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Eurosport: Verwirrspiel, Fehler und gelöschter Tweet

Von Günther Wiesinger
Bis heute lässt sich die Frage, ob Eurosport den Motorrad-GP von Mugello und drei weitere Grand Prix wirklich aus dem Fernsehen kippen wollte, nicht ganz schlüssig beantworten.

Bei der Dorna herrscht die Meinung, Eurosport habe in Deutschland vor der Saison angekündigt, die ersten zwölf Grand Prix würden auf Eurosport 1 oder Eurosport 2 übertragen.

Aber wo soll das passiert sein? Und wann?

Mitte März 2018 kündigte Eurosport an, die ersten vier Grand Prix 2018 würden im Free-TV gezeigt, dazu der Sachsenring-GP sowie der Valencia-GP. Alles andere wurde offengelassen. Die TV-Zuseher wurden auf die Folter gespannt.

Die Eurosport-Mitteilung von Mitte März 2018: «Die ersten vier Rennwochenenden werden live im Free-TV bei Eurosport 1 übertragen werden. Wie gewohnt werdn auch der Motorrad Grand Prix von Deutschland am Sachsenring sowie das Saisonfinale in Valencia live bei Eurosport 1 zu sehen sein. Die Planung zur Senderverteilung der weiteren Rennen wird zeitnah kommuniziert.»

Bereits Mitte April wurde SPEEDWEEK.com mit Leserfragen konfrontiert, die wissen wollten, wie es mit den Übertragungen nach dem vierten Rennen in Jerez aussieht – Free-TV oder Pay-TV?

Selbst am Montag, 4. Juni, also am Tag nach dem Mugello-GP war auf der Eurosport-Website noch kein Hinweis und keine Klärung zu dieser Frage zu sehen.

Erst tags darauf (5. Juni) wurde der ominöse Eintrag von Mitte März 2018 gelöscht. Aber ein Screenshot und viele andere Indizien nähren den Verdacht, der viele MotoGP-Fans am 19./20. Mai konfus machte.

«MotoGP 2018: Mugello-GP nicht im deutschen TV zu sehen», lautete die Schlagzeile auf einer deutschen Motorsport-Website am 19. Mai um 16.37 Uhr.

Denn es herrschte Verwirrung in Deutschlands MotoGP-Szene; das lässt sich nicht wegdiskutieren. Die beiden renommierten TV-Programmzeitschriften «TV Digital» und «TV direkt» kündigten für den Mugello-GP sogar übereinstimmend für Deutschland eine MotoGP-Live-Übertragung von ServusTV an.

Bei Eurosport stand am GP-Wochenende vom 1. bis 3. Juni vorerst keine MotoGP-Übertragung im Programm.

Deshalb wurden etliche Fans und Berichterstatter hellhörig. Auch Eurosport-TV-Reporter Jan Stecker zeigte sich Samstagfrüh in Le Mans verunsichert. «Anscheinend übertragen wir jetzt in Mugello oder Barcelona nicht mehr», teilte er SPEEDWEEK.com-Mitarbeiter «Fitti» Weisse nach einem Blick auf sein Smartphone geschockt mit. Nachsatz: «Mich wundert nach so vielen Jahren im TV-Geschäft gar nichts mehr.»

Ein Journalisten-Kollege berichtete, Eurosport-Kommentator Harry Weber habe  am Samstag, 19. Mai, während der Übertragung aus Le Mans live angekündigt, der Mugello-GP werde nicht im Eurosport-Fernsehen gezeigt, sondern nur auf dem hauseigenen Player, der 49,99 Euro im Jahr kostet oder 6,99 im Monat.

Fans schimpften über Abzocke

Der Ärger und die Verwunderung bei den verstörten deutschen MotoGP-Fans wuchs. Denn sie hatten sich vor der Saison bereits das Paket für den Pay-TV-Sender Eurosport 2 gekauft. Jetzt sollten sie noch zusätzlich Geld für den kostenpflichtigen Internet-Player investieren?

Von ärgerlicher Abzocke war die Rede.

Denn die durch die TV-Programm-Magazine genährte Vermutung, ServusTV würde in Deutschland als Broadcaster einspringen, war an den Haaren herbeigezogen. ServusTV besitzt die Live-MotoGP-Rechte seit 2016 nur für das österreichische Sendegebiet.

Deutschsprachige Motorsportmedien versuchten im Sinne der TV-Zuseher, Licht in diese undurchsichtige Angelegenheit zu bringen.

Am Montagabend (21. Mai) nach dem Le-Mans-GP bestätigte Eurosport auf Twitter, dass neben Mugello auch die Grand Prix in Barcelona, Assen und Brünn vollständig in den Eurosport-Player abwandern werden.

Unter dem Hashtag «@EurosportCare» wurde ein Fan (Name der Redaktion bekannt) von offizieller Seite mit folgenden Worten informiert: «Hallo, es tut mir sehr leid, aber die Rennen in Mugello, Barcelona, Assen und Brünn werden nur im Eurosport Player gezeigt. Liebe Grüße.»

