MotoGP-Innovationen: Wir sollten den Wahnsinn feiern
Mit einem normalen Motorrad hat ein MotoGP-Bike nicht mehr viel zu tun
Jetzt, wo sich der Staub gelegt hat, ist es an der Zeit, das Ende einer epischen Rennsaison zu feiern und dem 76. Champion in der Königsklasse der Motorrad-Weltmeisterschaft zu gratulieren – es ist übrigens das 23. Jahr seit der Umbenennung in MotoGP, als die legendären Zweitakt-500er von den großen Viertaktern verdrängt wurden.
Vielleicht ist es auch an der Zeit, sich zu fragen, wozu das alles gut war? Was hat der Grand-Prix-Sport für Motorräder und für Motorradfahrer getan? Um dieselbe Frage anders zu stellen: Haben Sie schon einmal eine Verkleidung mit «ground-effect» an Ihrem Alltagsmotorrad angebracht? Und hat sich Ihr Motorradfahren dadurch verbessert?
Lassen Sie uns zunächst die menschliche Seite anerkennen. Der Motorradrennsport hat wie jeder andere Spitzensport, ob auf Rädern oder nicht, eine wichtige Funktion: Er gibt Inspiration und schafft Helden. Die Menschen brauchen Helden und Dinge, nach denen sie streben können. Diese Bedeutung sollte nicht unterschätzt werden.
Aber technisch? Wenn man die Motorräder auf der Rennstrecke mit denen vergleicht, die den Kunden in der realen Welt zur Verfügung stehen, ist der Unterschied enorm. Vielleicht hat die MotoGP in den letzten fünf oder zehn Jahren ihren Weg verloren. Wie Fabio Quartararo kürzlich bemerkte: «Sie sehen nicht einmal mehr wie Motorräder aus.»
Die enge Verwandtschaft zwischen Grand-Prix-Motorrädern und Spitzensportmotorrädern war (mit einigen Ausnahmen wie Moto Guzzis fantasievollem V8) schon immer aufregend. Aus diesem Grund hat der Motorradsport einen realistischeren Reiz als die Formel 1. Im Gegensatz zu den F1-Autos sind die GP-Motorräder im Grunde nur abgespeckte und aufgemotzte Versionen von Straßenmotorrädern – zumindest früher waren sie das.
Und es gab viele gegenseitige Befruchtungen. Motor-, Fahrwerks-, Aufhängungs- und Reifentechnologien wurden durch den Rennsport vorangetrieben und an die Produktionsabteilungen weitergegeben. Der Rennsport, so schien es, verbesserte die Zweiradtechnik. Aber wenn das in den Anfängen des Motorradsports so war, ist es dann heute noch so?
In der Tat wurde die technische Entwicklung im Rennsport immer durch technische Vorschriften eingeschränkt. Der Erfolg von Ducati beruht eher darauf clevere Wege zu finden, um die Regeln zu umgehen, als auf reiner Wissenschaft. Wie zum Beispiel der Spoiler unter der Hinterradschwinge, der die aerodynamischen Regeln umging, indem er als Vorrichtung zur Reifenkühlung bezeichnet wurde, der ganz nebenbei auch noch für zusätzlichen Abtrieb sorgte.
Rückblickend gibt es Fälle, in denen die Vorschriften mögliche Verbesserungen aktiv behindert haben. So wurden zum Beispiel in den 1950er-Jahren «Mülltonnen-Verkleidungen» verboten, weil man Sicherheitsbedenken hinsichtlich einer zu schwachen Konstruktion und eines gefährlichen Verhaltens bei Seitenwind hatte. Sie wurden zu den Mülltonnen der Geschichte. Tatsächlich boten ordnungsgemäß konstruierte und in Windkanälen ausgeführte Vollverkleidungen erhebliche Leistungsvorteile, ganz zu schweigen vom Wetterschutz, der sowohl auf der Straße als auch auf der Rennstrecke von großem Wert war. An ihre Stelle traten im Rennsport und für den Alltagsgebrauch auf der Straße so genannte Delphinverkleidungen, die das Vorderrad freilegen – aus modischen Gesichtspunkten, nicht aus Gründen der Effizienz.
Die Vorschriften schränkten auch Experimente ein. Vor ein paar Jahren sprach der verstorbene Steve Harris – Fahrwerksdesigner und Konstrukteur der Harris-Yamaha, die in Lizenz für das Werk gebaut wurde – leidenschaftlich zu mir über das Potenzial einer halb nach vorne geneigten Konstruktion für ein Rennmotorrad. Vielleicht hatte er nicht recht, aber die Regeln verhindern, dass man das herausfinden kann. Anstatt das Design von Straßenmotorrädern voranzutreiben, hat es der Rennsport wohl eher eingebremst.
Damit wären wir bei der aktuellen Generation von GP-Bikes. Diese wulstigen, bebrillten Ungetüme mit hängenden Schnurrbärten, Reihen von Heckflossen und Kohlefaseranhängseln an Vorderradgabeln, Kotflügeln und sogar Schwingen – die natürlich in den Design-Abteilungen von Bologna bis Berlin, über Hamamatsu und Tokio nachgeahmt wurden. Und Peking. Die Aerodynamik macht einen Unterschied. Selbst bei Alltagsgeschwindigkeiten wirkt sich ein geringer Luftwiderstand positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus. Aber wenn es um den Luftwiderstand geht, muss man schnell fahren, damit er wirklich ins Gewicht fällt.
Was die verschiedenen Bodeneffekt-Module betrifft: Sie funktionieren natürlich auf der Rennstrecke, aber nur, wenn man einen Schräglagenwinkel von 60 Grad hat. Da braucht man wohl nicht zu sagen: Versuchen Sie das nicht zu Hause. Sonst werden Sie nach einem Sturz vor allem Hautabschürfungen davontragen. Okay, vielleicht machen all diese technischen Spinnereien auf einem Track-Day-Bike Sinn, wo die Geschwindigkeiten und Schräglagenwinkel sie relevant machen. Und vielleicht auch vor der Eisdiele, damit man sich von einer umgebauten Bobber oder einem aufgemotzten Cruiser abhebt. Nicht so sehr auf der Straße, wo Radarpistolen nicht dazu gedacht sind, beeindruckende Höchstgeschwindigkeiten zu zelebrieren, sondern um einen einzubremsen.
Nun ja, der Rennsport war nie dazu gedacht, wirklich vernünftig zu sein, oder? Genauso wenig wie das Motorradfahren, wenn wir schon dabei sind. Vielleicht sollten wir also den Wahnsinn feiern und uns auf mehr davon in der nächsten Saison freuen.