Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Daniel Ricciardo: Test mit Aeroscreen, Fahrer uneins

Von Mathias Brunner
​Der Australier Daniel Ricciardo hat heute Freitagmorgen eine Installationsrunde im Autodrom von Sotschi mit dem Kopfschutz «Aeroscreen» zurückgelegt. Fans und Fahrer diskutieren kontrovers.

Charlie Whiting, der Sicherheitsdelegierte des Autoverbands FIA, hat klar gemacht: Eine Vorrichtung wird 2017 kommen, welche den Kopf des Piloten besser schützt. Die Frage wird sein: Halo (Heiligenschein), wie im vergangenen Testwinter am Ferrari von Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel probegefahren, oder doch Aeroscreen, die Red-Bull-Lösung mit integrierter Scheibe, wie sie nun in Sotschi gezeigt worden ist?

Das letzte Wort hat die so genannte Formel-1-Kommission. Die Kommission besteht aus einem Vertreter von «Formula One Management» (also Bernie Ecclestone) sowie der FIA (üblicherweise der Präsident, also Jean Todt), aus Vertretern aller Rennställe, aus sechs Rennpromotern (drei aus Europa, drei aus Übersee), die von FOM aufgestellt werden, aus zwei Vertretern von Rennstrecken (eine aus Europa, eine aus Übersee), von den Teams ernannt, dazu aus Repräsentanten des Reifenherstellers (also Pirelli), der Motorenhersteller sowie der Sponsoren. Somit kamen wir auf ein Gremium von 24 Fachleuten.

Beide Lösungen wurden von FIA-Sicherheitsforschern mit einem Rad samt Radträger beschossen, zusammen gut 20 Kilogramm schwer, mit einer Luftdruck-Kanone, welche den Fremdkörper mit mehr als 200 km/h auf die Schutzvorrichtung feuert. Beide Systeme haben diese Tortur überstanden.

Bedenken der Piloten in Sachen Verschmutzung oder Lichtreflexe werden zerstreut: Dazu gibt es Schutzfolien (wie im NASCAR-Sport) und Beschichtungen.

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Wir haben alle Sicherheitstests bestanden. Aber das ist nur ein erster Versuch. Der Aeroscreen wurde von Rob Marshall und seinem Team entworfen. Wir wollten etwas Eleganteres als den Halo, und ich glaube, das haben wir geschafft. Regen und Öl sehen wir nicht als unüberwindbare Hürden.»

Halo oder Aeroscreen? Fahrer uneinig

Nicht nur unter den Fans, auch unter den Piloten gehen die Meinungen weit auseinander über die beiden Kopfschutzvarianten Halo (Heiligenschein, als Attrappe beim Barcelona-Wintertest am Ferrari) und Aeroscreen (heute Freitag am Red Bull Racing-Renner von Daniel Ricciardo).

Ferrari-Star Sebastian Vettel: «Ich kann nicht sagen, welches System den besseren Schutz bietet, denn in diesem Bereich kenne ich mich nicht aus. Was man bei der Scheibe hat, sind natürlich die Fliegen, die man wegkratzen muss. Aber dafür gibt es ja Mittel, so ist es nicht. Dass beide nicht sehr hübsch sind, kann man glaube ich schon sagen. Aber die kommen ja auch nicht ans Auto, weil sie hübsch sind.»

Force-Inida-Pilot Nico Hülkenberg: «Ich finde die Lösung von Red Bull eleganter als den Halo. Insgesamt ist mir klar: Es ist unvermeidlich, dass ein solcher Kopfschutz kommt, selbst wenn ich mich ja wiederholt dagegen ausgesprochen habe. Aber wenn ich dann die Wahl habe, dann ziehe ich die Red-Bull-Lösung vor.»

