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Kiefer Racing: Keine Ölmanipulation beim Misano-GP?

Von Günther Wiesinger
Dominique Aegerter verlor im Oktober den Sieg beim Misano-GP, weil das verbotene Additiv «Ester» im Einheitsöl gefunden wurde. Tribologe Dietmar Stürzenberger sagt: «Ester ist kein Additiv, sondern ein Öl.»

Beim Valencia-GP musste der bedauernswerte Dominique Aegerter seinen Misano-Sieger-Pokal an seinen Landsmann Tom Lüthi überreichen.

Vorher hatte die Annullierung des Moto2-Siegs von Dominique Aegerter beim Misano-GP im Herbst hohe Wellen geschlagen. Im Honda CBR600RR-Motor der Suter MMX2 des Schweizers wurden bekanntlich unerlaubte Ölzusätze gefunden – es war von Ester die Rede.

Als auch die B-Probe positiv war, wurde das Ergebnis im Oktober beim Japan-GP veröffentlicht. Aegerter, Suter und Kiefer Racing verloren den Sieg und 25 Punkte.

Die Disqualifiktion von Aegerter war ein Schock. Die Schweizer Fans hatten also umsonst über den ersten eidgenössischen Doppelsieg in einem Solo-GP-Rennen seit 1949 gejubelt!

Kiefer Racing zweifelte das Ergebnis an, man beteuerte die Unschuld und führte dann beim Australien-GP eine neue, nicht übertrieben plausible Erklärung ins Treffen. Vielleicht sei aus Versehen zwei oder drei Jahre altes Einheitsöl von Liqui Moly zum Einsatz gekommen, dann könnten sich die Additive von der Innenseite der 1-Liter-Flasche gelöst haben.

Diese Version klang nicht sonderlich glaubhaft. «Jedes Team bekommt vor dem Grand Prix vier 1-Liter-Flaschen von Liqui Moly pro Fahrer gratis in die Box geliefert. Man braucht ca. 3 bis 3,2 Liter pro Grand Prix und Fahrer, den Rest lassen wir in der Box zurück. Den nimmt sich keiner mit nach Hause und bringt ihn drei Jahre später wieder mit», gab ein Moto2-Crew-Chief zu bedenken.

SPEEDWEEK.com-Leser Dietmar «Lemmy» Stürzenberger, von Beruf Tribologe, seit 2010 als Hobby-Fahrer mit den Hafeneger Trainings unterwegs, mit einigen Rennfahrern bekannt und zudem jahrelanger Motorrad-GP-Fan, nimmt das Kiefer Team in Schutz.

Stürzenberger wurde von Prof. Dr.-Ing. Wilfried J. Bartz zum Tribologen ausgebildet; diesen Beruf üben in ganz Deutschland insgesamt nur 20.000 Menschen aus.

Als Tribologie bezeichnet man laut Wikipedia die Reibungslehre; sie befasst sich mit der wissenschaftlichen Beschreibung von Reibung, der Berechnung und Messung von Reibungskoeffizienten, dem Verschleiß und der erforderlichen Schmierung zwischen aufeinander einwirkenden, in Relativbewegung befindlichen Oberflächen. Dies schließt auch die Entwicklung von Technologien zur Optimierung von Reibungsvorgängen ein, die sich als «wechselwirkende Oberflächen in relativer Bewegung» oder «tribologisches System» beschreiben lassen. Tribologie wird von Maschinenbauern, Werkstoffwissenschaftlern, Physikern und Chemikern betrieben. Die bekannteste Rechengröße der Tribologie ist der Reibungskoeffizient.

Ing. Dietmar Stürzenberger nannte uns eine Rangliste von Ölen, die sich auf die maximale Einsatztemperatur und den Preis bezieht.

