MotoGP: Jonas Folger früher auf dem Podest als Bradl
Nach dem grandiosen zweiten Platz von Jonas Folger beim Sachsenring-GP fragten sich so manche Berichterstatter und Fans, ob so ein Erfolg eines deutschen Piloten in der Königsklasse schon einmal stattgefunden habe.
Ja, natürlich, sogar schon in der MotoGP-Viertakt-Ära, da müssen wir nur vier Jahren zurückblättern: Stefan Bradl glänzte 2013 in Laguna Seca auf der LCR-Honda mit Platz 2, auch damals siegte Marc Márquez. Bradl startete von der Pole-Position, im Warm-up erzielte er Bestzeit (wie Jonas Folger in Sachsen) – und im Rennen führte er die ersten 21 von 30 Runden an, dann überrumpelte ihn MotoGP-Rookie Márquez auf der Repsol-Honda.
Stefan Bradl hatte 2013 auch auf dem Sachsenring Podestchancen, er war damals in prächtiger Form. In Assen 2013 verlor er die Pole-Position nur in letzter Minute, er fuhr aus der ersten Reihe los und beendete das Rennen als Sechster. Zwei Wochen später sicherte sich Bradl in Sachsen 2013 den vierten Platz, er lag einige Zeit an dritter Stelle, verlor aber den Fight ums Podest um vier Sekunden.
Dafür holte Bradl den Podestplatz eine Woche später in Kalifornien nach. Er traf damals 2,298 Sekunden hinter Márquez ein. Tech3-Yamaha-Plot Folger überquerte den Zielstrich am Sonntag nach dem Patzer drei Runden vor Schluss 3,310 sec hinter dem Sieger.
Aber: Stefan Bradl wurde in seiner MotoGP-Rookie-Saison auf dem Sachsenring «nur» Fünfter, Folger auf Anhieb Zweiter!
Übrigens: Seit Ernst Hiller (Kawasaki) im Jahr 1971 ist bis Jonas Folger kein Deutscher beim Sachsenring-GP auf dem Podest gelandet. Hiller erreichte damals in der 500-ccm-Klasse beim DDR-GP den dritten Platz hinter Giacomo Agostini (MV Augsta) und Keith Turner (Suzuki).
Vor Bradl: 24 Jahre kein Podestplatz
Vor Stefan Bradls zweitem Platz in Laguna Seca 2013 haben wir eine deutsche Durststrecke in der «premier class» erlebt. Sie dauerte mehr als 24 Jahre.
Stefan Bradl war der erste deutsche Motorradrennfahrer seit Walter Zeller (1955, 1956 und 1957), der in der Königsklasse des GP-Sports (500 ccm, seit 2002 heisst es MotoGP) drei Jahre hintereinander in der Gesamtwertung unter die ersten zehn gefahren ist.
Der legendäre bayerische BMW-Werksfahrer Zeller klassierte sich 1955 als Gesamt-Siebter, ein Jahr später wurde er sogar WM-Zweiter, 1957 WM-Sechster.
Aber Vergleiche sind schwierig. Zu Zellers Zeiten erhielten nur die ersten sechs Fahrer Punkte, so reichten ihm 1955 sechs Punkte für Platz 2 beim Heim-GP zum siebten WM-Rang, ex-aequo mit Hartle, Liberati und Monneret.
Es waren andere Zeiten: Den Drittplatzierten Bandirola (MV Agusta) liess Zeller beim Heim-GP 1955 während einer Renndistanz von 204,9 km um 3:08,6 min hinter sich.
Zellers zweiter WM-Gesamtrang 1956 in der 500-ccm-WM-Klasse stellt bis heute die beste Gesamtplatzierung eines Deutschen in der Königsklasse dar. Zeitzeugen berichten, neben Georg «Schorsch» Meier sei Walter Zeller der einzige Rennfahrer gewesen, der die BMW RS54 der Nachkriegsjahre 100-prozentig beherrschte. Zeller ist 1995 im Alter von 67 Jahren an einem Herzversagen gestorben.
Kaum deutsche Erfolge in der Königsklasse
Nach der Ära BMW gab es in der 500-ccm-Weltmeisterschaft über Jahrzehnte hinweg aus deutscher Sicht nur einzelne Glanzlichter.
Ernst Hiller steuerte 1958 eine BMW 500 auf den siebten WM-Rang.
