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Alejandro Agag: «Schon die Kids lieben die Formel E»

Von Gerhard Kuntschik
Alejandro Agag (rechts) mit Champion Jean-Eric Vergne

Alejandro Agag (rechts) mit Champion Jean-Eric Vergne

Formel-E-Boss Alejandro Agag betont: «Wir sehen es als unsere Mission an, zu einer besseren Welt beizutragen.» Er weiss aber auch: «Eine langweilige Geschichte interessiert niemanden. Wir müssen also aufregend sein.»

Anfangs wurde er vielerorts belächelt. Manche «petrol heads» nehmen ihn auch heute noch nicht ernst. Doch der Spanier Alejandro Agag hat mit der elektrischen Formel E die am rasantesten wachsende Motorsportserie der Welt geschaffen, deren vierte Saison eben in New York mit den Titeln für Ex-Red-Bull-Pilot Jean-Eric Vergne (Fahrer) und Audi (Teams) zu Ende ging.

Saison 5 beginnt am 15. Dezember in Riad, womit die Formel E einen weiteren Meilenstein setzt. Der Fahrzeugtausch bei Hälfte der 50-Minuten-Distanz wird entfallen, da leistungsfähigere Batterien (des Sportwagenbauers und F1-Rennstalls McLaren) eingesetzt werden. In Saison 5 werden mit Audi, BMW, Jaguar, Nissan (löst Renault ab), DS, Mahindra, Nio und Venturi schon acht Hersteller antreten, zu denen ab Saison 6 (2019/20) noch Mercedes und Porsche stossen werden. Im SPEEDWEEK.com-Gespräch blickt Formel-E-Gründer Alejandro Agag zurück und nach vorn.

Als du die Formel E erfandest, wie viele Leute fragten dich, ob du verrückt wärst? Und was machst du da?

Alejandro Agag (lacht): Ich würde sagen: Alle ausser drei. Meine Frau, obwohl die meint, ich sei grundsätzlich verrückt. Dann FIA-Präsident Jean Todt, der mich unterstützte. Und noch ein Freund.

Die Entwicklung der Formel E ist erstaunlich. Entspricht diese deinen Plänen oder ging es schneller oder langsamer, als du dachtest?

Viel schneller als mein Plan war. Ich wollte eine Evolution, aber die Formel E übertrifft jetzt schon alle meine Erwartungen. Aber auch die Welt bewegt sich viel schneller in Richtung Elektromobilität als alle dachten. Das ist grossartig für uns.

Wie stelltest du es an, dass deine Erfindung ein Objekt der Begierde für internationale Sponsoren und auch für Metropolen wurde?

Wichtig ist unsere Botschaft hinter dem Projekt. Wir sehen es als unsere Mission an, zu einer besseren Welt beizutragen. Alle, die bei uns mitarbeiten, machen etwas Gutes. E-Mobilität trägt zu Nachhaltigkeit und sauberer Umwelt bei. Indem wir diese Geschichte kommunizieren, bekommen wir sehr viel Einfluss. Grosse Unternehmen wollen mit den gleichen Zielen dabei sein.

Aber es geht ja auch um Spass, Unterhaltung, Rennsport...

Natürlich. Eine langweilige Geschichte interessiert niemanden. Wir müssen aufregend sein. Nahe dran an den Fans, vor allem den jungen. Schon die Kids lieben die Formel E. Diese Elemente sind attraktiv, unsere Plattform ist offen.

Wo liegen die Grenzen für Rennanzahl und teilnehmende Teams?

Bei den Rennställen sind es zwölf, mehr geht nicht, das ist vereinbart. An Schauplätzen würde ich das Maximum bei 14 sehen. Wir müssen auf einer vernünftigen Basis bleiben – zum einen keine «Überfütterung», zum anderen ausreichend auf allen Kontinenten vertreten sein.

Wenn die Medien eine Mitteilung des neuen Formel-1-Managements von Liberty bekommen, beginnt jede mit dem Satz, «Formel 1, die Spitze des Motorsports, usw.» Findest du diese Selbsteinschätzung korrekt? Oder glaubst du, die Formel E wird einst der Höhepunkt sein?

Im Moment ist das tatsächlich noch die Formel 1. Aber Du weisst ja selbst: Die wichtigsten Motorsportserien sind untrennbar mit der Industrie verbunden. Und da denke ich, dass sich die Zukunft stark in Richtung E-Mobilität entwickelt. Ich will die Formel 1 überhaupt nicht konkurrenzieren, sie ist eine fantastische Weltmeisterschaft. Aber wir sind anders, und die Zeit spielt für uns.

Wäre die Formel E ohne Unterstützung der FIA und deren Präsident Jean Todt möglich gewesen?

Nein, absolut nicht. Es würde uns ohne ihn nicht geben. Wir brauchten seine Unterstützung vor allem zu Beginn für unsere Glaubwürdigkeit.

In der übernächsten Saison werden wir zehn grosse Hersteller in der Formel E sehen. Aber da müssen dann welche Achter, Neunter und Zehnter sein. Glaubst du, dass diese lang Freude an der Formel E haben werden?

