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Lucio Cecchinello: «Fausto hat uns allen geholfen»

Von Günther Wiesinger
Lucio Cecchinello 2012 in Jerez mit Fausto Gresini

Lucio Cecchinello 2012 in Jerez mit Fausto Gresini

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello würdigt Fausto Gresini als Mensch, Rennfahrer und Teambesitzer. Die beiden Italiener waren als Rennfahrer und Teamchefs Kontrahenten, aber das Verhältnis war von Respekt geprägt.

Lucio Cecchinello hatte als Teenager sein Zimmer mit einem Poster von Fausto Gresini dekoriert. Er war zwar neun Jahre jünger als der zweifache 125-ccm-Weltmeister, trotzdem wurden die beiden Italiener noch als Rennfahrer Kontrahenten in der 125-ccm-Klasse, ehe sie später als erfolgreiche GP-Teambesitzer wieder zu Rivalen wurden.

Der heute 51-jährige Lucio Cecchinello kam zwar als Rennfahrer nicht ganz an die Erfolge von Gresini heran, aber der heutige LCR-Honda-Teamchef (2021 mit Alex Márquez und Nakagami) gewann sieben Achtelliter-GP, er errang total 19 GP-Podestplätze und gewann 1996 die 125-ccm-Europameisterschaft vor dem aufstrebenden Valentino Rossi. Inzwischen hat Cecchinello als MotoGP-Teamchef mit Cal Crutchlow drei MotoGP-Siege errungen.

Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com plaudert Cecchinello aus dem Nähkästchen. Und er geizt nicht mit Respekt vor der Lebensleistung und der Persönlichkeit seines am Dienstag an Covid-19 verstorbenen Mitbewerbers.

Lucio, welche Erinnerungen hast du als Rennfahrer an Fausto Gresini?

Ich bin Ende 1992 in der italienischen 125-ccm-Meisterschaft ein Rennen gegen Fausto gefahren. 1993 und 1994 sind wir in der Weltmeisterschaft aufeinander getroffen.

Fausto hat seine größten Erfolge in der Zweizylinder-Ära auf der Werks-Garelli errungen. 1988 wurden die Twins verboten, nachher dominierte Honda jahrelang mit dem Einzylinder.

Ja, ich habe die Zweizylinder-MBA nur einmal im Winter 1990 ausprobiert.

Aber ich kann verraten, dass ich mit 16 Jahren Poster von Fausto, von Carlos Lavado, von Luca Cadalora und Pierfrancesco Chili in meinem Zimmer hatte. Ich war ein Fan von Fausto. Ich habe alle Rennen angeschaut und alle seine Kämpfe bewundert, die er gegen Cadalora hatte, als sie 1986 gemeinsam bei Garelli gefahren sind.

Damals habe ich noch keine Rennen bestritten, ich war zu jung.
Als ich dann später gegen Fausto gefahren bin, habe ich gemerkt, dass er ein echter Spätbremser war und besonders in den schnellen Kurven sein Können ausgespielt hat.

Aber als wir auf der Rennstrecke aufeinander getroffen sind, stand Fausto am Ende seiner Karriere. Er hatte keine besonders konkurrenzfähigen Motorräder mehr; er ist für Scot Honda gefahren.

Ehrlich gesagt, ich wurde auch später ein Fan von Fausto, als er nach der Fahrerkarriere sein GP-Team aufgebaut hat. Denn er ist als Teambesitzer recht rasch eine Referenz für viele andere Rennställe geworden.

Fausto hat 1997 erstmals sein eigenes Team eingesetzt, mit der V2-Honda in der 500er-WM mit Alex Barros. Ich hatte zwar bereits 1996 mein eigenes Team, aber anfangs nur in der 125er-Klasse.

Gresini Racing wurde bald zu einem Vorbild und einem Musterbeispiel für alle anderen Privatteams in der Weltmeisterschaft. Die Art und Weise, wie er gearbeitet und wie er die Sponsoren behandelt hat, hat damals die Unterschiede zwischen den Werksteams und den Privatteams verkleinert.

