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Deutscher Nachwuchs: Es wird immer schlimmer

Kolumne von Günther Wiesinger
Nachwuchsarbeit in Deutschland: Es ist nicht 5 vor 12. Es ist vielleicht schon viel zu spät.

Nachwuchsarbeit in Deutschland: Es ist nicht 5 vor 12. Es ist vielleicht schon viel zu spät.

Um die Förderung des deutschen Motorsportnachwuchses ist es seit Jahren schlimm bestellt. Der DMSB ist selig entschlafen, der ADAC rettet lieber die Welt als Deutschland.

Weil der «ADAC Northern Europe Cup» am übernächsten Wochenende im Rahmen des GP von Deutschland auf dem Sachsenring gastiert, fühlte sich die Presseabteilung des ADAC bemüßigt, eine peinliche Lobeshymne über diesen armseligen Cup anzustimmen, der in der Motorsportwelt nicht einmal als Randerscheinung wahrgenommen wird.

Es werden deutsche Moto2-WM-Piloten mit lobenden Worten über den NEC zitiert, die sich noch keine Sekunde darüber den Kopf zerbrochen haben und die normalerweise wenig Positives über den ADAC zu erzählen haben. Folger und Cortese seien vom NEC begeistert, ist da zu lesen.

Naja, es fährt halt dort Matthias Meggle mit, der wie die beiden GP-Piloten von Intact gesponsort wird.

Denn der ADAC NEC ist überwiegend zu einem Sammelbecken von Fahrern geworden, die sonst nirgends Aussicht auf Erfolg haben und die nicht einmal in der IDM ein Team finden.

Ernst Dubbink ist im NEC momentan Führender der GP-Wertung, ein vielversprechendes Nachwuchstalent, 27 Jahre alt, also ein Jahr älter als Stefan Bradl und Sandro Cortese, die bereits ihre elfte GP-Saison bestreiten. Der talentierte Dubbink ist in der IDM 125 im Jahr 2011 bereits gegen Jack Miller gefahren. Ihre Karrieren sind seither nicht gerade parallel verlaufen.

Dubbink ist in der Bedeutungslosigkeit versunken, Miller hat bereits acht GP-Siege in der Tasche – mit 21 Jahren.

Auch die Terminplanung im vom ADAC hoch gerühmten Northern Europe Cup lässt zu wünschen übrig. Die Talente und jene Teilnehmer, die die Zukunft schon hinter sich haben, haben gerade mal drei Monate Cup-Pause.

Das lässt darauf schließen, dass sich die Begeisterung der Veranstalter für diese angebliche Nachwuchsserie in Grenzen hält.

Viele Cup-Fahrer haben seither keinen Renn-Kilometer mehr absolviert, für sie beginnt die Saison also Mitte Juli neu.

Und wenn der ADAC auf Matthias Meggle aufmerksam macht als leuchtendes Beispiel für die Bedeutung des NEC: Meggle und alle anderen Fahrer, die etwas taugen, nehmen eigentlich nur dann am NEC teil, wenn nichts besseres los ist. Er bestreitet nämlich auch den Red Bull Rookies-Cup, das sind 14 Rennen im Rahmen der Weltmeisterschaft.

Der NEC setzt sich aus nur zehn Rennen zusammen: Zwei liefen in Silverstone im Rahmen der BSB, dann eines in Assen bei der SBK, dazu gibt es Wettbewerbe bei der IDM auf dem Lausitzring, beim Sachsenring-GP, in Oscherleben bei der Endurance-WM, bei der IDM in Hockenheim und wieder in Assen bei der BSB. Immerhin 26 Fahrer stehen auf der Teilnehmerliste. Meggle führt in der Standard-Klasse, 15 Punkte vor Oliver König aus Tschechien.

Auffallend: Wenn sich ein NEC-Teilnehmer in die Junioren-WM wagt, landet er unter Garantie im geschlagenen Feld.