Dieser Tweet wurde dann wieder gelöscht; es existiert aber ein Screenshot.

Gernot Bauer, als Head of Production für alle Sportproduktionen von Discovery in Deutschland verantwortlich, sprach nachher von einem Fehler. Wo und von wem dieser Fehler begangen wurde, blieb bis heute im Dunkeln.

Ein Blick auf die Eurosport-Website zu diesem Zeitpunkt nährte die Vermutung, der deutsche Sportsender werde Mugello nicht im TV zeigen: Bei genau diesem Grand Prix wurde auf der Eurosport-Homepage noch immer nicht bestätigt, dass er auf ES1 oder ES2 oder auf DMAX gezeigt werde.

Screenshots der Programm-Magazine samt Datum und Uhrzeit untermauern diese Behauptung. Sogar am späten Abend des 4. Juni 2018 ließ Eurosport die MotoGP-Kunden auf der eigenen Homepage noch im Ungewissen. Erst tags darauf (5. Juni) wurden die Sendeplätze für die Rennen in Barcelona, Assen und Brünn auf der Homepage erstmals erwähnt.

«Wenn man Bezahl-TV macht, sollte man dem Kunden auch zuverlässige Ansprechpartner vermitteln», stellte ein TV-Experte fest. «Das ist bei Eurosport das größte Problem. Der Service lässt zu wünschen übrig. Es existieren offenbar keine geeigneten Strukturen, aber man will plötzlich mit den Milliarden von Discovery im Rücken ganz großes Fernsehen machen. Klappt aber anscheinend bisher nicht.»

Die Olympischen Winterspiele 2018 wurden quotenmässig ein Reinfall.

Ob das Durcheinander mit den schwachen Eurosport-Quoten vom Jerez-GP 2018 zu tun hat, als das MotoGP-Rennen nur 230.000 Fans verfolgten, während 2015 bei diesem Event noch 430.000 Zuschauer vor den Bildschirmen saßen, lässt sich nicht beurteilen.

Tennis garantiert jedenfalls höhere Einschaltquoten, solange ein Deutscher mit von der Partie ist. Und da Eurosport die MotoGP-Rechte im vierten Jahr (auch die Promotion hält keinem Vergleich mit SAT.1 und DTM stand) stiefmütterlicher behandelt als in den drei Jahren zuvor, als personell ein größerer Aufwand betriueben wurde, schien niemand wirklich verwundert zu sein.

Aufmerksamen Beobachtern aus dem TV-Geschäft fällt auf, dass bei Eurosport planerische und organisatorische Angelegenheiten einen verbesserungsfähigen Eindruck hinterlassen. Da hören die deutschen Zuschauer plötzlich englische Kommentatoren von einem Radrennen und sehen ein MotoGP-Bild, um nur ein Beispiel zu nennen. Dass die Moderatoren/Kommentatoren manchmal nicht wissen, ob sie gerade im TV oder sonstwo erscheinen, passt da eigentlich ganz gut ins Bild.

Die Frage, ob das Verwirrspiel um den Mugello-GP mit den Rechteverhandlungen für die Jahre nach 2018 oder auch mit den einschneidenden Personalwechseln an der Spitze von Eurosport zu tun hat, lässt sich schwer beantworten. Vor allem Laurent Prud’homme hat viel zusätzliche Arbeit bekommen, wie eine Eurosport-Pressemitteilung nach dem Abgang von CEO Peter Hutton aus dem März 2018 erkennen lässt. Über das Kompetenzgerangel und die Kommunikationsprobleme zwischen Paris und München jammern etliche Eurosport-Mitarbeiter seit Jahren.

Bei Eurosport ist man offenbar der Meinung, man könne den Player pushen, indem attraktive Events ganz oder teilweise dorthin verlagert werden. Eine Strategie, die von den Kunden nicht geschätzt wird. Die Fans haben keine klare Orientierung mehr und laufen zu motogp.com oder BT Sport über, in Österreich zu ServusTV und in der Schweiz zum SRF. Zudem ist immer wieder zu hören, der Player funktioniere nicht wirklich zuverlässig.

Sendeplatz-Knappheit aus heiterem Himmel?

Der aktuelle Eurosport-MotoGP-Vertrag mit der Dorna garantiert eine Fernsehübertragung im Free- oder Pay-TV; eine komplette Verschiebung in den Player ist nicht möglich.

Wenn Eurosport im Mai ahnte, dass für Deutschland (wie in Frankreich) die MotoGP-Live-Rechte nach 2018 verloren gehen, könnten ihnen Rechteverstöße egal sein. Wie sollte die Dorna sie ahnden, außer mit einer außerordentlichen Kündigung? Das wäre in diesem Geschäft sehr ungewöhnlich, denn man würde einen Sender brauchen, der sofort übernimmt.

