenen Rennkategorien zu befassen (Formel 1, GP2, GP3), sie müssen auch klären, was in Sachen aerodynamischer Entwicklung denn nun erlaubt ist und was eben nicht.

Seit Frühling halten sich Gerüchte, wonach Ferrari Mittel und Wege gefunden habe, Lücken im Reglement geschickt zu nutzen. Als das Auto von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen damals zum Beginn der europäischen Grands Prix mit frisch gefönter Aerodynamik daherkam, kursierte in der Neidgesellschaft Formel 1 schnell die Missgunst: Wie können so viele Änderungen umgesetzt werden, wenn man pro Woche nur 25 Stunden im Windkanal verbringen darf? Wenn bei Flussdynamikberechnungen (computational fluid dynamics) nur 25 Tera-FLOP erlaubt sind? (FLOP steht für Gleitkomma-Operationen pro Sekunden, also ein Mass der Leistungsfähigkeit von Computern. Ein Tera-FLOP entsprich einer Billion Rechenvorgängen pro Sekunde, das ist eine Eins mit zwölf Nullen.)

Schnell machte im Haifischteich die Runde, ob hier nicht geschickt Schwachstellen im Reglement genutzt wurden. So wie es in der Formel 1 im Übrigen gang und gäbe ist. Ein Grundproblem im Sport besteht ja darin, dass eine Handvoll (sehr fähiger) Reglements-Experten des Autoverbands FIA tausenden von Technikern bei den Rennställen gegenüber stehen. Wenn die Regeln da nicht kugelsicher formuliert sind, muss man sich nicht wundern, wenn die Rennställe eine Schwachstelle aufspüren und zum eigenen Vorteil nutzen.

Natürlich ist es vom Reglement nicht ausdrücklich verboten, die Kooperation mit einem Mitarbeiter zu beenden. Niemand verbietet ferner, dass dieser Mitarbeiter dann für einen anderen Rennstall arbeitet. Vielleicht nur für kurze Zeit. Dann wird er wieder vom ersten Rennstall angestellt. Klar würde eine solche Fachkraft jeweils sein Wissen mitnehmen. Ferrari wurde sogar verdächtigt, dass teilweise das gleiche Personal für das Werksteam und für den kommenden Rennstall von Gene Haas gearbeitet habe. Hier gilt die Unschuldsvermutung, denn ohne Beweise muss das als Hörensagen eingestuft werden. FIA-Experte Marcin Budkowski konnte bei seinem Besuch in der Rennabteilung von Maranello jedenfalls Ferrari kein Fehlverhalten nachweisen. Die Gegner monieren, man habe nie einen kompletten Rapport des FIA-Experten zu Gesicht bekommen.

Heisse Frage: Gelten die Regeln auch für Teams, die offiziell ja noch gar nicht an der Formel-1-WM teilnehmen? Wir haben beispielsweise strenge Testbeschränkungen. Honda hätte im vergangenen Jahr ein rollendes Labor mit ihrem V6-Turbo Tag und Nacht fahren lassen können, nicht mit einem aktuellen Chassis, aber das wäre auch nicht notwendig gewesen. Wenn wir uns die McLaren-Honda-Darbietungen von dieser Saison in Erinnerung rufen, dann wäre das vielleicht sogar eine sehr gute Idee gewesen. Aber die Japaner verzichteten aus Gründen der Fairness auf ein solches Vorgehen.

Im Schreiben von Mercedes an die FIA wird denn auch ausdrücklich nachgehakt: «Zu welchem Zeitpunkt genau wird ein Aussenstehender ein Wettbewerber, wenn er erstmals in die Formel 1 kommt?»

Weder Ferrari noch HaasF1 verheimlichen, dass dem Debüt der US-Amerikaner in der Formel-1-WM 2016 eine ungewöhnliche enge Kooperation vorausgeht. Das ist einigen Rivalen suspekt.
Mercedes hat bei seinem Vorstoss sorgfältig vermieden, das Wort Ferrari zu vermeiden. Aber jeder im Fahrerlager weiss, worum es geht.

Formel-1-Starter Charlie Whiting – nicht nur Sicherheitsexperte, sondern auch Ansprechpartner der Rennställe, wenn es um technische Fragen geht – hat klargemacht: Das Reglement sieht bei Vorstössen wie jenem von Mercedes vor, dass die Rennkommissare befugt sind, über die Aussagekraft des Reglements zu urteilen. Daher müssen sie sich nun im Rahmen des letzten WM-Laufs mit dieser Angelegenheit befassen.

Was immer morgen Sonntag vor dem Rennen dabei herauskommt: Wer mit ihrer Einschätzung nicht zufrieden ist, kann anschliessend den Gang vor das FIA-Berufungsgericht in Paris wagen.

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