Luca Boscoscuro (Speed-up): «Vorschriften ein Witz»
Alle drei WM-Rennen in Misano brachten extrem knappe Ergebnisse beim Kampf um den Sieg. In der Moto3 trennten nur 0,201 sec die ersten Drei (Suzuki siegte vor McPhee und Arbolino); in der Moto2 wurde Rookie Fabio Giannantonio nach einem herzergreifenden Duell in der letzten Runde um 0,186 sec von Rookie Augusto Fernandez besiegt. Und Marc Márc Márquez rang Fabio Quartararo um 0,903 sec nieder, nachdem er bis zur letzten Runde geführt hatte.
Aber der erbitterte Fight in der Moto2-Klasse gab viel zu reden. Denn manchen aufmerksamen Beobachten fiel auf, dass Sieger Augusto Fernandez aus dem Flexbow HP40-Team von Sito Pons zweimal auf den Grünstreifen rausfuhr, was nach Meinung der Experten zu einem 3-sec-Penalty hätte führen können.
Aber die Fahrweise von Fernandez blieb unbestraft, die FIM MotoGP-Stewards schritten nicht ein. «Das war unglaublich», ärgerte sich Luca Boscoscuro, der Besitzer des Speed-up-Teams, der erfolgreich seine eigenen Chassis herstellt und 2018 in Catalunya mit Fabio Quartararo den letzten Sieg eingeheimst hat.
Doch die Ergebnisliste zeigt: Fernandez bekam nie ein «track limit warning», Fabio Di Giannantonio hingegen eines um 12:53 Uhr.
Es ging in der Moto2-Klasse ziemlich drunter und drüber: Denn Philipp Öttl bekam zweimal einen Long-Lap-Penalty, Cardelús, Lecuona und Locatelli bekamen je einen.
Augusto Fernandez hingegen sah bis zur letzten Runde noch keine Verwarnung im Dashboard, deshalb konnte er ungestüm angreifen.
Üblicherweise gibt es bei mehrfachen Track-Limit-Vergehen einen Long-Lap-Penalty. Wenn es erst in der letzten Rennrunde passiert, werden normal drei Sekunden auf die Fahrzeit addiert.
Doch Luca Boscoscuoro, der ehemalige 250-ccm-Europameister, ist mit dem Reglement nicht einverstanden. «Es ist unglaublich. Ich verstehe nicht, warum im Qualifying sofort deine Runde gestrichen wird, wenn du einmal auf den Grünstreifen fährst. Aber im Rennen, das viel entscheidender ist, kannst du dir am Ende vier Fehler erlauben, es spielt keine Rolle. Es hat keine Auswirkung auf das Ergebnis. Erst beim fünften Verlassen des ‚track limits‘ kommt eine Strafe. Aber meiner Meinung nach ist die letzte Rennrunde viel wichtiger als eine Quali-Runde. In der letzten Rennrunde kann man sich anscheinend alles erlauben, man kann die Schikane abkürzen, man kann machen, was man will. Manche Fahrer donnern auf den Grünstreifen raus, weil sie dann in Misano in der nächsten Kurve eine bessere Linie wählen können. Das ist doch nebensächlich. So etwas ist kein schweres Vergehen. Warum wird das so hart bestraft? Mit einem Long-Lap-Penalty oder der Addition von drei Sekunden nach der Zieldurchfahrt? Es würde doch im Rennen notfalls genügen, wenn man den Fahrer um eine Position zurückversetzt. Aber das Problem sind diese Vorschriften. Man muss sie ändern. Das ist meine Meinung. Ich hoffe, sie werden rasch geändert. Denn die Situation ist unglaublich.»