In Silverstone wurde der NEC immer erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit ausgetragen, in Assen klagten die Fahrer über unzureichende Trainingszeiten. Aber das sickert nicht an die Öffentlichkeit durch, denn ausser SPEEDWEEK.com berichtet ohnedies niemand über die Serie, die laut ADAC «weite Kreise zieht». Leider im Verborgenen.

Keine Reaktion auf angeprangerte Missstände

Und wo sind die Partner und anderen Verbände aus europäischen Ländern geblieben, die sich an den Kosten beteiligen wollten?
Davon haben wir nie wieder was gehört.

Und warum muss eigentlich ein deutscher Automobil Club die Nachwuchsarbeit für ganz Nordeuropa finanzieren, während ihm die Internationale Deutsche Meisterschaft (IDM) am Allerwertesten vorbeigeht, nachdem sie gemeinsam mit DMSB und DMV in jahrelanger, mühseliger Kleinarbeit an den Rand des Ruins getrieben wurde?

Reisen die überforderten und ahnungslosen ADAC-Funktionäre lieber in die Niederlande und nach Grossbritannien als an die Niederungen der IDM-Schauplätze?

Warum engagiert sich der ADAC mit dem Geld der deutschen Kraftfahrer in einer internationalen Serie?

Sind die Baustellen in Deutschlands Motorradnachwuchs zu gross geworden? Oder ist daheim alles in bester Ordnung?

Ganz nebenbei: Die Schützlinge des ADAC Sachsen Leistungszentrums murksen auch schon seit Jahren erfolglos in Spanien rum, finanziert von Mitgliedsbeiträgen.

SPEEDWEEK.com hat die Missstände in der deutschen Motorradnachwuchsförderung schon in unzähligen Artikeln, Kolumnen und Kommentaren angeprangert.

Passiert ist genau – null!

Seit 1992 zahlt die Dorna über die FIM rund 100.000 bis 125.000 US-Dollar an alle Landesverbände, die einen Grand Prix beherbergen; diese Beträge waren einwandfrei zur Förderung des Breitensports vorgesehen.

In Deutschland weiss kein Fahrer, kein Team und niemand beim DMSB, wo dieses Geld versickert ist – es handelt sich um Millionenbeträge, die offenbar zweckentfremdet wurden. Wie nennt man so etwas in der Privatwirtschaft? Veruntreuuung, richtig?

DMSB-Präsident Hans Stuck hat in drei Jahren keine Antwort auf die Frage gegeben, wohin diese Millionen versickert sind.

Teambesitzer wie Freudenberg packt die nackte Wut, wenn sie über diese Machenschaften sprechen.

Wenn von SPEEDWEEK.com Kritik geübt wird, forschen ADAC und DMSB gewissenhaft und aufwändig nach undichten Stellen, ist zu hören.

Aber ob die Ursachen der Kritik gerechtfertigt sind, darüber denkt in Deutschland niemand nach. Ist ja alles bestens.

Wir haben zwar seit vier Jahren keinen deutschen Fahrer mehr in die Moto3-WM gebracht, der letzte war Philipp Öttl. Fahrer wie Finsterbusch, Amato, Grünwald, Kappler und Co. haben für die WM nicht das nötige Talent oder nicht genug finanzielle Rückendeckung gehabt. Das Racing Team Germany setzte jahrelang auf Ausländer, bei Kiefer ist es 2015 und 2016 nicht anders, es gibt einfach keine förderungswürdigen Talente, während sie in Italien und Spanien serienweise aus dem Boden sprießen.

Naja, der ADAC Junior Cup ist auch kein Talentschuppen mehr, seit dort mit 390-ccm-Einzlyinder-Viertakt-KTM gefahren wird. 2009 waren im ADAC Junior-Cup noch Luca Amato und Philipp Öttl unterwegs. Amato ist nach ein paar GP-Rennen trotz Hilfe von Harald Eckl und Eskil Suter verschollen.