Mineralöl: 80°C, Preisfaktor 1 (ab 80°C Verkokung, max. 120-130°C)
PAO (Polyalphaolefin): 140°C, Preisfaktor 3 - 5
PAG (Polyglykol): 160°C Preisfaktor 6 - 10 (Getriebeöl)
Ester: 180°C, Preisfaktor 5 - 10
Silikon: 200°C, Preisfaktor 30 - 100
PFPE (Perfluorierte Polyether): 300°C, Preisfaktor 200 – 500.

Tribologe Stürzenberger versichert: «Man sieht anhand dieser Liste, Ester ist kein Additiv, sondern ein Öl und hat einen anderen Herstellungsprozess. Motoröle sind heute normalerweise PAO, also Polyalphaolefin. Motul hat zum Beispiel ein Motorradöl und wirbt mit einem Doppel-Ester. Wir Fachleute sprechen hier einfach von einem Dimethylester.»

«Lemmy» Stürzenberger, mit Kiefer nicht bekannt, also unparteiisch, vermutet: «Es könnte zum Beispiel einfach der Griff zu einem falschen Ölgebinde der Fehler gewesen sein. Wie das schlussendlich passiert ist, werden wir nie aufklären können. Vielleicht können wir Stefan Kiefer trotzdem posthum vom Vorwurf der Manipulation entlasten.»

«Die Argumente von Kiefer waren natürlich sehr amateurhaft. Aber genau das ist der Punkt, ich nehme einfach die falsche Ölflasche, da ich keine Ahnung von den Folgen habe – und schwups ist es passiert», räumt Experte Stürzenberger ein.

Dietmar Stürzenberger hat auch zwei Beispiele bereit, die den Unterschied zwischen einem Tribologen und einem Laien kenntlich macht. Sein Ratschlag: «Ein Motor sollte immer schnellstmöglich mit halber Kraft warm gefahren werden und nicht einfach im Standgas. Warum? Sonst braucht das kalte und hierdurch hochviskose Öl viel zu lange, um an die Nockenwelle zu kommen. Man hört während der Moto2 Siegerehrung die MotoGP Bikes beim Warmlaufen? Sagt doch alles aus, oder? Leichte Gasstöße, bis der Motor warm ist. Durch die leichten Gasstöße pumpt die Ölpumpe ein paar Tropfen Öl bis hoch in den Zylinderkopf.»

Noch ein Beispiel: Wann macht man den Ölwechsel bei einem Motorrad?

Nach der Saison im Herbst oder vor der Saison im Frühling?

«Im Herbst! Denn da sind die Additive des Öls verbraucht», schilderte Stürzenberger. «Die langkettigen Kohlenwasserstoffe sind durch den Kolben mechanisch zerhackt. Das detergierende Additiv, welches Wasseratome in Schwebe halten sollte, ist verbraucht, das Wassermolekül sinkt nach unten ab. Ist das Wassermolekül in der Ölwanne, wäre alles okay. Ist es aber auf der Nockenwelle, dann hat das Wassermolekül fünf Monate Zeit zu korrodieren, sprich Rost zu bilden. Das heißt: Kleine Fehler können große Auswirkungen nach sich ziehen.»

Aber da das Kiefer-Team in Motegi nach der Bekanntgabe der B-Probe keinen Einspruch erhoben hat, ist das Urteil der Grand Prix Commission rechtskräftig.

Die FIM und Technical Director Danny Aldridge verlautbarten die Bezeichnung des unerlaubten Zusatzstoffs nicht, der im Aegerter-Motor gefunden wurde. Aber es sprach sich bei den Team schnell herum, dass es sich um Ester gehandelt habe. 

Es bleibt auf jeden Fall ein übler Beigeschmack. Denn die Probe wurde nach Platz 3 im Qualifying entnommen. Im Rennen regnete es. «Wir wissen, dass irgendwelche Additive im besten Fall 1 bis 1,5 PS bringen», sagte Motorradhersteller Eskil Suter. «Aber im Regen brauchst du keine Maximalleistung…»

Und Peter Baumann von Liqui Moly hält fest: «Es gibt keinen Zusatzstoff, der unser Öl noch leistungsfähiger machen würde.»

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