Susie Wolff: «Habe Toto sehr genau beobachtet»
Susie Wolff
Vom Deutschen Tourenwagen Masters und Formel-1-Tests aktiv zum Frontenwechsel: Sie ist neue Teamchefin des von Gildo Pastor gegründeten Venturi-Teams in der Elektro-Formel E. Susie Wolff im Interview mit SPEEDWEEK.comüber ihren neuen Job, Rückblicke und die Multitasking-Aufgabe als Ehefrau und Mutter des 16 Monate alten Jack.
Wie wurdest Du Teamchefin von Venturi?
Vor Beginn der ersten Formel-E-Saison 2014 bekam ich von Venturi-Eigner Gildo Pastor das Angebot, für ihn zu fahren. Ich aber entschloss mich, meine Formel-1-Chance zu suchen und sagte ihm ab. Als ich 2015 meine Fahrerkarriere beendete, wusste ich zwar, dass ich weiter im Motorsport tätig sein wollte, hatte aber sozusagen ein weißes Blatt Papier vor mir. Dann wurde ich Mutter, was das Beste war, was ich je tat! Aber ich brauchte auch eine berufliche Herausforderung. Im Motorsport, denn der ist meine Leidenschaft. Dann kam ich wieder mit Gildo in Kontakt und wir begannen zu diskutieren – wie wir zusammenarbeiten könnten. Er bot mir den Team Principal an, und der war genau der richtige Schritt.
Von der Rennfahrerin zur Managerin, geht das so einfach?
Ich muss gestehen, ich habe Toto in den vergangenen Jahren sehr genau beobachtet und dabei viel gelernt. Jetzt fühle ich mich reif, auf eigenen Beinen zu stehen – und fühle mich schon sehr als Mitglied der Venturi-Familie. Mit dem Abschluss meines neuen Jobs hatte Toto nichts zu tun, auch wenn oft das Gegenteil behauptet wird. Toto ist sicher meine größte Unterstützung. Er bestärkte mich, diese Chance zu ergreifen.
Ganz nach dem Motto «Wage ein Teamchef zu sein», so wie Du junge Frauen über Dein Benefizengagement «Dare to be different» ermutigen willst, technische Berufe zu ergreifen…
Ja, genau so!
Wie entwickelt sich dieses Projekt mit Basis in Grödig bei Salzburg?
Sehr gut. Ich bin stolz darauf. Wir arbeiten eng mit der FIA zusammen, damit gibt es einen weltweiten Zugang. Diese Plattform kann viele Möglichkeiten für junge Frauen aufzeigen und sie fördern. Auch zum Beispiel in der Formel E. Es geht nicht darum, Mädchen fürs Rennfahren zu begeistern, sondern für Technikberufe, Management usw.
Willst Du das neue Formel-E-Auto für die nächste Saison selbst testen?
Nein. Meine Rennkarriere ist vorbei. Ich werde keinen Rennanzug mehr anziehen. Diese Entscheidung traf ich Ende 2015. Seither saß ich in keinem Rennauto mehr. Denn wenn du erfolgreich sein willst in deinem Job, musst du dich voll darauf konzentrieren.
Bedauerst Du den Rücktritt von 2015, nachdem Du bei Williams nicht zu Renneinsätzen kamst?
Ich hatte alles dafür gegeben. Es passierte nicht. Da war es Zeit, etwas anderes zu tun.
Aber Du verfolgst die Formel 1 weiterhin?
Natürlich, schon allein wegen meines Gatten. Der arbeitet ja 24 Stunden sieben Tage die Woche dafür.
Was sind die Pläne für die nächste Formel-E-Saison ab Mitte Dezember?
Venturi wird mit HWA technisch zusammenarbeiten, das war ja schon vor meinem Eintritt vereinbart. Das ist die Vorbereitung für den Mercedes-Einstieg ein Jahr später, der von HWA durchgeführt wird. Mit Felipe Massa ist ja ein Fahrer bereits bestätigt, der als mein ehemaliger Williams-Teamkollege enorm viel Erfahrung mitbringt. Den zweiten Fahrer werden wir bald bekanntgeben. Aber keinen, der bisher für uns fuhr.
Die Saison fünf beginnt in Riad, Saudi-Arabien. Welche Gefühle hast Du da als Frau?
Ich denke, das ist ein positiver Schritt. Auch gesellschaftliche Entwicklungen brauchen ihre Zeit. Frauen dürfen dort jetzt Autos lenken. Unser Rennen dort wird zu Fortschritten beitragen.
Wie sieht Deine Rolle als Teamchefin konkret aus?
Ich habe ein gutes technisches Verständnis, bin aber nicht für Technik zuständig. Ich bin verantwortlich, dass wir gute Mitarbeiter in den richtigen Positionen haben. Manche Bereiche verstärken, auf Basis eines sehr guten Kerns. Und dann auch die wirtschaftliche Seite.
Hat z. B. Lucas Auer eine Chance in der Formel E?
Absolut. Die Chance ist da.
Wie bringst Du Mutter, Ehefrau, Teamchefin und Jobhelferin für junge Frauen unter einen Hut?
Dafür muss man Prioritäten setzen, und meine erste werden unser Sohn Jack und Toto sein. Aber ich bin auch dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, meinen Beruf auszuüben, trotz aller Reisen. Die sind aber in der Formel E weniger als in der Formel 1. Die Formel E bietet ein familienfreundliches Ambiente. Ich muss nicht die ganze Zeit in Monaco beim Team sein, ich kann viel Zeit zuhause verbringen.