Vielleicht werden einige wieder aussteigen oder auch nicht. Aber jeder weiss: Es kann nur einer Erster, Zweiter, Dritter sein. Aber bei uns kann ein Privatteam den kompletten Bausatz von einem Hersteller kaufen. Und wird damit auch konkurrenzfähig sein. Schau doch, was Techeetah in dieser Saison erreichte – Fahrertitel durch Jean-Eric Vergne, knapp Zweiter in der Teamwertung. Das ist ein Privatteam, das den Antrieb von Renault kaufte. Und siegfähig war.

Ist dieses Reglement ein Volltreffer?

Wir hatten den Vorteil, auf einem weissen Blatt Papier zu beginnen. Da konnten wir das ohne Zwang festschreiben.

Wie gelang es dir, einen internationalen Grosskonzern wie ABB als Titelsponsor zu gewinnen – als einzige FIA-Serie noch dazu?

Mit ABB waren wir lang in Gesprächen. ABB schaute sich die Formel E schon länger an, war aber noch in einem Solarflug-Projekt engagiert. Als dieses endete, sprachen wir konkret. Es war ein Meeting zwischen ABB-CEO Ulrich Spiesshofer und mir, an dessen Ende wir die Hände schüttelten und eine Übereinkunft hatten. Es dauerte lang bis zur Entscheidungsfindung, aber als diese da war, ging es ganz schnell bis zum Vertrag. Es ist eine grossartige Partnerschaft.

Nächste Saison kommt die voestalpine AG aus Österreich an Bord.

Dieses Unternehmen wird immer stärker mit Komponenten für E-Mobilität auf den Märkten sein, da war es ein logischer Schritt zu uns. Die Partnerschaft betrifft vorerst die europäischen Rennen der nächsten Saison.

Dann stellt sich auch die Frage: Wird es einmal ein Rennen in Wien geben?

Ja, warum nicht? Wir sprechen schon darüber. Die Gespräche sind nicht sehr weit fortgeschritten, aber Wien wäre ein Ziel für uns. Ich hatte aber bisher noch keinen Kontakt zur Wiener Stadtpolitik. Mal abwarten.

Haben die Rennen in Berlin und Zürich eine gute Zukunft?

Ja, davon bin ich überzeugt. Berlin ist grossartig. Wir bleiben dort, ich mag den Standort Tempelhof und die Leute. Dieses Rennen wird wachsen. Wir waren mit unserem Konzept dort sehr aggressiv, und es wurde ausgezeichnet angenommen. Zürich war ebenso phänomenal, das erste Rundstreckenrennen in der Schweiz seit 63 Jahren! Über 100.000 Leute waren da, unser bisher grösstes Publikum (bei freiem Eintritt, Anm.). Das zeigt, dass Elektrofahrzeuge Rennen fahren können, wo es andere nicht schaffen.

Die nächste Saison beginnt in Saudi-Arabien. Was erwartest du?

Es ist ein grosser Schritt für den Motorsport. Das Land ist im Wandel. Es wollte, dass wir ein kleiner Teil dieser Veränderung sind. Und dass wir helfen, die Veränderungen voranzutreiben. Wir werden in unserem Event Frauen als Fahrerinnen dabeihaben. Dieses Rennen wird ein Ereignis, wie es das in Saudi-Arabien noch nicht gab. Wir bewegen uns in neue Territorien, und genau dafür steht die Formel E.

Und es wird in Saison 5 erstmals ein Rahmenrennen geben, natürlich auch mit elektrischem Antrieb.

Ja, die Jaguar-I-Pace-Trophy ist enorm wichtig für unsere Entwicklung. Wir planten das lang, und Jaguar war das erste Unternehmen, das aufsprang. Das wird eine aufregende Sache. (Lacht) Hätte ich mehr Zeit, würde ich selbst mitfahren!

Wo siehst du den Motorsport in fünf oder zehn Jahren?

In einer immer stärkeren Ausrichtung zu elektrisch und digital. Um Fans zu gewinnen, geht es nicht ohne digitale Plattformen, da muss man präsent sein. Motorsport wird sich völlig neu ausrichten müssen, um bei den Fans erfolgreich zu sein. Für den Motorsport ist das eine Riesenchance, denn kein anderer Sport ist derart mit Technologie verbunden. Motorsport ist die richtige Bühne für Technologie, und Menschen sind hungrig nach Technologie. Darauf setzt die Formel E.

Wirst du der Lenker der Formel E bleiben, bis du einmal in Rente gehen wirst? Oder machst du vielleicht einmal etwas ganz anderes?

Wahrscheinlich ist die Formel E ein Abschnitt meiner Laufbahn – ein sehr wichtiger und einer, auf den ich schon sehr stolz bin. Aber was ich liebe, ist, etwas völlig Eigenständiges auf die Beine zu stellen. Vielleicht ergibt sich da wieder etwas. Mein Traum ist stets, immer wieder etwas Neues zu kreieren. Schauen wir einmal.

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