Martin Brundle: Hamilton – kein Foul gegen Rosberg
Lewis Hamilton mit Martin Brundle
Nach dem Grossen Preis von Ungarn kursierte: Hamilton sei nur genau so schnell gefahren, wie er musste, um an der Spitze zu bleiben. Ein Sieg à la Alain Prost, gewissermassen. Mehr noch – er habe Rosberg absichtlich aufrücken lassen. Ein Verfolger kann im Windschatten leicht seine Reifen ruinieren. Und Hamilton, so die Unterstellung, habe geplant, dass der aufrückende Ricciardo seinem WM-Widersacher Rosberg tüchtig einheizen könnte. Ein zweiter Platz für den Australier ist für Lewis hilfreicher als ein zweiter Rang von Rosberg.
Stimmt alles nicht, beteuerte nach dem Rennen auf dem Hungaroring Mercedes-Teamchef Toto Wolff: «Ich sehe nichts, was dafürsprechen würde, dass Hamilton den Nico auflaufen liess. Wir haben vielmehr das ganze Wochenende den Piloten eingebläut, überaus vorsichtig mit den Reifen zu sein. Vielleicht war dabei Lewis ein wenig zu vorsichtig. Er war sich wohl nicht dessen bewusst, dass hinter Rosberg die Gegner näherkamen. Für ihn schaute das alles gut aus, also fuhr er eher zaghaft. Er ging mit seinen Reifen sehr behutsam um, jedenfalls hat er uns das so nach dem Rennen dargelegt.»
Martin Brundle, 158facher GP-Teilnehmer und heute Formel-1-Experte der britischen Sky, sagt dazu in seiner jüngsten Kolumne: «Lewis kam nach dem Rennen zu uns. Ich habe ihm in die Augen geblickt, als er sagte, er sei sein eigenes Rennen gefahren, es habe keine Absicht gegeben, Rosberg in die Fänge von Ricciardo zu pressen. Ich glaube, Hamilton sagt die Wahrheit.»
«Aufgrund der Probleme mit der Standfestigkeit weiss Lewis, dass auf ihn eine Strafversetzung zukommt – weil er zusätzliche Motoren braucht. Also versucht Hamilton verzweifelt, das bestehende Motorenkontingent so lange als möglich zu nutzen. Ich erkenne keine Mutwilligkeit bei ihm, lediglich die Eigensucht, die wir von einem Formel-1-Champion erwarten würden. Wenn er Leistung runterdreht, um sein Aggregat zu schonen, und das gleichzeitig das Leben seines härtesten WM-Gegners kompliziert, dann sei es so.»
Le-Mans-Sieger Brundle weiter: «Etwas ganz Anderes waren die Bemerkungen von Lewis nach dem Rennen, was das Tempo von Nico Rosberg unter Doppelgelb im Abschlusstraining anging. Lewis sprach in der Medienkonferenz nach dem Ungarn-GP auffällig lange über diese Zusammenhänge, das wirkte auf mich wie zuvor festgelegt. Klar gab er auf die Frage eines Journalisten Antwort, aber es wurde deutlich, dass er sich sehr viele Gedanken zu diesem Thema gemacht hatte.»
«Die Frage, ob nun Nico Rosberg an der Stelle von Alonsos Dreher deutlich genug verlangsamt hat oder nicht, ist nicht so leicht einzuschätzen. Nico hat gelupft, es gab keinen Unfall an jenem Ort, und er hat das Beste aus einer seltsamen Runde gemacht, um am Ende frech die Pole zu holen. Ich bewundere seinen Renninstinkt, aber gleichzeitig mache ich mir Sorgen wegen dieses Präzedenzfalls.»
«Es kommt mir noch immer seltsam vor, dass die Rennleitung drei Stunden benötigte, um überhaupt erst eine Untersuchung gegen Nico anzustrengen. Als die Aufforderung der Rennpolizei endlich eintrudelte, war Rosberg bei einer Sponsorveranstaltung in der Innenstadt von Budapest.»
«Lewis war sichtlich eingeschnappt, dass ihm die Pole entgangen war. In seinen Augen war er um die Bestzeit gebracht worden, weil Nico seinen Quali-Versuch nicht abbrach. Lewis wird in Sachen Politik abseits der Rennstrecke immer cleverer, und ich bin davon überzeugt, seine Worte waren ein psychologischer Angriff auf Rosberg.»
«Er weiss, dass Nico mit dem Rücken direkt an den Seilen steht, und – um in der Boxersprache zu bleiben – er hat die Gelegenheit genutzt, ein paar weitere Aufwärtshaken zu landen.»