Das Honda-Dilemma: Lecuona und Bradl in Assen?
Wer nach dem Mugello-GP noch vermutet oder gehofft hatte, das Honda-Desaster in der MotoGP-WM habe seinen Tiefpunkt erreicht, wurde beim Deutschland-GP eines Schlechteren belehrt. Mit Joan Mir und Alex Rins sind in Italien erstens zwei der vier Stammfahrer verletzt worden; zweitens ist offenkundig geworden, dass die Honda-Ingenieure in drei Jahren bei der Suche nach einem Sieger-Motorrad keinen Millimeter weitergekommen waren.
Diese Tatsache wurde unter anderem dadurch dokumentiert, dass Alex Rins am Freitag in Mugello mit dem bisherigen japanischen TSR-Chassis auf Platz 3 brauste und damit Marc Márquez auf dem neuen Kalex-Chassis in den Schatten stellte.
Im Rahmen des Sachsenring-Grand-Prix wurde die rückwärtsgewandte Entwicklung von Honda noch einmal unterstrichen, als der elffache Sachsenring-Sieger Marc Márquez im Sprint nur auf Platz 11 landete, fünf Stürze in 40 Stunden fabrizierte und einen gebrochenen linken Daumen und eine schmerzhafte Prellung im rechten Knöchel davontrug, die ihn aller Voraussicht nach auch vom Assen-GP am kommenden Wochenende fernhalten wird.
Nach dem heftigen Warm-up-Crash von Marc Márquez stellte sich heraus, dass der HRC-Plan vorsah, Marc solle in diesem Aufwärm-Training (es wurde für 2023 von 20 auf 10 Minuten verkürzt) zwei verschiedene Set-ups testen.
Das war ein irrwitziges Vorhaben, nicht nur weil die Temperaturen in der Früh viel zu kühl waren, um ein handfestes Urteil abgeben zu können für die Anforderungen im Rennen um 14 Uhr. Sondern auch weil Marc notgedrungen mit kalten Reifen sofort wieder ans Limit gehen musste – nach den drei Stürzen am Samstag.
Fakt ist: Marc Márquez hatte nach Platz 11 im Sprint berichtet, HRC habe das Set-up für diesen 15-Runden-Wettkampf völlig vergeigt.
Wie hoffnungslos die HRC-Techniker agieren, zeigt die Tatsache, dass Marc Márquez im freien ersten Freitag-Training sturzfrei auf Platz 3 stürmte, nachher alle weiteren Set-up-Änderungen fehlschlugen und zu fünf Stürzen und zu enttäuschenden Ergebnissen führte.
Warum wurde Bradl in Sachsen nicht eingesetzt?
Und die unverständliche Entscheidung, Stefan Bradl beim Heim-GP nicht auf die verwaiste Honda des verletzten Joan Mir zu setzen, um weitere Daten und Ideen zu sammeln, erscheint nach dem Sachsenring-Desaster auch in einem neuen Licht. Sie wirkt noch unverständlicher.
Denn die Ausrede, man müsse Motorenlaufzeit sparen, greift in diesem Fall nicht. Denn erstens hat Honda nie ein Problem mit der Laufzeit, außerdem wurde schon der GP von Argentinien komplett eingespart.
Denn Joan Mirs Technik-Crew war teilweise sowieso vor Ort, um der Márquez-Truppe beim ständigen Reparieren der Bikes zu helfen.
Doch irgendwann ging in der Márquez-Box der Vorrat von Winglets aus, sie mussten von den Joan Mir-Motorrädern demontiert werden.
Die Situation für die einst ruhmreiche Honda-Truppe vor der Dutch-TT: Es werden aller Voraussicht nach drei Ersatzfahrer für Márquez, Mir und Rins benötigt.
Tatsache ist: Mir und Rins müssen ersetzt werden, denn jeder Verletzte muss beim übernächsten Grand Prix nachbesetzt werden.
Wird sich Joan Mir (er ist in dieser Saison schon zwölfmal gestürzt) nach seiner Fingerverletzung von Mugello wieder zurückmelden?
«Ich weiß es nicht», stellte Ken Kawauchi am Montagfrüh auf dem Flughafen Dresden auf Anfrage von SPEEDWEEK.com fest.
Bis zur Sturzserie von Marc Márquez war bei HRC vorgesehen, Stefan Bradl solle in Assen auf die LCR-Honda von Rins steigen und Joan Mir zu einem Comeback in den Niederlanden überredet werden. Aber der MotoGP-Weltmeister (auf Suzuki) von 2020 zeigte wenig Lust, sich auf die widerspenstige RC213V zu setzen.
