Paolo Ciabatti: «Ducati-Fahrern fehlte die Konstanz»
Dovizioso (04) vor Miller (43), Crutchlow und Zarco (5): Ducati hatte fünf Podestfahrer aber keinen Titelanwärter
Ducati ist es in der vergangenen Saison nicht gelungen, aus der Abwesenheit des verletzten Marc Márquez und nach drei zweiten WM-Rängen von Andrea Dovizioso in den Jahren 2017, 2018 und 2019 aus dieser außergewöhnlichen Meisterschaft Kapital zu schlagen. Ducati feierte zwar mit Andrea Dovizioso und Danilo Petrucci zwei GP-Siege, dazu gelang Johann Zarco in Brünn eine Pole-Position, aber in der EM-Endabrechnung reichte es Andrea Dovizioso nur für Rang 4, Jack Miller brauste auf Rang 7, Petrucci auf Rang 12.
Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com zieht Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti Bilanz der Saison. Er gibt zu bedenken, dass Ducati zwar konstant an der Spitze mitfuhr, aber die vielen Podestplätze mit fünf verschiedenen Piloten erreichte – und keiner die nötige Konstanz erreicht hat.
Paolo, 2020 wäre eine schöne Gelegenheit für einen Titelgewinn gewesen. Aber andere Hersteller haben mehr Lorbeeren eingeheimst – Suzuki, Yamaha und KTM zum Beispiel.
Ja, richtig. Auf der einen Seite ist die Saison nicht so verlaufen, wie wir gehofft haben. Anderseits hatten wir bei Ducati in den letzten drei Jahren mit Andrea Dovizioso den stärksten Herausforderer von Marc Márquez. Als sich im Sommer zuerst abgezeichnet hat, dass der Weltmeister für viele Rennen ausfallen wird und man hörte, er werde 2020 gar kein Rennen fahren, war es die beste Chance für Andrea und uns, endlich diesen Titel sicherzustellen.
Aber die Saison hat sich nicht so entwickelt, wie wir erwartet haben.
Ducati war zwar konkurrenzfähig, und im Grunde haben wir bei allen Grands Prix um Podestplätze gekämpft – mit Ausnahme von Aragón und Valencia-1. Aber wir haben diese Erfolge mit fünf unterschiedlichen Fahrern erzielt. Was uns gefehlt hat, war die Beständigkeit auf hohem Level bei einem einzelnen Fahrer.
Dovizioso gewann 2017 sechs Rennen, 2018, vier, 2019 zwei und 2020, als es um die Wurst ging, nur noch eines.
Dovi war beim ersten Rennen in Jerez als Dritter auf dem Podium. im zweiten Jerez-GP lag Bagnaia an zweiter Stelle, dann hatte er ein Motorproblem. Als wir nach Brünn kamen, fuhr Zarco aufs Podium. In Österreich gewann Dovi das erste Rennen, das zweite beendete Miller an zweiter Stelle.
In Misano schaffte Bagnaia den zweiten Platz, das zweite Rennen hätte er beinahe gewonnen, doch er stürzte als Spitzenreiter.
So ging es weiter. Petrucci siegte in Le Mans, Miller gelangen in Valencia-2 und Portimão zwei zweite Ränge.
Es hat sich also gezeigt: Die Ducati GP20 war ein sehr konkurrenzfähiges Motorrad.
Aber aus unterschiedlichen Gründen waren wir nicht in der Lage, mit einem einzelnen Fahrer konstant mit Topleistungen vorne mitzufahren.
Ich muss zugeben, wir hatten auch einige technische Probleme, von denen wir normalerweise verschont bleiben. Bagnaia und Miller fielen je einmal mit Motorproblemen aus. Aber wir dürfen nicht vergessen, es war eine sehr seltsame Saison. Wegen des Lockdowns mussten viele Testfahrten gestrichen werden. Die Rennabteilungen der europäischen Hersteller mussten sogar für mindestens zwei Monate zusperren. Davon sind unsere japanischen Mitbewerber verschont geblieben.
Die Ducati-Fahrer haben außerdem lange Zeit Mühe mit der neuen Hinterreifen-Konstruktion von Michelin gehabt. Petrucci sagte, er habe erst beim Misano-Test im September eine Lösung dafür gefunden.
Ja, dieser Hinterreifen war für alle Fahrer eine Herausforderung. Es musste für diesen Reifen das Set-up angepasst und sehr stark geändert werden. Dazu mussten die Fahrer ihren Fahrstil ändern, um das Potenzial dieser Reifencharakteristik ausnutzen zu können.
Dieser Reifen hatte sicher mehr Grip. Aber die Balance des Motorrads musste verändert werden.
Und ein Vorteil, den Andrea jahrelang für sich beansprucht hat, ging verloren. Er war immer ein super guter Spätbremser, dann ließ er das Bike rutschen und richtete es zum Beschleunigen früh auf. Diese Methode war mir diesem neuen Reifen nicht mehr besonders effektiv.
Die Performance von Andrea und von Ducati war insgesamt also eine Kombination von verschiedenen Aspekten.
Aber ich ziehe den Hut vor Suzuki und Joan Mir, denn sie waren von allen Titelanwärtern am beständigsten.
Gut, Joan hat nur ein Rennen gewonnen. Aber er hätte voraussichtlich auch den ersten Spielberg-GP für sich entschieden, wenn die rote Flagge nicht gezeigt worden wäre.
