Sachsenring: Innovative Ideen und sinkende Einnahmen
Eigentlich habe ich gehofft: Jetzt existiert ein sauberer, neuer Fünf-Jahres-Vertrag, also kehrt endlich Frieden ein im Zusammenhang mit dem deutschen Motorrad-GP.
Aber schon im Jahr 1 nach dem langen Hin und Her und Zittern um die Vertragsverlängerung geht die Kümmernis weiter.
Zumindest kann man nicht behaupten, die tüchtige Mannschaft rund um SRM-Geschäftsführer Wolfgang Streubel hätte neben der pfiffigen und weitblickenden Ticketpreiserhöhung um 20 Prozent keine innovativen neuen Geschäftsideen für den Grand Prix 2017 ausgeheckt.
Ein paar erkleckliche Einnahmequellen sind versiegt, zum Beispiel die Werbekampagne «So geht sächsisch», die im Laufe der Zeit 2,8 Millionen an versteckten Subventionen in die Kasse gebracht hat.
Und der Ankerberg-Betreiber will von seinen Einnahmen auch nichts an den GP-Promoter Sachsenring Rennstrecken Management GmbH (SRM) herausrücken, weshalb die gegen alle Widrigkeiten hilflose SRM immer tiefer in die roten Zahlen rutscht.
Für den WM-Lauf 2017 rechnet SRM-Chef Streubel mit einem «Verlust im hohen sechsstelligen Bereich».
Wer Kritik am Gebaren der SRM übt, wird vom Umfeld des strauchelnden Veranstalters in spätpubertärer Manier schnurstracks als «Ossie Hasser» tituliert, nachprüfbare und belegbare Tatsachen werden quasi als «Fake News» beschimpft. Mitarbeiterinnen, deren journalistische Karrieren überschaubaren Erfolg hatten, faseln gern von mangelhafter Recherche.
Naja, werfen wir einen Blick auf die Fantribüne T2. Dort wollte die SRM Werbeflächen auf der Rückseite verkaufen, nachdem die Einnahmen der läppischen «So geht sächsisch»-Kampagne ärgerlicherweise versiegt waren. Es haben sich aber nur ein paar aufstrebende kleine Firmen gefunden, die sich da abseits der TV-Kameras präsentieren wollten.
Das gemeinsame Banner für diese Firmen erstreckte sich über ca. 4 x 2 Meter, die Tribüne hätte Platz für knapp 100 x 5 Meter geboten.
Ein voller Erfolg sieht anders aus.
Immerhin zeigte sogar Colin Streubel Erbarmen, der Sohn von Wolfgang Streubel. Er warb mit dem Logo «STC Racing» für sein Motocross-Team.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. «Family Business», nennt man das.
Auch von den Betreibern der Tribüne T5 war zu hören, dass sie mit der SRM und der Gesamtsituation beim Grand Prix unzufrieden seien.
Kein Geld an den Automaten
Verärgerte Besucher erzählten, die Geldautomaten seien nicht aufgefüllt worden, obwohl die Tickets an Tageskassen nur gegen Bargeld verabreicht wurde. So standen etliche Menschen am Sontag mit ec-Karten vor den Ticketschaltern und konnten keine Tickets erwerben.
Für das Auffüllen der Geldautomaten sei die P.R.O. Sachsenring GmbH von Jürgen Fritzsche zuständig gewesen, wurde uns berichtet.
Das Zuschauer-Desaster hatte sich zwar schon monatelang abgezeichnet, der Vorverkauf ließ im Vergleich zu den Vorjahren zu wünschen übrig. Aber das Budget war hartnäckig und trotzig für 210.000 Besucher an drei Tagen berechnet worden, und als dann 65.000 weniger kamen, machte sich Verwunderung breit.
So sieht bei der SRM die weitblickende Planung aus. Oder sind da noch Überreste von Planwirtschaft zu erkennen?
Am 7. Juni wurde eine Aktion angekündigt. Wer 15 oder mehr Tickets kaufte, bekam ein weiteres Ticket kostenlos. Am 23. Juni war die Aktion wieder vorbei.
Die Konsequenz aus dieser Sonderaktion: Man hat sich natürlich den Vorverkauf kaputt gemacht. «Das ist dümmlich. Die treuen Kunden werden selbstverständlich künftig warten in der Hoffnung, dass es 2018 wieder Sonderaktionen geben wird», wunderte sich ein renommierter Rennveranstalter.
Zu viele Köche verderben den Brei
Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, bei der SRM seien zu viele leidenschaftliche Motorsportfans am Werk, die sich in ihrer Hilflosigkeit von jedem Partner über den Tisch ziehen lassen.
Zu viele Köche verderben den Brei. Nirgends trifft diese Devise besser zu als im Zusammenhang mit dem deutschen Motorrad-WM-Lauf. ADAC München, SRM, ADAC Sachsen, AMC, P.R.O. Sachsenring – überall entstehen Reibereien und Kosten, die der die SRM auf den Kopf fallen.
