Statt Lorenzo: Kein Stoner, kein Miller & kein Pirro
Jack Miller
Wegen der Titelentscheidung in der MotoGP-Klasse wurde die Frage, ob Jorge Lorenzo am kommenden Wochenende in Phillip Island antritt und wer ihn er setzen könnte, etwas zur Nebensache. Aber im Hintergrund wurden hitzige Diskussionen geführt.
Jorge Lorenzo verbuchte in Motegi/Japan in der MotoGP-WM den dritten Nuller hintereinander, nachdem er in Aragón in der ersten Kurve des Rennens durch ein umstrittenes Manöver von Marc Márquez zu Sturz gekommen war und sich dann in Thailand im FP2 nach einem Bremsdefekt durch einen Highsider auch noch die linke Hand arg ramponiert hat. In Japan packte Lorenzo am Freitag nach einer einzigen Runde im FP1 zusammen – die Schmerzen waren unerträglich.
Wegen des flüssigen Streckenverlaufs in Phillip Island bestand anfangs die Hoffnung, dass sich Jorge Lorenzo am kommenden Freitag in Australien selbst wieder in den Sattel schwingt und wegen der weniger heftigen Bremsmanöver die Schmerzen an der linken Hand erträglich findet. Aber dieser Plan wurde rasch verworfen.
Laut Vertrag mit der Dorna muss die Ducati Desmosedici des Werksteams in Australien am kommenden Wochenende wieder besetzt sein, obwohl der Mallorquiner in Buriram und Motegi zumindest am Freitag in Aktion zu sehen war.
Julian Thomas, MotoGP Press Manager von Ducati Corse, schloss schon am Samstag in Motegi eine Rückkehr von Lorenzo für Australien aus. «Es besteht wirklich keine Chance, dass Jorge dort das Rennen bestreiten kann. Also müssen wir ihn ersetzen. Hoffentlich kann er in Malaysia am 4. November wieder fahren. Wir haben noch nicht entschieden, was wir für Australien machen.»
Der australische GP-Promoter (Grand Prix Corporation) und die Fans in Down Under wünschten sich sehnlichst einen Aufstieg von Jack Miller ins Werksteam. Auch für Ducati Corse war das die bevorzugte Variante. Denn «JackAss» fährt im Pramac-Ducati-Team eine 2017-Maschine und ist damit in letzter Zeit oft schneller als Danilo Petrucci mit der 2018-Werksmaschine. Er fuhr in Japan in diesem Jahr zum dritten Mal in die erste Startreihe.
In Motegi wurde bei TV-Übertragungen erzählt, ein Wechsel von Miller ins Werksteam komme nicht in Frage, weil Pramac für ihn einen 2017-Motor homologiert hat und ein Wechsel dadurch nicht möglich ist. Doch diese Bemerkung ist Unsinn, denn mit Zustimmung der Grand Prix Commission (GPC) ist jederzeit ein Umstieg auf eine andere «engine specification» möglich – wie das Beispiel Xavier Siméon zeigt, der seit Silverstone statt Tito Rabat beim Reale Avintia-Team eine 2017-Ducati fährt statt seines 2016-Modells, über das jetzt Jordi Torres verfügt.
Aber Pramac-Ducati sträube sich gegen die Freigabe von Miller ans Werksteam abtreten, weil man Mühe bei der Suche nach einem kompetenten Ersatzfahrer hätte. «Ducati möchte Jack für den Phillip-Island-GP haben, aber ich gebe ihn nicht her», bestätigte Pramac-Teammanager Francesco Guidotti gegenüber SPEEDWEEK.com.
Auch Ducati-MotoGP-Testfahrer Michele Pirro fiel als Kandidat für die Lorenzo-Nachfolge in Australien aus. Er habe für Ducati PR-Verpflichtungen in Dubai zu erledigen, war in Japan zu hören. Auch das ist Unsinn. «Pirro testet die Ducati GP19 von 24. bis 26. Oktober in Valencia», teilte uns Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti am Sonntag in Motegi mit.
Michele Pirro muss den Prototyp für seinen Wildcard-Einsatz beim WM-Finale und für den Valencia-Test vom 20./21. November auf Herz und Nieren prüfen. Dort werden ihn auch Dovizioso und Petrucci testen.
Das Ducati-Werksteam hat sich bei Verletzungen von Werkspiloten schon mehrmals beim Fahrerpersonal der Kundenteams bedient, zum Beispiel wurde Avintia-Pilot Héctor Barbera 2016 in Japan und Australien statt des verletzten Andrea Iannone auf die Werks-Ducati gesetzt.
Viele Ducatisti träumten für den Phillip-Island-GP sogar von einer Rückkehr Casey Stoners, der das Heimrennen bis zum Rückzug 2012 sechsmal in Serie (viermal auf Ducati, zweimal auf Honda) gewonnen hat. Aber der Australier ist seit Januar nicht mehr auf der MotoGP-Ducati gesessen und hat zuletzt beim Mugello klargestellt, dass er keine MotoGP-Rennen mehr bestreiten wird.
«Eher gefriert die Hölle als dass wir Casey noch einmal in einem MotoGP-Rennen sehen», erklärte TV-Kommentator Matthew Birt.
Ducati kann also weder auf Miller noch auf Pirro oder Stoner zurückgreifen. Und auch Danilo Petrucci steht nicht zur Diskussion, weil er gegen Crutchlow und Zarco noch um die Position des besten Privatfahrers kämpft, ein wichtiger Anreiz für die Pramac-Truppe.
Aber Ducati verfügt ja noch über zwei weitere MotoGP-Kundenteams – die Ángel Nieto-Truppe mit Bautista und Abraham sowie Avintia mit Siméon und Torres.
Und inzwischen steht fest: Álvaro Bautista, gestern großartiger Fünfter beim Japan-GP, wird am kommenden Wochenende auf der rot-weissen Ducati des Werksteams Platz nehmen. Der bald 34-jährige Spanier bildet 2019 mit Chaz Davies das Ducati-Superbike-Werksteam.
«Jorge Lorenzo sollte in Malaysia wieder fahren können», hofft Paolo Ciabatti.