Aus heiterem Himmel kam die Sendeplatz-Knappheit bei Eurosport gewiss nicht: Die TV-Rechte für das Tennis-Turnier Roland Garros und die Radrundfahrten Critérium du Dauphiné Libéré und Tour de Suisse (am Barcelona-Wochenende) sind ja nicht überraschend vom Himmel gefallen… Sie wurden irgendwann gekauft.

Gernot Bauer, Head of Production bei Eurosport in München, hat zu Jahresbeginn auf Twitter versprochen, die Fans könnten sich auch über 2018 hinaus auf Eurosport-Übertragungen und eine Rechte-Verlängerung für die MotoGP verlassen. Die Rechteverhandlungen scheinen aber in eine andere Richtung zu deuten.

Zur Erinnerung: Mugello lief auf Eurosport 2. Der Catalunya-GP und Assen sollen ebenfalls auf Eurosport 2 (im Pay-TV) laufen; Sachsenring wird dann wieder auf Eurosport 1 übertragen.

Die Dorna, seit 1992 Inhaber der globalen MotoGP-TV-Rechte, scheint von diesen ungewöhnlichen Vorkommnissen in Deutschland anfangs nicht viel mitbekommen zu haben.

Manel Arroyo, Managing Director der Dorna und TV-Chef des spanischen Rechte-Inhabers, dementiert, irgendjemanden bei Eurosport angerufen zu haben, um dieses Thema zu diskutieren oder irgendeinen geplanten Sendeplan ändern zu lassen.

Engagierte deutsche Fans wie Pal Becker von der Facebook-Gruppe «Motogp-update» trugen die Beschwerden und Bedenken der Fans ebenfalls an die Dorna heran.

Tatsache ist: In den TV-Programmzeitschriften «TV Digital» und «TV direkt» wurden für das Mugello-Wochenende für den Zeitpunkt der Motorradtrainings- und Rennen auf ES1 und ES2 Übertragungen vom Tennis und Radsport angekündigt. Und auf dem ebenfalls zur Discovery-Group gehörenden Kanal DMAX wurden Seifenopern angepriesen.

«Nach unserem Wissensstand hat Eurosport nie geplant, irgendeinen MotoGP Grand Prix wegzulassen», hält die Dorna fest.

Vom Weglassen war auch nie die Rede, nur von einer geplanten Abschiebung auf den Player.

SPEEDWEEK.com stellte per E-Mail am Donnerstag dieser Woche ein paar diesbezügliche Fragen an Werner Starz, Director Development bei der Discovery Communications Deutschland GmbH.

Die nicht sonderlich aufschlussreiche Antwort kam von Daniela Allgayer-Koreimann, Senior Manager Communications & PR GSA, Discovery Networks. «Leider sind uns die einzelnen Quellen, die Ursache dieses Missverständnisses sind, nicht bekannt. Folgendes können wir feststellen:
• Wir hatten zu keinem Zeitpunkt die Absicht, Rennen der Motorrad WM und damit auch die MotoGP-Läufe nicht zu zeigen.
• Es bestand von uns auch zu keiner Zeit die Absicht, Rennen ausschließlich im Eurosport Player – also via einer reinen OTT-Verbreitung – zu zeigen.
• Viel mehr haben wir bislang und werden wir weiterhin neben der umfassenden und durch Zusatzkanäle erweiterten Übertragung im Eurosport Player alle Läufe entweder auf einem unserer frei empfangbaren TV-Kanäle (wie Eurosport 1 oder DMAX) oder aber über unseren Pay-TV Sender Eurosport 2, der bundesweit über zahlreiche Pay-TV Angebot zu beziehen ist, ausstrahlen.»

Eurosport: Kommunikation mangelhaft

Im Sinne der zahlenden Eurosport-Kunden und deutschen MotoGP-Fans schlagen wir vor: Eurosport kümmert sich künftig um eine bessere Kommunikation, um die zahlenden Kunden nicht durch merkwürdige Einträge in Programmzeitschriften und auf der eigenen Homepage und Aussagen der eigenen Reporter zu verwirren.

Wenn ein hauseigener Eurosport-MotoGP-Kommentator live auf Sendung verkündet, dass bestimmte Rennen nur auf dem Player zu sehen sein werden und diese Nachrichten dann auf Twitter bestätigt werden, ist beim Sender die Kommunikation irgendetwas gründlich schiefgelaufen.

Erst in den Tagen nach dem Le Mans-GP wurde von Eurosport definitiv kommuniziert, dass Mugello, Barcelona, Assen und Brünn im TV gesendet werden.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich Eurosport an seine vertraglichen Verpflichtungen erinnerte. Oder erinnert wurde.

Wir kennen diese Gegebenheiten aus dem Mittelalter und von den alten Griechen. Nicht die Verursacher der schlechten Nachrichten werden geköpft oder an den Pranger gestellt, sondern die Überbringer.

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Von Ivo Schützbach
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