MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Aleix Espargaró: Der Katar-GP war keine Fata Morgana

Von Manuel Pecino
Viñales siegte, Rossi «kehrte zurück» und Aleix Espargaró wäre mit seiner Aprilia beinahe vor einer Werks-Honda gelandet. Ja, in Katar zeigte der spanische Fahrer auf dem italienischen Bike ein außergewöhnliches Rennen.

Ich muss zugeben, als Maverick Viñales in Katar mit der karierten Flagge als Sieger abgewunken wurde, stand ich nicht unterhalb des Podests, um seinen brillanten Sieg mit Yamaha zu feiern, sondern rannte in die Aprilia-Box. Ich hatte die zweite Hälfte von Aleix Espargarós Rennen genau verfolgt, in der es nicht nur Momente gab, in denen der Katalane der schnellste Mann auf der Strecke war, sondern auch als Fünfter vor Dani Pedrosa lag. Als Dani die RS-GP vor ihm sah, reagierte er und am Ende nahm jeder seine «natürliche» Position ein, aber das hielt Aleix nicht davon ab, eine außergewöhnliche Leistung in seinem ersten Rennen mit Aprilia zu zeigen.

Die Gresini-Box verfolgte die zweite Rennhälfte in Katar angespannt. Ihr Fahrer und sein Bike kämpften gegen die RC213V von Honda. Als Espargaró Pedrosa überholte, wurde Marc Márquez selbst zum Ziel. Darum feierten die Mitglieder des Aprilia-Teams Aleix wie einen Sieger, als er die Ziellinie überquerte. Die Freude, als er in die Box kam, war gewaltig, jeder umarmte und gratulierte Romano Albesiano, dem Aprilia-Renndirektor.

«Es war wirklich schön», sagte Aleix über diesen Moment in Katar, als wir ihn in Andorra, seinem derzeitigen Wohnort, anriefen. «Aprilia ist eine bedeutende Marke, aber in der MotoGP-Klasse waren sie selten so weit vorne. Und es im ersten Rennen so gut zu machen… Es war mehr als das Resultat, denn am Ende ist ein sechster Platz nichts Unfassbares, was ich aber mitnehme, ist die Tatsache, dass ich schnellere Zeiten fuhr als der Sieger und fast, fast vor den zwei Werks-Honda ins Ziel gekommen wäre. Für Aprilia war es, als wäre eine sehr, sehr schwere Last von ihren Schultern genommen worden. Ihre Arbeit wurde belohnt.»

Colin Edwards war mit der Aprilia Cube 2003 in Japan sogar Sechster. Edwards und Haga waren damals mit der Dreizylinder-Maschine mit 990 ccm mehrmals unter den Top-8 zu finden.

Eine halbe Überraschung

Während wir uns in der Vorsaison auf alle möglichen Dinge konzentrierten – Lorenzos Wechsel zu Ducati, Viñales’ Dominanz, Rossis Probleme – arbeitete man in der Aprilia-Box im Hintergrund immer weiter, aber wir sahen erst in Katar, wie produktiv sie waren. «Ich wusste, dass die Pace für das Rennen gut ist», antwortete Aleix auf die Frage, ob er mit diesem Level an Konkurrenzfähigkeit gerechnet hat. «Das Bike verhielt sich schon die gesamte Zeit auf gebrauchten Reifen sehr gut. Mit neuen Reifen ist es tatsächlich schwieriger. Aber ja, vielleicht erwartete ich nicht, dass wir in den letzten Runden so schnell sein würden, als ich fast schneller war als die Führenden.»

Eines der Dinge, die mich am meisten überraschten, als Espargaró an die Box kam, war die Tatsache, dass er von allen am wenigsten aufgeregt war. Während sich die anderen Teammitglieder umarmten und beglückwünschten, wirkte Aleix enttäuscht. «Naja, ich war ein bisschen verstimmt. Als ich nach den ersten Kurven die 17 und am Ende fast die Spitzengruppe sah... Wenn wir weiter vorne losgefahren wären, glaube ich ganz ehrlich, dass wir uns Hoffnungen auf einen Podestplätzen hätten machen können. Aber nach allem wurden wir Sechster.» Espargaró ging vom 15. Startplatz in das erste Saisonrennen.

Aleix hat nicht Unrecht, aber in diesem Fall ist es wichtig, zu analysieren, statt nur das Resultat an sich zu betrachten. Es ist wahr, dass das Rennen auf einer komplizierten Strecke stattfand, die den Eigenschaften der RS-GP entgegenkam. Doch wenn man bedenkt, dass er von den Zeiten her Kopf an Kopf mit der Honda RC213V, der Ducati Desmosedici und der Yamaha M1 war, sollte er zufrieden sein.

«Ja, das stimmt. Das Trickreiche daran, in der MotoGP-Klasse konkurrenzfähig zu sein, ist die zweite Rennhälfte. Und diese gelang uns gut. Ohne angeben zu wollen, waren wir in der zweiten Rennhälfte die Schnellsten. Das ist etwas, worauf ich stolz bin. Für mich ist das aufregend. Ja, es war definitiv mein bestes Rennen, seit ich in die MotoGP-Klasse kam.»

Und was nun?

