Moto2 und Márquez: Die schiefe Optik
Marc Marquez ist Moto2-Weltmeister 2012
Die Diskussion über die Schaltautomaten (quick shift system) in der Moto2-WM zieht weite Kreise. Etliche gegnerische Teams hatten sich über manche Darbietungen von Marc Márquez gewundert, die mit überragender Fahrkunst und geringem Körpergewicht allein nicht zu erklären sind.
Nach Gesprächen mit HRC-Vizepräsident Nakamoto, Teambesitzern, Technikern und Elektronikern stellt sich eine seltsame Situation dar. Klar, ein Schaltautomat ist in der Moto2-WM erlaubt. Die Honda Racing Corporation hat als Lieferant der Einheits-ECU (electronic control unit) für das Motoren-Management für rund 2500 Euro ein System mit programmierbarer Berechnungszeit für die verschiedenen Gänge angeboten. Die Firma HM offerierte ein recht einfaches System, mit einer fixen Unterbrechungszeit für alle Gänge.
Plötzlich trat der japanische Chassis-Hersteller TSR Mitte 2011 mit einem «quick shift system» auf, das den Teams angeboten wurde, aber anfangs nicht wunschgemäss funktionierte.
Ausgerechnet das Spitzen-Team um Marquez entschied sich, diesen Schaltautomaten mit TSR exklusiv weiterzuentwickeln. Manche Gegner sind sich einig, dass der Spanier 2012 dadurch einen Vorteil genoss.
Man würde jetzt erwarten, dass sich HRC nicht ins Handwerk pfuschen liesse und sein Produkt forcierte. Nichts dergleichen geschah. Gegnerische Teams, die mit Honda nicht viel am Hut haben, wurden hellhörig. Wieso bietet ein Chassis-Hersteller plötzlich elektronische Hightech-Komponenten feil und kooperiert ausgerechnet mit jenem Team, dessen Fahrer bereits im Frühjahr 2012 einen Zwei-Jahres-Vertrag für die MotoGP-WM mit Repsol-Honda unterschrieben hat?
Dass TSR enge Bande zu HRC hat, ist kein Geheimnis. Dieses Engineering-Unternehmen tunt für das Honda-Werksteam die Motoren für das prestigereiche Acht-Stunden-Rennen von Suzuka und leitet dort die Werkseinsätze für HRC.
Honda hat in der Moto2 als Lieferant der Einheitsmotoren eine heikle Aufgabe; die Chancengleichheit muss gewährleistet sein. Viele Teams sehen eine schiefe Optik und werfen HRC vor, dem überragenden Márquez durch Gefälligkeiten geholfen und ihn so bei der Stange gehalten zu haben.