Lewis Hamilton meint: «Ich finde, die Red-Bull-Lösung schaut aus wie so ein Schutzschild, mit dem die Polizisten bei Unruhen ausrücken. Wenn wir schon in diese Richtung gehen, dann nichts Halbherziges, dann gleich das volle Programm – lasst uns die Autos mit einer Kanzel schliessen, wie bei einem Kampfjet! Jetzt, finde ich, haben wir dieses coole, elegante, futuristische Gefährt und darauf hockt als Fremdkörper diese Schutzscheibe. Also mir gefällt diese Lösung nicht.»

Haas-Pilot Romain Grosjean: «Ich bin kein Fan, weder von der einen, noch von der anderen Variante. Aber mir ist der Halo lieber, weil ich finde, mit der Red-Bull-Scheibe sieht der Wagen seltsam geschlossen aus. Da wird keine Luft mehr in den Helm gelangen, da hast du kein Gefühl mehr von Speed, das wird nicht mehr das Feeling sein, einen offenen Rennwagen zu lenken. Da ist ja nur noch ein kleines Stück gegen oben wirklich offen.»

Daniil Kvyat: «Eine Scheibe hätte Felipe Massa damals in Ungarn vor seiner schweren Verletzung bewahrt.»

Ex-GP-Pilot Martin Brundle sagt: «Die FIA muss handeln. Wenn sie nichts tut, und wir haben bald wieder einen Schwerverletzten oder schlimmer, dann geht das Geschrei los. Dann wird sich der Autoverband anhören müssen – ihr hattet eine Lösung, wieso wurde sie nicht angebracht? Die FIA kommt an einem Kopfschutz nicht mehr vorbei.»

Der frühere Formel-1-Fahrer Johnny Herbert: «Die Frage ist – wo endet das alles? Pferderennen sind auch gefährlich, und doch sehe ich keinen Käfig um das Pferd herum oder eine Schutzvorrichtung für den Jockey. Gleichzeitig will natürlich auch ich keine verletzten oder toten Piloten sehen. Wenn ich mich im Fahrerlager umhöre, dann treffe ich viele Menschen, die das mit gemischten Gefühlen sehen.»

Daniel Ricciardo: «In der Box alles okay»

Der dreifache GP-Sieger Daniel Ricciardo hatte sich am Donnerstag in der Box ein erstes Bild gemacht: «Die ersten Eindrücke sind ganz okay. Die Streben der Struktur stehen ungefähr in einer Linie mit dem Blick in die Rückspiegel, daher ist die Sicht wohl weniger behindert als mit dem anderen System. Gegen vorne guckst du durch die Scheibe, und dann hast du als Strich natürlich die obere Begrenzung. Insgesamt habe ich keinen schlechten Eindruck, aber natürlich ist des nicht das Gleiche, ob du in der Box stehst oder ob du auf einer Rennstrecke fährst. Ich glaube nicht, dass die Sicht mit dem Aeroscreen ein grosses Problem sein wird.»

Mangelnde Sicht wegen einer verschmutzten Scheibe macht Ricciardo keine Sorgen: «Eine Lösung sind grosse Abreissfolien, wie sie im NASCAR-Sport bereits verwendet werden. Zudem können wir die Scheiben auch mit wasser- und schmutzabweisenden Mitteln behandeln, wie wir das heute schon mit den Helmvisieren machen. Da gibt es sicher Lösungen.»

«Wir müssen alle ein wenig umdenken. Ich bin es ja auch gewohnt, die Einsitzer so zu sehen, wie wir sie alle kennen. Aber wenn ein solches System hilft, in zwanzig Jahren auch nur ein Leben zu retten, dann ist die Einführung für mich bereits gerechtfertigt. Und ich bin davon überzeugt, dass dieses System Leben retten wird. Man muss Änderungen gegenüber offen sein. Und ich glaube auch, die Fans werden sich daran gewöhnen. Als 2009 eine neue Generation von Autos eingeführt wurde, da haben alle aufgestöhnt, wie hässlich die Fahrzeuge seien. Aber darüber wurde schon nach kurzer Zeit nicht mehr gesprochen. Wir alle hatten uns daran gewöhnt, zumal das Design Schritt um Schritt verfeinert wurde. So wird das auch dieses Mal gehen.»

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