Trotzdem ist es ungewöhnlich, dass man mit nur einem Sieg MotoGP-Weltmeister werden kann. In diesem Jahr zählte die Beständigkeit mehr als alle andere. Die Konstanz bei diesen 14 Rennen in so kurzer Zeit war der Schlüssel zum Erfolg. Joan hat viele Punkte gesammelt, er war in den Rennen sehr oft in den Top-Positionen.
Was wir bei ihm auch gesehen haben: Es ist ihm gelungen, im Laufe des Rennens immer weiter nach vorne zu fahren, meist in die Top-5, selbst wenn er in der Anfangsphase deutlich hinten lag.
Wir dürfen nicht vergessen: Ducati hat erstmals seit 2007 die Konstrukteurs-WM gewonnen. Das ist gut.
Wir wollen aber nicht verschweigen, dass wir das geschafft haben, weil Yamaha 50 Punkte für Jerez aberkannt wurden, also doppelt so viele, wie sie dort errungen haben. Sonst hätte Yamaha dank der sieben GP-Siege diese Marken-Meisterschaft gewonnen.
Wir sind froh über diesen Titel. Aber der Fahrer-WM-Titel ist uns natürlich durch die Lappen gegangen. Da Marc Márquez aus dem Spiel war, haben wir womöglich die beste Chance aller Zeiten gehabt, diesen WM-Titel sicherzustellen. Leider haben wir uns diese erstklassige Gelegenheit entgehen lassen.
Alle MotoGP-Sieger 2020
Jerez-1: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Brünn: Brad Binder (Red Bull KTM)
Spielberg-1: Andrea Dovizioso (Ducati Team)
Spielberg-2: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech 3)
Misano-1: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Monster Yamaha)
Catalunya: Fabio Quartararo (Petronas Yamaha)
Le Mans: Danilo Petrucci (Ducati Team)
Aragón-1: Alex Rins (Suzuki Ecstar)
Aragón-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Valencia-1: Joan Mir (Suzuki Ecstar)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Petronas Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (Red Bull KTM Tech3)
MotoGP-Pole-Positions 2020
Jerez-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Jerez-2: Fabio Quartararo (Yamaha)
Brünn: Johann Zarco (Ducati)
Spielberg-1: Maverick Viñales
Spielberg-2: Pol Espargaró (KTM)
Misano-1: Maverick Viñales (Yamaha)
Misano-2: Maverick Viñales (Yamaha)
Catalunya: Franco Morbidelli (Yamaha)
Le Mans: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-1: Fabio Quartararo (Yamaha)
Aragón-2: Takaaki Nakagami (Honda)
Valencia-1: Pol Espargaró KTM)
Valencia-2: Franco Morbidelli (Yamaha)
Portimão: Miguel Oliveira (KTM)
MotoGP-Pole-Positions 2020
Yamaha 9
KTM 3
Ducati 1
Honda 1
Suzuki 0
Aprilia 0
MotoGP-Podestplätze 2020
Yamaha 12
Morbidelli 5 (3x Platz 1, 1x Platz 2, 1x Platz 3)
Quartararo 3 (3x Platz 1)
Viñales 3 (1x Platz 1, 2x Platz 2)
Rossi 2 (1x Platz 3)
Ducati 9
Miller 4 (3x Platz 20, 1x Platz 3)
Dovizioso 2 (1x Platz 1, 1x Platz 3)
Petrucci 1 (2y Platz 1)
Zarco 1 (2x Platz 3)
Bagnaia 1( 2x Platz 2)
KTM 8
Pol Espargaró 5 (5x Platz 3)
Oliveira 2 (2x Platz 1)
Brad Binder 1 (1x Platz 1)
Suzuki 11
Mir 7 (1x Platz 1, 3x Platz 2, 3x Platz 16
Rins 4 (1x Platz 1, 2x Platz 2, 1x Platz 3)
Honda 2
Alex Márquez 2 (2x Platz 2)
Aprilia 0
Endstand Fahrer-WM nach 14 Rennen:
1. Mir 171 Punkte. 2. Morbidelli 158. 3. Rins 139. 4. Dovizioso 135. 5. Pol Espargaró 135. 6. Viñales 132. 7. Miller 132. 8. Quartararo 127. 9. Oliveira 125. 10. Nakagami 116. 11. Binder 87. 12. Petrucci 78. 13. Zarco 77. 14. Alex Márquez 74. 15. Rossi 66. 16. Bagnaia 47. 17. Aleix Espargaró 42. 18. Crutchlow 32. 19. Bradl 27. 20. Lecuona 27. 21. Smith 12. 22. Rabat 10. 23. Pirro 4.
Endstand Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 221 Punkte. 2. Yamaha 204. 3. Suzuki 202, 4. KTM 200. 5. Honda 144. 6. Aprilia 51.
Team-WM nach 14 Rennen:
1. Team Suzuki Ecstar 310 Punkte. 2. Petronas Yamaha SRT 248. 3. Red Bull KTM Factory Racing 222. 4. Ducati Team 213. 5. Pramac Racing 163. 6. Monster Energy Yamaha MotoGP 178. 7. Red Bull KTM Tech3, 152. 8 LCR Honda 148. 9. Repsol Honda Team 101. 10. Esponsorama Racing 87. 11. Aprilia Racing Team Gresini 54.