Moto3 und die Super-Rookies: Spannung statt Ehrfurcht
Was macht ein gutes Motorradrennen aus? Ist es eine Demonstration von Kunstfertigkeit und Genialität, wenn sich ein Fahrer an der Spitze absetzt und seine Überlegenheit darlegt, indem er den Rest des Feldes sich selbst überlässt? Oder sollte es viel mehr ein gnadenloser Kampf sein, bei dem der Sieger der Fahrer mit dem größten Ellenbogen-Einsatz in der letzten Kurve ist?
Eine schwierige Frage.
Mit meiner eigenen Antwort bin ich mir selbst nicht sicher. Als ich eine Dominanz wie jene von Freddie Spencer oder Mick Doohan an der Strecke miterlebte, war ich voll des Respekts, wenn nicht sogar teilweise begeistert. Zu meinem Vergnügen, lieferten sich Rainey und Schwantz aber einen fesselnden Schlagabtausch.
Dann kam Rossi. In all seiner Pracht verstand er, dass beides bewundert werden würde. Er wusste, wie man ein gutes Rennen daraus macht, auch wenn er wusste, dass er gewinnen würde. Also entscheiden wir uns für Spannung statt Ehrfurcht. Und lasst uns einen Blick auf die Moto3-Klasse werfen.
Ich erinnere mich, dass ich den Ersatz für die großartigen 125er-Zweitakter mit etwas Hohn empfing. Sie klingen, so schrieb ich, wie «Rasenmäher mit einem Loch im Auspuff». Gott, habe ich mich geirrt. Nicht was den Sound betrifft, vielleicht, aber was alles andere angeht. All die Dinge, die in einer Motorradweltmeisterschaft wirklich zählen.
Diese Bikes sind kleine Juwelen. Dornas Plan, so die Kosten zu senken, wurde bald über Bord geworfen. Während KTM vielleicht Dornas Verordnung im Hinblick auf den Verkaufspreis akzeptieren musste, können sie bei den Entwicklungskosten ihren eigenen Weg gehen und könnten jede Maschine mit Verlust verkaufen, wenn sie das wollten. Honda, die zu Beginn einen ziemlich alltäglichen Production-Racer im Sinne des Reglements herstellten, waren eine Weile verärgert, schluckten dann ihren Stolz hinunter und machten es genauso. Mahindra folgte bald.
Im Gegensatz zu dem Production-Unsinn der Moto2-Klasse sind dies echte GP-Bikes. Die Elektronik ist vereinfacht, aber zumindest ist sie vorhanden. Noch wichtiger: Die Schaltung kann angepasst werden. Das gibt den Ingenieuren und den Fahrer etwas, über das sie nachdenken müssen und wobei sie etwas lernen. Und es gibt mehr als eine Art von Motor. Die Natur dieser Motorräder bringt Einfachheit auf ein sehr hohes Level.
Ich habe diese Tatsache oft beobachtet, blieb jedoch immer fasziniert davon: Das Endresultat ähnelt der Einzylinder Manx Norton, welche die RCV oder M1 ihrer Zeit war, und gut genug war, um die 500-ccm-Weltmeisterschaft 1951 mit Geoff Duke zu gewinnen. Eine Moto3-Maschine hat mehr oder weniger genau so viele Pferdestärken bei derselben Zylinder-Anzahl – einer, wenn auch nur halb so groß. Doch diese Maschinen sind leichter, mit besseren Reifen und Bremsen ausgestattet und deutlich schneller. Trotzdem gelten sie als Bikes für Neulinge, die sich am Anfang ihrer Teenager-Jahre befinden. Die Moto3-Klasse ist ein Fortschritt, was Fahrer und Ingenieurskunst betrifft.
Das zeigte sich in diesem Jahr durch die zahlreichen Super-Rookies. Wenn die Fahrer aus der CEV Junioren-WM oder dem Red Bull Rookies Cup in die Moto3-WM kommen, sind die mindestens 16 Jahre alt. Außer sie sind Junioren-Weltmeister, denn dann gilt die «Quartararo-Regel», die bisher nur auf den Franzosen zutraf. Er durfte bereits vor seinem 16. Geburtstag in den GP-Sport einsteigen.
Das durchschnittliche Alter der Moto3-Piloten war beim Saisonauftakt 2016 etwas weniger als 18 Jahre und sechs Monate. Wenn man den einzigen Fahrer, der das maximale Alter von 28 erreicht hatte, Alexis Masbou, herausrechnet, fällt der Durchschnitt auf unter 18 Jahre und zwei Monate. Das Durchschnittsalter der acht Sieger der bisherigen 14 Rennen liegt bei 19,4 Jahren. Brünn-Sieger John McPhee war mit 21 Jahren der älteste.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Schnitt im nächsten Jahr noch weiter fällt, dank einer großartigen Gruppe von Rookies aus diesem Jahr. Es sind zehn Rookies und sechs sind wirklich bemerkenswert. Khairul Idham Pawi (17) hat zwei Rennen gewonnen, der jedoch in die Moto2-Klasse aufsteigen wird, Joan Mir (18) gewann eines von der Pole-Position. Er ist Vierter der Gesamtwertung vor Rossis Schützling Nicolò Bulega (16) und Fabio Di Giannantonio (17). Nicht weit dahinter folgen Bo Bendsneyder und Aron Canet. Sie alle werfen ein noch besseres Licht auf die bemerkenswerten Leistungen von Weltmeister Brad Binder.
In diesem Wirbelsturm von verrückten Teenagern behielt Binder den kühlsten Kopf und hatte die beste Taktik, um fünf Rennen zu gewinnen und den Titel zu sichern – als erster Südafrikaner seit Jon Ekerold 1980. Seine beste Leistung war es nicht nur, in Jerez nach einer Strafe vom letzten Startplatz aus zu siegen, sondern sich auch noch 3,5 Sekunden von den Verfolgern abzusetzen. Und das in einem Jahr, in dem bei vier Rennen der Vorsprung des Siegers unter einer Zehntel lag und bei fünf weiteren Rennen unter einer halben Sekunde. In Katar waren es nur 0,007 sec.
Es braucht Reifen und Renntaktik, um unter diesen Umständen Sieg um Sieg zu feiern. Binder machte nur einen Fehler, als er im Nassen einen für ihn untypischen Sturz in Brünn fabrizierte, als er klar in Führung lag. Ich denke, das ist ihm zu verzeihen. Nun steigt er in die Moto2-Klasse auf. Unter anderen werden es ihm Navarro und ein überraschend glanzloser Quartararo gleich tun.
Ehemalige Moto3-Stars gingen entweder unter oder blühten in der deprimierenden Mittelklasse auf. Alex Rins und Maverick Viñales gewannen schon im ersten Jahr. Wie auch Marc Márquez. Es ist also vielleicht keine so schlechte Schule. Nur nicht so gut wie die Moto3-Klasse.