Jetzt wird überlegt, Iker Lecuona (wie in Jerez) auf die Márquez-Honda zu setzen und Stefan Bradl mit der Rins-Honda bei LCR fahren zu lassen.
Aber Honda wartet offenbar ab, ob sich Joan Mir als einsatzfähig zurückmeldet. Vom Rennarzt war er schon in Mugello für «fit to race» erklärt worden, aber er zog sich beleidigt in den Schmollwinkel zurück.
Dass Marc Márquez nach Assen reist, damit ist nicht wirklich zu rechnen. Denn nach dem Bruch des rechten Daumens in Portugal fiel er für drei Grand Prix aus. Und jetzt ist der linke Daumen aus dem Leim gegangen.
Ergebnisse MotoGP Sachsenring (18. Juni):
1. Jorge Martin, Ducati, 30 Runden in 40:52,449 min
2. Pecco Bagnaia, Ducati, +0,064 sec
3. Johann Zarco, Ducati, +7,013
4. Marco Bezzecchi, Ducati, +8,430
5. Luca Marini, Ducati, +11,679
6. Jack Miller, KTM, +11,904
7. Alex Márquez, Ducati, +14,040
8. Enea Bastianini, Ducati, +14,859
9. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +17,061
10. Miguel Oliveira, Aprilia, +19,648
11. Augusto Fernández, KTM, +19,997
12. Franco Morbidelli, Yamaha, +22,949
13. Fabio Quartararo, Yamaha, +25,117
14. Takaaki Nakagami, Honda, +25,327
15. Raúl Fernández, Aprilia, +25,503
16. Aleix Espargaró, Aprilia, +28,543
17. Jonas Folger, KTM, +48,962
– Brad Binder, KTM, 12 Runden zurück
– Maverick Viñales, Aprilia, 22 Runden zurück
Ergebnisse MotoGP-Sprint Sachsenring (17. Juni):
1. Jorge Martin, Ducati, 15 Rdn in 20:21,871 min
2. Pecco Bagnaia, Ducati, +2,468 sec
3. Jack Miller, KTM, +3,287
4. Luca Marini, Ducati, +5,487
5. Johann Zarco, Ducati, +5,538
6. Brad Binder, KTM, +6,289
7. Marco Bezzecchi, Ducati, +6,956
8. Alex Márquez, Ducati, +9,261
9. Aleix Espargaró, Aprilia, +9,691
10. Enea Bastianini, Ducati, +9,715
11. Marc Márquez, Honda, +10,828
12. Fabio Di Giannantonio, Ducati, +10,905
13. Fabio Quartararo, Yamaha, +11,366
14. Augusto Fernández, KTM, +12,593
15. Franco Morbidelli, Yamaha, +12,905
16. Miguel Oliveira, Aprilia, +13,837
17. Takaaki Nakagami, Honda, +14,505
18. Raúl Fernández, Arilia, +28,959
– Maverick Viñales, Aprilia, 4 Runden zurück
– Jonas Folger, KTM, 9 Runden zurück
WM-Stand nach 14 von 40 Rennen:
1. Bagnaia, 160 Punkte. 2. Martin 144. 3. Bezzecchi 126. 4. Zarco 109. 5. Binder 96. 6. Marini 89. 7. Miller 79. 8. Quartararo 57. 9. Aleix Espargaró 55. 10. Viñales 53. 11. Alex Márquez 52. 12. Morbidelli 50. 13. Rins 47. 14. Augusto Fernández 36. 15. Di Giannantonio 34. 16. Oliveira 27. 17. Nakagami 26. 18. Bastianini 16. 19. Marc Márquez 15. 20. Pedrosa 13. 21. Folger 7. 22. Pirro 5. 23. Petrucci 5. 24. Mir 5. 25. Savadori 4. 26. Raúl Fernández 3. 27. Stefan Bradl 2.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 248 Punkte. 2. KTM 135. 3. Aprilia 99. 4. Honda 81. 5. Yamaha 68.
Team-WM:
1. Prima Pramac Racing, 253 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 215. 3. Ducati Lenovo Team 186. 4. Red Bull KTM Factory Racing 175. 5. Aprilia Racing 108. 6. Monster Energy Yamaha 107. 7. Gresini Racing 86. 8. LCR Honda 73. 9. GASGAS Factory Racing Tech3, 43. 10. CryptoDATA RNF 35. 11. Repsol Honda 20.