Michael Bartholemy/Marc VDS: «Rabat will seine Ruhe»
Das belgische Marc VDS-Team hat die Moto2-WM 2014 dominiert wie kein Rennstall zuvor. Vor allem Esteve «Tito» Rabat hat das Geschehen geprägt: Er fuhr bei 18 Rennen elfmal auf die Pole-Position, er gewann sieben Rennen, landete 14 Mal auf dem Podest und war immer unter den Top-Ten. Mit 366 WM-Punkten stellte er einen neuen Moto2-Saisonrekord auf. Insgesamt sammelte das Team in der Saison 2014 mit Rabat und Kallio 635 Punkte ein und 24 von 36 möglichen Podestplätzen ein. Es wurden 2014 insgesamt zehn Siege gefeiert (7x Rabat, 3x Kallio), viermal waren es sogar Doppelsiege.
Marc VDS-Teammanager Michael Bartholemy unterhielt sich mit SPEEDWEEK.com über die Vorzüge von Weltmeister Tito Rabat. Der Soanier ist der erste Moto2-Weltmeister, der nach dem Titelgewinn nicht in die MotoGP-Klasse aufsteigt, wie es Toni Elias, Stefan Bradl, Marc Márquez und Pol Espargaró gemacht haben.
Michael, hast du Verständnis dafür, dass Rabat noch ein Jahr Moto2 fährt? Eine bessere Saison wird ihm kaum gelingen? Hast du nicht damit rechnen müssen, dass er aufsteigt?
Ja, ja sicher. Unser Vertrag sah so aus, dass er aufsteigen kann, wenn er ein Angebot von einem Werksteam erhält. Dann hätten wir ihn ziehen lassen müssen.
Bei einem Werksangebot hätte ich verstanden, wenn er in die MotoGP umgestiegen wäre.
Aber er sagte mir: «Ich fühle mich bei VDS wohl, die Angebote, die ich bekomme habe, gefallen mir nicht.»
Ich denke, dass er den Titel auch 2015 gewinnen kann. Aus diesem Grund hat er sich entschieden, noch einmal bei uns Moto2 zu fahren. Und er würde nachher natürlich gerne mit uns in die MotoGP gehen. Tito sagt: «VDS ist gut, die Techniker sind gut.» Deshalb kann er sich gut vorstellen, 2016 mit uns in die MotoGP zu gehen.»
Rabat war in der 125er-Klasse bei weitem kein Überflieger oder Ausnahmekönner wie zum Beispiel Marc Márquez oder Maverick Vinales. Er war kein Riesentalent. Er hat sich den Erfolg langfristig erwartet – durch viel Ehrgeiz und Fleiss?
Im Grund bin ich von ihm sehr überrascht. Man siegt ja erst bei den ersten Tests und Rennen, wie ein Fahrer tickt. Und Rabat ist jemand, der dieses Grundtalent nicht hat, das einige andere Fahrer haben. Aber durch harte Arbeit hat sich sich nach vorne gebracht. Er ist einer, der sagt: «Hör mal, ich muss an mir arbeiten, wenn ich gewinnen will, nicht nur am Motorrad rumschrauben.»
Er hat bei allem, was er macht, viel Ehrgeiz. Das war beim Superprestigio-Dirt-Track im Dezember nicht anders. Er kämpfte dort gegen Fahrer, deren Dirt-Track-Bikes 50.000 Euro wert waren. Er trat mit seinem Motocross-Motorrad an und holt er damit das Beste raus. Diese Einstellung gefällt mir.
Bei Tito hört man keine Ausreden über Reifen oder Pech oder sonst was. Er nimmt sich selber an der Nase und arbeitet zuerst mal an sich, damit das Beste rauskommt.
Das sieht man auch an den Sessions in der WM. Er bleibt oft 26 oder 27 Runden lang draussen und lässt am Motorrad nicht viel ändern. Er lässt nur Kleinigkeit ändern, stellt aber das Motorrad vom Set-up her nie auf den Kopf. Trotzdem fanden wir jedes Wochenende ein Motorrad, auf dem er sich wohlfühlte.
Trotz der Erfolge von 2014 ist Rabat kein Publikumsliebling. Er steht im Schatten seiner Landsleute Marc und Alex Márquez, Lorenzo, Pedrosa und sogar Rins und Vinales. Er ist nicht übertrieben populär, weil er so lange gebraucht hat, bis er erfolgreich wurde?
Ja, das ist wahr. Tito Rabat ist zum Beispiel in England populärer als in Spanien, das sehen wir auch. Er ist einfach scheu. Er ist gerne alleine. Das sind natürlich Sachen, die seine Popularität beeinträchtigen. Er ist nicht so medienwirksam wie andere Fahrer. Er macht das nicht absichtlich, er ist einfach so. Er will oft seine Ruhe haben, allein sein und nicht 1000 Leute um sich rum haben. Er will lieber Supermoto oder Motocross fahren, das ist ihm lieber als Promotion-Events mit viel Rummel.
Er ist nicht der Typ, der unbedingt im Mittelpunkt stehen muss.