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Paolo Simoncelli: «Wenn sie uns noch fahren lassen»

Von Nora Lantschner
Tatsuki Suzuki #24 mischte in Losail an der Spitze des Moto3-Feldes mit

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Paolo Simoncelli spricht über «die Moto3-WM zur Zeit des Coronavirus» und die Performance seines Schützlings Tatsuki Suzuki in Katar. Der Teameigentümer der SIC58 Squadra Corse litt zu Hause mit.

Als Tatsuki Suzuki am Sonntag von der Pole-Position aus in das erste Moto3-Rennen der Saison 2020 startete, saß sein Teamchef Paolo Simoncelli zu Hause in Italien. Denn die Regierung in Katar hatte die Einreisebestimmungen aufgrund der Coronavirus-Notlage in Italien drastisch verschärft.

«‘Die Moto3 zur Zeit des Coronavirus‘ klingt deshalb wie ein guter Titel», begann Paolo seine Analyse des Katar-GP. «Dieses Jahr wird zweifelsohne in die Geschichtsbücher eingehen. Dieses Rennen wird in die Geschichte eingehen, ganz egal, wer gewonnen und wer verloren habt, und unabhängig von den zehn Fahrern, die sich zehn Runden lang bekämpft haben und vor keinem Angriff oder Bremsmanöver zurückgeschreckt sind. Es war das erste Mal überhaupt, dass nur die zwei ‚niedrigeren‘ Kategorien, Moto2 sowie Moto3, und nicht die Top-Klasse MotoGP gefahren sind. Das lag daran, dass die Italiener nach dem 1. März nicht mehr einreisen konnten und ich und die gesamte MotoGP, also die, die dem ‚letzten Aufruf für den Flug Mailand – Doha‘ gefolgt wären, das Spektakel von der heimischen Couch aus verfolgen mussten.»

Anschließend verzichtete die SIC58 Squadra Corse auch auf eine Reise nach Jerez, wo zurzeit die MotoE-Tests stattfinden. Denn Riccione, wo der Rennstallt beheimatet ist, gehört zu der vom Coronavirus besonders stark betroffenen Provinz Rimini. Italienweit wurden inzwischen schon mehr als 12.000 Menschen positiv getestet, 827 Todesopfer (Stand 11. März) sind zu beklagen. Der gesamte Stiefelstaat ist seit Montagabend eine «geschützte Zone», in der die Bewegungsfreiheit und der Alltag von 60 Millionen Menschen drastisch eingeschränkt wurden.

«Auch das wird vorübergehen, wenn wir ein bisschen vorsichtig sind und zu Hause bleiben», macht Paolo Simoncelli seinen Landsleuten Mut. «Wenn wir es bis zum Mars schaffen, werden wir es wohl auch schaffen, einen Impfstoff gegen diesen Virus zu finden, oder nicht? Ich habe gehört, dass in Mailand die Beatmungsgeräte ausgehen, weshalb sie nur noch jene bekommen, die jünger als 60 Jahre alt sind. Aber mit 60 ist man doch noch nicht alt! Ich glaube nicht, dass man im Jahr 2020 die Ärzte dazu zwingen muss, zwischen ihren Patienten zu wählen. Das bedeutet wohl, dass mit den ganzen Kürzungen, die die Politiker im italienischen Gesundheitssystem vorgenommen haben, schlecht umgegangen wurde… Aber darüber wird schon im Fernsehen zu viel diskutiert.»

Zurück zum Katar-GP: «Zum ersten Mal habe ich das Rennen von zu Hause aus verfolgt. Es war merkwürdig, aber das Gefühl war gleich, sogar das flaue Gefühl in der Magengegend, wenn es auf die Startaufstellung geht. Mir tat es einfach nur leid, dass ich in diesen heiklen Momenten vor dem Start meinen Fahrern nicht beistehen konnte», seufzte der SIC58-Squadra-Corse-Chef. «Es war ein fast perfektes Wochenende, aber gleichzeitig auch unerwartet schwierig, aus verschiedenen Gründen: Vor allem musste Niccolò [Antonelli] nach den Tests nach Hause zurückkehren, um sich an der Schulter operieren zu lassen.»

Seine Rückkehr in die Motorrad-WM wird für Mai erwartet, in Doha sprang José Garcia – eigentlich für den CEV vorgesehen – als Ersatzmann auf die Honda. Somit war «Tatsu» der große Hoffnungsträger der SIC58-Truppe. Allerdings verpasste der Japaner zunächst den direkten Aufstieg in das Q2, was er mit seiner zweiten Pole-Position aber schnell wieder vergessen machen konnte.

«Ich habe vor dem Start mit ihm gesprochen, er schien ruhig zu sein», erzählte Paolo. «Also habe ich ihm nur gesagt: ‚Du kannst fahren, vergiss das nicht – außer, wenn du gerade bei einem Stoppschild in Riccione vorbeikommst. Hab keine Angst zu verlieren!‘ Er hat ein sensationelles Rennen gezeigt und sich als großartiger Fahrer bewiesen, er hat nur zwei Fehler gemacht, die aber ausschlaggebend für das Endergebnis waren: Zunächst hat er eine Runde zu früh auf Angriff geschalten und dann war er in der dritten Kurve der letzten Runde auf der Innenlinie. Deshalb wurde es Platz 5.»

Dabei profitierte Suzuki auch von einer Strafenwelle: Denn nach der Zieldurchfahrt verlor nicht nur Jaume Masia (Leopard Honda) den Podestplatz, weil er in der letzten Runde das Streckenlimit missachtet hatte. Auch Tony Arbolino, Raul Fernandez, Jeremy Alcoba und Gabriel Rodrigo wurden jeweils einen Platz nach hinten versetzt.

«Endlich werden die, die auf der letzten Runde auf den Grünstreifen fahren, bestraft», zeigte sich Simoncelli zufrieden. «Ich werde meinen Kampf aber fortführen, weil ich glaube, dass diese Regel nur zeigt, dass jene, die die Track-Limits missachten, einen Vorteil daraus ziehen. Warum sollte es also nur in der letzten Runde bestraft werden? Davon profitiert einer nämlich auch das ganze Rennen über.»

Trotz allem fällt die Bilanz der SIC58 Squadra Corse positiv aus: «Ich habe einen Tatsuki gesehen, der konkurrenzfähig war, gekämpft hat, die Kontrolle über sein Motorrad und die Situation hatte. Er wird uns noch Freude bereiten… Wenn sie uns noch fahren lassen», verwies Simoncelli auf die zahlreichen Terminverschiebungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie. Aktuell steht der zweite Grand Prix am 3. Mai in Jerez im Kalender.

«Wir warten ab und hoffen darauf, dass uns die warmen Temperaturen dabei helfen, diesen Virus zu bekämpfen und wieder zur Normalität zurückzukehren», ergänzte Paolo Simoncelli. «Nutzen wir diesen Moment, in dem das Leben weniger frenetisch als normalerweise ist, um inne zu halten und darüber nachzudenken, wie zerbrechlich die menschliche Existenz ist. Halten wir kurz inne, ist das die Welt, die wir wollen? Und wenn der Duft des Sommers den Geruch der Desinfektionsgels ersetzen wird, werden wir aus dieser Lektion vielleicht etwas gelernt haben.»

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