2010 beteiligte sich ein gewisser Manou Antweiler im Junior-Cup, heute hält er sich im NEC über Wasser. Endstation Sehnsucht.

2011 mischten im Junior Cup Klaus Heidel und Max Fritzsch vom ADAC Leistungszentrum mit. Der eine hat inzwischen aufgehört, der andere bestreitet nur noch Hobbyrennen. Max Kappler – auch keine Erfolgsgeschichte. Er schafft nicht einmal in der Repsol-CEV-Serie regelmäßig Punkteränge. Mit fast 19 Jahren. Da fuhr Jack Miller schon fast in der MotoGP.

2012 machte Aris Michail im Junior-Cup einen guten Eindruck. Dann sahen wir ihn im Red Bull Rookies-Cup, aber auch dieses Talent hat längst aufgehört.

2013 schloss Matthias Meggle den Junior-Cup als Gesamtdritter ab.
Aber wenn nicht Intact-Chef Stefan Keckeisen einen Narren am dem talentierten Schwaben gefressen hätte, wäre er wohl auch schon an der Geldknappheit gescheitert.

Armes Deutschland.

Der Fisch beginnt immer am Kopf zu stinken

Der DMSB verwaltet sich selbst, die Motorräder sind ihm nie ein Anliegen gewesen, dem ADAC auch nicht, der deutsche Red Bull-Rookies-Cup des ADAC war eine einmalige Ausnahme für drei Jahre, er hat immerhin Stefan Bradl hervor gebracht, alle anderen Talente wie Georg Fröhlich, Maik Minnerop und Co. haben die deutschen Funktionäre mit viel Geschick zermürbt und in den Rücktritt getrieben.

Es lässt sich alles schönreden.

Also bejubeln wir nächste Woche den grandiosen Northern Europe Cup des wunderbaren ADAC.

Das ist jener Automobilclub, der in den letzten drei Jahren nicht viele positive Schlagzeilen gemacht hat. Der ein Jahr lang mit der Dorna feilschen musste, ob in den Jahren nach 2016 wieder ein Motorrad-GP von Deutschland zustande kommt oder nicht. Den Formel-1-GP hat Deutschland schon verloren, trotz Mercedes und Vettel und Rosberg, Superbike-WM-Lauf hatten wir auch jahrelang keinen.

Aber Hauptsache, die ADAC GT Masters-Sportwagenserie wird am Leben gehalten.

Die meisten aktuellen Motorrad-GP-Fahrer sind trotz des ADAC und DMSB in der Weltmeisterschaft, nicht wegen dieser Herrschaften.

Aber der Nachschub lässt jetzt wirklich zu wünschen übrig. Der GP-Sport ist zu teuer geworden, Eigeninitiative wie bei Cortese, Bradl, Folger, Schrötter und Öttl allein reicht nicht mehr aus.

Das weiß und sieht jeder Motorsportexperte, der bis drei zählen kann.

Es ist nicht 5 vor 12.

Es ist vielleicht schon viel zu spät.

Die Probleme sind seit 20 Jahren offenkundig. In der IDM werden die falschen Klassen gefahren, es werden die falschen Technik-Reglemente ausgetüftelt, es wird nicht auf die Profis gehört, die Teams und Hersteller werden geschröpft, es sind zu viele Dilettanten am Werk.

Aber statt sich in den nationalen Rennserien in Italien, Spanien und Großbritannien umzusehen, wird jetzt wieder geforscht, wer mir die Informationen für diesen Artikel eingeflüstert hat.

Niemand.

Denn solche Texte sind in den letzten Jahren regelmäßig erschienen. Man muss sie nur updaten.

Es scheint nur eine Lösung zu geben: Ein paar Aufrechte müssen endlich einen eigenen deutschen Motorradverband gründen und sich vom DMSB absprengen. Alles schon vorgekommen, auch in anderen Sportarten.

In der EU ist die missbräuchliche Verwendung einer monopolistischen Stellung ausdrücklich untersagt.

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Von Ivo Schützbach
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