1974 gelang Dieter Braun auf Yamaha ein siebter 500-ccm-Gesamtrang, in den folgenden Jahren landete er auf dem 13. und 17. Schlussrang (auf Yamaha und Suzuki). Braun eroberte 1974 in Spa-Francorchamps/Belgien einen dritten GP-Rang auf der aufgebohrten Zweizylinder-Yamaha.
Einmal seit 1949 war das 500-ccm-Podest nur mit deutschen Piloten bevölkert: 1974 auf dem Nürburgring. Damals streikten die Stars wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen auf der 22,8 km langen Piste. Es traten nur sechs unentwegte Deutsche an; Edmund Czikak siegte 1:58,6 min vor Helmut Kassner und Walter Kaletsch, alle auf Yamaha. Der Viertplatzierte Kochanski verlor 6:56,10 min.
Weil die mit deutscher Lizenz fahrenden Dieter Braun und John Dodds bei diesem WM-Lauf ebenfalls streikten, wurden sie vom deutschen Verband (OMK) für den folgenden WM-Lauf in Imola gesperrt – trotz Titelchancen in den Klassen 250 und 350 ccm.
Renommierte GP-Fahrer wie Reinhard Hiller, Walter Scheimann, Paul Eickelberg und Lothar John schafften nie den Sprung unter die Top-Ten der Jahreswertung, teilweise war einfach das Material nicht konkurrenzfähig genug.
Reinhold Roth setzte 1984 eine Dreizykinder-Honda NS 500 ein und sicherte sich Platz 15 in der Jahreswertung.
«Kamikaze Gustl» Reiner mischte jahrelang als einer der besten 500-ccm-Privatfahrer in der Weltklasse mit. Er kam aber über die Gesamtränge 21, 23, 17, 14, 14, 19 und 26 in den Jahren 1979 bis 1988 nicht hinaus.
Selbst der fünffache Weltmeister Toni Mang (250 und 350 ccm) konnte sich in der 500er-WM nie etablieren. Bei ihm steht in der Saison 1983 ein 18. WM-Rang zu Buche – auf einer Suzuki.
Jürgen Fuchs schaffte 1997 mit der «elf 500» aus der Schweiz den 20. Gesamtrang. Michael Rudroff gelang 1989 der 20. und 1991 der 18. Schlussrang, jeweils auf einer Dreizylinder-Honda. Aber Rudroff steuerte seine Honda 1989 beim Misano-GP, bei dem alle Werksfahrer außer Franky Chili wegen des rutschigen Belags im Nassen streikten, auf den dritten Platz.
Ralf Waldmann: Platz 7 auf dem Sachsenring
Sogar der 20-fache GP-Sieger Ralf Waldmann konnte die deutsche Krise in der «premier class» nicht beenden: Waldi fuhr mit der Dreizylinder-Modenas 500 des Team Roberts in der Saison 1998 auf den 14. Gesamtrang. Sein bestes 500-ccm-Ergebnis: Rang 7 in Sachsen 1998.
Alex Hofmann setzte nur ein einzelnes Highlight: Platz 5 im Regen von Le Mans 2007 auf der Pramac-Ducati. Seine Endergebnisse in der MotoGP-WM: 22., 23., 15., 19., 17. und 13. in den Jahren 2002 bis 2007, wobei er im ersten Jahr als Testfahrer bei den Rennen nur sporadisch im Sattel saß.
Stefan Bradl hat im LCR-Kundenteam von Lucio Cecchinello in den Jahren 2012 bis 2014 die WM-Ränge 8, 7 und 9 sichergestellt.
Dazu kommen der zweite Platz in Laguna Seca 2013 als Highlight und insgesamt sechs vierte Plätze sowie zehn fünfte und acht sechste Plätze.
Bradl hat in fünf Jahren 47 MotoGP-Rennen unter den Top-Ten beendet.
Bei den Gesamtplatzierungen hinkt er zwar hinter Walter Zeller her.
Kleiner Trost: Stefan Bradl hat dafür 2011 die Moto2-Weltmeisterschaft gewonnen und sieben GP-Siege errungen (2x 125 ccm, 5x Moto2). Zeller blieb in der WM sieglos, er war in den 500-ccm-WM-Rennen dreimal Zweiter: 1955 auf dem Nürburgring, 1956 in Assen und Spa-Francorchamps.
Zusammengefasst: Dieter Braun, Stefan Bradl und Jonas Folger sind die einzigen Deutschen, die in den letzten 60 Jahren bei einem regulären Grand Prix in der Königsklasse aufs Podest fuhren.