Nach dem Resultat in Katar stellt sich die Frage, ob das Ergebnis ein Produkt dieser Strecke war oder die Konkurrenzfähigkeit durch die Testtage dort erreicht wurde? Vor dem nächsten Rennen in Argentinien gibt es keinen Test, daher wird dieses Rennen eine Neubewertung für Espargaró und Aprilia mit sich bringen.

«Nein, ich denke, es war das Gegenteil. In Katar waren es die Rookies und andere Bikes, die dadurch einen Vorteil hatten, nicht wir. Ich will sehen, was auf anderen Strecken passiert. Ich mag die Strecke in Argentinien sehr gern. Vor zwei Jahren stand ich dort auf dem zweiten Startplatz. Ich weiß, dass ich mit unserer Maschine am Samstag sehr leiden werde, denn mit neuen Reifen ist es für uns schwierig, konkurrenzfähig zu sein. Unser Motorrad ist für die Rennen gemacht. Am Sonntag können wir der Spitze nah sein.»

Der Espargaró-Aprilia-Erfolg ist auch der Tatsache zu verdanken, dass der Spanier mit der RS-GP zu dem Fahrstil zurückkehren konnte, den er als natürlich erachtet. Im Gegensatz zu Suzuki, wo er sich sehr an das Motorrad anpassen musste, kann Aleix mit der Aprilia wieder er selbst sein. «Die Stabilität der Maschine ist spektakulär. Ich kann beim Bremsen wieder aggressiv fahren, auch die Elektronik für das Hinterrad arbeitet sehr gut. Wenn alle Probleme mit Spinning haben, dann hat die Aprilia noch immer viel Grip. Das ist ein großer Vorteil.»

Aprilias zusätzliche Stärken nannte Aleix bereits: Die Traktion ab der Rennmitte. Also umso mehr Probleme mit dem Grip – wie in Katar – desto besser für die Aprilia. Auf Strecken mit gutem Asphalt verschwindet dieser Vorteil. Es ist wichtig, das für den Verlauf der Saison im Hinterkopf zu behalten.

«Unsere Traktionskontrolle funktioniert recht gut, wenn wir mehr Kraft bei der Beschleunigung hätten, dann wäre Spinning trotzdem kein Problem», erklärte Espargaró auf die Frage, ob mehr Power die aktuelle Balance der Maschine – vor allem was Traktion und Reifenverschleiß betrifft – negativ beeinflussen würde. Da wir bereits wissen, dass im Rennsport die Verbesserungen eines Bereichs für gewöhnlich Kompromisse in einem anderen Bereich nach sich ziehen.

«Man findet nicht von einem Tag auf den anderen 30 PS. Du findest die Power Stück für Stück. Unsere Maschine kann nun die Plätze 5 oder 6 erreichen, der Topspeed ist gut. Das Problem haben wir früh im Rennen, mit viel Grip am Hinterrad, denn am Kurvenausgang fehlt uns auf den ersten Metern Drehmoment.»

In dieser Hinsicht sollte die Strecke von Termas de Rio Hondo auf dem Papier einen Vorteil für Aprilia bringen: zwei starke Bremszonen, aber der Rest ist fließend. Zudem ist es eine Strecke, die sehr wenig befahren wird, daher wird der Grip nicht besonders gut sein. Und auch der Fahrer zählt sie zu seinen Favoriten. Die Besonderheit von Katar könnte sich also im Norden von Argentinien wiederholen.

Aleix Espargarós Ankunft brachte frischen Wind in das Aprilia-Projekt, was den Optimismus und die Fähigkeit, die Truppe zu motovieren, stärkte, wie Romano Albesiano selbst zugibt. Vor dem Rennen in Katar, kurz bevor die Boxengasse geöffnet wurde, versammelte Aleix seine Mechaniker um sich und sagte ihnen, dass sie als kleinstes Werk alle Anstrengungen gemeinsam durchmachen werden – mit Motivation, Antrieb und vor allem Optimismus. «Für mich ist es sehr wichtig, eine Familie zu sein. Im Moment fühle ich mich in der Welt von Aprilia und Gresini so. Sich geliebt und geschätzt zu fühlen, ist für mich sehr wichtig», betont Espargaró.

Der ältere der Espargaró-Brüder gibt auch zu, dass seine Position bei Aprilia und die bisher guten Leistungen für ihn nach den zwei Jahren bei Suzuki befreiend wirken. «Ich erlebte eine schlechte Zeit. Ich konnte die Front der Suzuki nicht verstehen und war nie konkurrenzfähig. Es scheint, dass die zwei neuen Fahrer, sich über dasselbe Problem beklagen wie ich. Das nun auf einer weniger konkurrenzfähigen Maschine als der Suzuki zu sehen, mit der ich aber weiter vorne bin und aggressiv fahren kann, verleiht mir Flügel. Die Erfahrung bei Suzuki hat mich gelehrt, dass ich vorsichtiger sein muss und die Dinge in einer kontrollierteren Weise angehen muss. Es geht nicht darum, ein Motorrad konkurrenzfähig zu machen und fertig, sondern mit der Maschine in der Lage zu sein, gegen die Besten zu kämpfen. Das ist mein Ziel mit Aprilia.»

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