MotoGP-Kundenteams: Für 2019 ist noch alles offen
Das hat vor einem halben Jahr niemand erwartet: Ducati Corse wird auch in der nächsten Saison vier Teams in der Königsklasse betreiben, die drei Kundenteams von Octo-Pramac, Reale Avintia Racing und Pull & Bear-Teambesitzer Jorge «Aspar» Martinez bleiben alle bei den Italienern.
Dabei hatten sich Aprilia Racing und Suzuki Ecstar mächtig angestrengt, um endlich ein Kundenteam zu finden. Aber ihre Bikes sind nicht konkurrenzfähig genug, auch die gesamte Struktur dieser beiden Hersteller wirkt für die Kundenteams offenbar nicht vertrauenserweckend.
Deshalb sagte LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello bereits im Mai 2016 bei Suzuki ab, er machte ein Handshake-Agreement mit Honda, das sich auch auf 2018 erstreckte – und darüber hinaus.
Auch das Estrella Galicia 0,0 Marc VDS-Honda-Team erschien den Neueinsteigern als lukrativer Partner. Aber Marc VDS-Teamprinzipal Michael Bartholémy hat seit Herbst 2016 nicht mit Suzuki gesprochen.
Er bleibt 2018 bei Honda, das steht seit Monaten fest. «Dort bin ich momentan am besten aufgehoben», weiß der Belgier.
Aber das Verhältnis zwischen Marc VDS und Honda war schon besser. Jack Miller geht nach zwei Jahren alle Voraussicht nach weg zu Pramac-Ducati, weil ihm HRC für das nächste Jahr keine 2018-Maschinen, nicht einmal 2018-Motoren geben wollte, auch ob die Zusammenarbeit Crew-Chief Ramon Aurín (er wird von HRC bezahlt) fortgesetzt werden kann, wollte niemand garantieren.
Marc VDS sieht sich aber für 2019 nach anderen Möglichkeiten um.
Die belgische Mannschaft von Bier-Milliardär Marc van der Straten (VDS) hat von Honda mehr Loyalität erwartet, denn sie ist Ende 2014 als neues MotoGP-Team eingesprungen, als Gresini nach fast 20 Jahren mit Honda in der Königsklasse Schluss machen musste, weil Sponsor Go & Fun ausstieg und er ein Vier-Jahre-Bündnis mit Aprilia Racing (bis Ende 2018) abschließen musste, um weiter existieren zu können.
Und als bei LCR nach der Saison 2015 kein zweiter Fahrer mehr finanziert werden konnte, weil Sponsor CWM zahlungsunfähig war, gewährte Marc VDS dem HRC-Schützling Jack Miller für zwei Jahre Asyl.
Dazu hat Marc VDS in den letzten Jahren junge Fahrer wie Scott Redding und Tito Rabat in der MotoGP-Klasse eine Chance geben, zuletzt Miller (22), nebenher wurden die Talente Franco Morbidelli und Alex Márquez in der Moto2-WM aufgebaut. Mit Moto3-WM-Leader Joan Mir (18) steht 2018 bei Marc VDS bereits die nächste Generation in den Startlöchern.
Und LCR-Honda, das einst als Junior-Team für HRC die Talente (wie Stefan Bradl und Miller) fördern sollte, fährt das dritte Jahr mit dem inzwischen 31-jährigen Cal Crutchlow...
Marc-VDS-Teammanager Michel Bartholémy weist auch gern auf die Tatsache hin, dass sein Rennstall durch Mac van der Straten bis Ende 2021 finanziell abgesichert ist – was kein anderes Satellitenteam von sich behaupten kann.
Wie auch immer: Ducati macht mit den identischen Partnern wie 2017 weiter, Honda auch, wobei aber LCR einen zweiten Fahrer (voraussichtlich Nakagami) erhält, wodurch Honda sechs statt fünf Fahrer ausrüsten wird, aber voraussichtlich nur Repsol und Crutchlow mit 2018-Rennmaschinen.
Yamaha begnügt sich wie gehabt mit einem Kundenteam – Tech3 mit Zarco und Folger.