Race-Director Mike Webb: «Die Vorschriften basieren darauf, wie groß der im Rennen errungene Vorteil beim Verlassen der Streckenbegrenzung ist. Wenn ein klarer Vorteil erworben wird – dann gibt es sofort eine Strafe. Das bedeutet heute einen Long-Lap-Penalty, der etwa drei Sekunden kostet. Wenn kein Vorteil entsteht, verzichten wir auf den Penalty. Wenn die Fahrer auf dem ‘GREEN’ sind, aber deshalb keinen Zeitvorteil erringen, zählen wir die Vergehen. Beim dritten Vergehen schicken wir das ‚warning‘, beim fünften Mal verhängen wir eine Strafe, auch wenn kein Vorteil zu erkennen ist.»
«In der Moto3-Klasse gab es im Rennen in Misano elf ‘track limits warnings‘ und dann zwei Long-Lap-Penaltys, und zwei Fahrer (Dalla Porta und Nepa) bekamen am Schluss drei Sekunden addiert», wundert sich Boscoscuro. «Für jedes Rausfahren ins Grüne gab es eine Strafe. Aber niemand gewann durch das Verlassen der Fahrbahn um wenige Zentimeter drei Sekunden Vorteil. Dieses Reglement ist völliger Blödsinn.»
Die Fahrweise von Augusto Fernandez in der letzten Runde würde man im Motocros als «Block Pass» bezeichnen, denn Fabio «DIGA» Di Giannantonio musste sein Bike aufrichten und ausweichen, sonst wären wohl beide Sieganwärter gestürzt.
Aber als Ex-Rennfahrer hat Luca Boscoscuro an solchen Aktionen nichts auszusetzen. «Es gab Kontakt, aber für mich war das nichts Besonderes», stellte Boscoscuro im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com fest. «Das GP-Rennfahren ist ein Sport für echte Männer. Da kann es zu Berührungen kommen. Für mich war es wunderschön, als Valentino Rossi 2005 in Jerez in der Zielkurve Gibernau weggerempelt hat. Das ist Wettkampf. Aber als Valentino Rossi und Marc Márquez in Assen in der letzten Runde einmal in der letzten Schikane einfach die Abkürzung genommen haben, war das nicht korrekt für mich. Denn sie haben ihr Duell neben die Fahrbahn verlagert.»
Luca Boscoscuro hat jetzt in elf Monaten zwei Moto2-WM-Laufsiege knapp verspielt. Im Oktober 2018 gewann Speed-Up-Pilot Fabio Quartararo den Japan-GP. Aber der Sieg wurde ihm aberkannt, weil der Hinterreifen am Schluss nur 1,45 bar Luftdruck aufwies statt 1,5 bar.
Moto2-Ergebnis, Misano:
1. Fernandez. 2. Di Giannantonio, + 0,186 sec. 3. Márquez. 4. Lüthi. 5. Lowes. 6. Binder. 7. Navarro. 8. Vierge. 9. Bastianini. 10. Baldassarri. Ferner: 18. Aegerter. 22. Tulovic. 23. Öttl.
Moto2-WM-Stand nach 13 von 19 Rennen:
1. Alex Márquez 197. 2. Fernandez 171. 3. Lüthi 159. 4. Navarro 155. 5. Binder 135. 6. Baldassarri 130. 7. Schrötter 116. 8. Marini 113. 9. Di Giannantonio 89. 10. Bastianini 81. Ferner: 21. Aegerter 12. 28. Tulovic 3. 30. Raffin 3.
WM-Stand nach 13 von 19 Rennen:
1. Marc Márquez 275. 2. Dovizioso 182. 3. Petrucci 151. 4. Rins 149. 5. Viñales 134. 6. Rossi 129. 7. Quartararo 112. 8. Miller 101. 9. Crutchlow 88. 10. Morbidelli 80. 11. Pol Espargaró 77. 12. Nakagami 62. 13. Mir 47. 14. Aleix Espargaró 37. 15. Bagnaia 29. 16. Iannone 27. 17. Zarco 27. 18. Oliveira 26. 19. Lorenzo 23. 20. Rabat 17. 21. Bradl 16. 22. Pirro 9. 23. Guintoli 7. 24. Syahrin 7. 25. Abraham 5.