Er hat auch neue Investoren in aller Welt gefunden und zum Motorradsport gebracht. Fausto hat uns dadurch allen geholfen, unser Geschäft weiterzuentwickeln, denn wir haben im Grunde alle seine Vorgehensweise kopiert. Sein Business-Modell war für uns alle lehrreich.

Als Ex-Weltmeister hatte Gresini ein Gespür für das Auffinden von neuen Talenten; er hat sich einen Namen als «talent scout» gemacht und in der MotoGP-WM von 2003 bis 2005 dreimal den zweiten Rang belegt, mit Gibernau und Melandri, er hat damals dreimal in Serie das ruhmreiche Repsol-Honda-Team besiegt.

Richtig.

Aber ich erinnere mich an die Jahre 2012 bis 2014, als du mit Stefan Bradl gefahren bist und Gresini mit Bautista. Damals entstand eine heftige Rivalität. Es ging um die Position des besten Honda-Kundenteams.

Absolut. Fausto war als Rennfahrer ein starker Gegner auf der Rennstrecke, aber er war auch als Teambesitzer ein mächtiger Konkurrent. Denn er präsentierte sich auch neben der Rennstrecke als beherzter Wettkämpfer.

Was immer er tun konnte, um den Mitbewerbern unter den Teams keinen Vorteil zu überlassen, das würde er tun und veranlassen. Aber in einer ehrlichen, professionellen und höflichen Art und Weise.

Fausto hat mit allen Menschen einen respektvollen Umgang gepflegt.

Ich erinnere mich an die Gründung meines eigenes MotoGP-Teams für 2006 mit Honda. Ich stand damals etwas unter Zeitdruck, ich musste das Team in relativ kurzer Zeit zusammenstellen. Natürlich habe ich versucht, Fausto zu kontaktieren, um ein paar hilfreiche Informationen zu bekommen. Ich wollte wissen, wie man Ersatzteile bestellt, wie viel Personal man braucht und so weiter. Fausto war sehr freundlich, aber ich konnte bald klar erkennen: Er hat sich bemüht, nicht auf meine Fragen einzugehen. (Lucio schmunzelt).

Es war klar, er wollte keine kostbaren Informationen und Geheimnisse weitergeben. Er wusste ja, dass ich als neuer MotoGP-Teambesitzer ein Rivale sein würde.

Damit hat er sich nicht getäuscht. Fausto Gresini fand aber für 2015 kein Budget mehr, er musste sein Honda-Team aufgeben und sich mit Aprilia verbünden. Du bist als einziges HRC-Kundenteam übrig geblieben.

Ja, es gab einige Jahre, in denen wir uns als Honda-Satellitenteams heftig bekämpft haben. Aber ich habe immer eine Gesprächsbasis mit Fausto gehabt. Ja, absolut. Wir haben immer miteinander geredet. Unbedingt. Es gab nie ein Kommunikationsproblem zwischen uns.

Unser persönliches Verhältnis beruhte immer auf einer professionellen Basis. Trotzdem konnte ich spüren, dass er immer gewisse Informationen für sich behielt, um sein Team zu schützen. Das war okay.

Vielleicht musst du das auch tun, wenn Valentino Rossi 2022 mit einem eigenen Team in die MotoGP kommt und Ratschläge bei dir einholt.

Korrekt, korrekt, ja. Ich würde mich dann ähnlich verhalten wie Fausto…

Gresinis Erfolge als Rennfahrer:

1983 – 125-ccm-WM-9. auf MBA und Garelli
1984 – 125-ccm-WM-3. auf MBA und Garelli
1985 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1986 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Garelli
1987 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1988 – 125-ccm-WM-21. auf Garelli
1989 – 125-ccm-WM-5. auf Garelli
1990 – Italienischer 125-ccm-Meister auf Honda
1990 – 125-ccm-WM-7. auf Honda
1991 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1992 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1993 – 125-ccm-WM-11. auf Honda
1994 – 125-ccm-WM-16. auf Honda

21 Grand-Prix-Siege

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