Die Bürgermeister der Anliegergemeinden haben nach dem Einstieg ihrer SRM als GP-Promoter sogar die 3-Prozent-Ticketsteuer im Handstreich abgeschafft, die dem ADAC Sachsen jedes Jahr die Gewinne verhagelt hat. So haben die Bürgermeister ihre eigenen Kommunen geschädigt, die finanziell sowieso nicht auf Rosen gebettet sind. Ist das moderne Demokratie? Was sagt ein braver Bürger von Gersdorf oder Oberlungwitz dazu, der mit dem Grand Prix nichts am Hut hat und sich über fehlende Investitionen in seiner Gemeinde ärgert?
Die Firma «Polster Catering» macht auf dem Ankerberg immense Umsätze. Die Besucher sprechen von selbstherrlichem Gebaren, die Preise steigen im selben Ausmaß wie die Unzufriedenheit.
Deshalb gingen auch dort die Einnahmen und Besucherzahlen zurück.
Jetzt wird sogar auf dem Ankerberg für dieses Jahr erstmals mit einem Gesamtverlust gerechnet.
Herr Streubel hat ja die Übeltäter rasch ausfindig gemacht.
Das schlechte Wetter und die Terminverschiebung waren schuld.
Also alles in Butter. Es sind immer nur die bösen, schlecht oder gar nicht recherchierenden Schreiberlinge aus dem Westen, die die makellose und vorbildliche SRM in Misskredit bringen und die Idylle stören.
Kann es fröhlich vier Jahre so weitergehen? Vermutlich nicht.
Vielleicht schwafelt Herr Streubel bald wieder von einer «schwarzen Null» – wie in den ersten SRM-Jahren ab 2012, als freilich in Wirklichkeit 1,2 Millionen Miese angehäuft wurden.
Subventionen: Dilettantisch eingefädelt
Natürlich werden heute etliche MotoGP-Events von den Regierungen und von der öffentlichen Hand mitfinanziert, auch in Europa. In Jerez, in Aragón, in Valencia, in Brünn, in Misano. Aber dort wird diese Unterstützung zehnmal schlauer eingefädelt als in Sachsen. Man könnte sich dort mal in Ruhe umhören statt mit Schaum vor dem Mund zahlende Kunden zu verprellen und die kritischen Medien für das eigene Versagen verantwortlich zu machen.
Bei den erwähnten Grand Prix ist der Support durch die öffentliche Hand ganz offenbar kompatibel mit den EU-Gesetzen. In Sachsen ist dieses Vorhaben kläglich gescheitert.
Die Eurospeedway-Lausitzring-Betreiber haben es geschickter hingekriegt, als sie einst ihre ganze Strecke überwiegend mit EU-Geld gebaut haben.
Dem kritischen Berichterstatter wird gern in Postings vorgeworfen, er biete keine Lösungsvorschläge. Meine Güte, wie viele muss man denn noch aufzählen?
Ich bin ja nur Journalist, der seine Meinung sagt, manche Sachsen betrachten das als unerlaubte Einmischung in interne Angelegenheiten. Auch gut.
Dabei habe ich ja volles Verständnis für alle Ossies, die den Grand Prix in der Gegend halten wollen. Das ist ja völlig verständlich, wenn man einen Grand Prix vor der Haustüre hat.
Liebe MotoGP-Freunde, Ihr braucht aber nicht dauernd beleidigt zu sein und heftigste Abwehrreflexe zeigen, wenn man den Nürburgring ins Spiel bringt.
Mir persönlich ist es völlig egal, wo dieser deutsche WM-Lauf stattfindet, von mir aus noch 100 Jahre in Sachsen, aber bei diesem Geschäftsgebaren und unter den aktuellen Voraussetzungen sehe ich schwarz. Und da bin ich keine Ausnahme.
Warum bringe ich den Nürburgring ins Spiel?
Weil er auch für die Dorna, die FIM und den ADAC die einzige Alternative in Deutschland darstellt, ganz einfach deshalb, weil es keine andere homologierte Piste gibt. Auf der Avus, auf der Solitude oder in Hockenheim oder Speyer wird man den deutschen WM-Lauf kaum austragen können. Auf den Lausitzring will die Dorna nicht, das Publikum auch nicht.
SRM: Der Fisch beginnt immer am Kopf zu stinken
Wenn Politiker oder Parteien Wahlen verlieren, werden meistens die dummen, unmündigen Wähler oder die Medien verantwortlich gemacht.
Verständlich, wenn also ein Bürgermeister aus der Provinz auf SPEEDWEEK.com schimpfen lässt, wenn er hohe sechsstellige Defizite veranstaltet und dafür nicht in den höchsten Tönen gelobt wird. Ich warte nur noch auf den Begriff «Lügenpresse».
Ich aber aber den Verlust nicht erwirtschaftet, sondern der SRM. Ich berichte nur kritisch darüber. Als einziges Medium aus dem Westen, denke ich.
Weil den anderen Berichterstattern der Grand Prix in Sachsen so viel kratzt, wie wenn in Thüringen eine Bratwurst platzt.
Vielleicht sollte SRM-Chef Herr Streubel einmal vor seiner eigenen Türe kehren.
«Der SRM ist der Grand Prix über den Kopf gewachsen», lautete die Bilanz eines sächsischen Motorsport-Insiders nach dem Grand Prix 2017.
Die ganze Diskussion um den deutschen Grand Prix genießt ja inzwischen höchsten Unterhaltungswert.
Man kann also getrost sagen: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.