KTM Factory Racing hat zwar der Dorna wie Aprilia und Suzuki vertraglich zugesagt, bei entsprechender Anfrage ein MotoGP-Kundenteam zu beliefern.
Aber KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer ist erleichtert, dass für 2018 niemand angeklopft hat. «Die MotoGP ist eine höchst komplexe, aufwändige Aufgabe. Manche Leute wissen, was MotoGP bedeutet, viele andere unterschätzen so ein Projekt», betont Beirer. «Du kannst ja nicht sagen: Ich habe jetzt zweimal zwei Motorräder für das Werksteam, also mach’ ich noch schnell zwei für ein Kundenteam. So ein Motorrad besteht aus rund 3000 Einzelteilen, die alle konstruiert und handgemacht werden müssen. Wir haben alle Hände voll zu tun, um genug Material herzustellen, denn wir dürfen auch die zwei kleinen Klassen nicht vernachlässigen. Du brauchst ja für ein Kundenteam die ganzen Ersatzteile und die Logistik, damit sie daheim eingelagert werden können und in ausreichender Anzahl an der Rennstrecke verfügbar sind. Dieses Wachstum zu verkraften, nach der Moto3 auch in die MotoGP-WM und Moto2 einzusteigen, mit zwei Werksfahrern und allem, was wir haben, das reicht uns. Es ging 2017 darum, im ersten Jahr ein konkurrenzfähiges Motorrad hinzustellen und es während der Saison Schritt für Schritt konkurrenzfähiger zu machen.»
Als KTM im Mai für den Jerez-GP von Screamer- auf die Big-Bang-Motoren umstieg, waren die Oberösterreicher zum Beispiel froh, dass für den Freitag für Pol Espargaró und Bradley Smith zuerst einmal nur zwei Motoren startklar gemacht werden mussten.
«Aber wenn es uns gelingt, für 2018 eine konkurrenzfähige RC16-KTM hinzustellen und dann ein seriöser, namhafter Teamchef kommt und für sein Team Material von KTM möchte, würden wir uns geehrt fühlen», betont Beirer. «Als Newcomer dürfen wir uns im ersten Jahr erlauben, nur das Werksteam mit zwei Piloten zu befeuern. Für 2018, die zweite Saison, müssten wir laut Reglement zwei weitere Fahrer ausrüsten, wenn eine entsprechende Nachfrage besteht. Sie besteht aber nicht.»
Und 2019 liegt vorläufig zeitlich ohnedies zu weit weg. «Wir konzentrieren uns im Moment nur auf die Entwicklung und Verbesserung des MotoGP-Werksteams und haben bisher mit niemand über die Satelliten-Rolle diskutiert», ergänzte Pit Beirer. «Ob uns irgendwann ein Team um Bikes für 2019 fragen wird, hängt sicher sehr stark davon ab, wie sich unser Motorrad entwickelt. Vorläufig noch bin ich mal froh, dass wir 2018 wieder nur zwei MotoGP-Fahrer betreuen müssen und dadurch die RC16 schneller weiterentwickeln können.»
Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta schwebte vor, dass bereits 2018 alle sechs Hersteller je ein Kundenteam haben, also jedes Werk vier Fahrer ausrüstet.
Aber Ducati hat dann acht Fahrer, Honda sechs. Yamaha vier, Aprilia, Szuki und KTM weiterhin nur zwei.
2019 könnte sich das System ändern. Nicht ausgeschlossen, dass dann Valentino Rossi mit seinem SKY VR46-Team das zweite Yamaha-Team macht, dann müsste sich Tech3-Yamaha-Teamchef Hervé Poncharal (seit 2000 bei Yamaha) nach anderen Möglichkeiten umsehen. Avintia liebäugelt dann vielleicht mit Suzuki, Aprilia könnte sich wieder mit Jorge Martinez (er fuhr 2012 und 2013 in der Claiming-Rule-Zeit mit Aprilia-Bikes) unterhalten, wobei Martinez auch bei KTM einen Fuß in der Türe hat. Marc VDS könnte dann ein Auge auf KTM werfen. In der Moto3-WM mit Livio Loi und Jorge Navarro war Marc VDS bereits KTM-Kunde.