LCR-Honda 2015: Mit Jack Miller? Ohne Stefan Bradl?
Während die Werksteams von Honda, Yamaha (auch Jorge Lorenzo wird bleiben) und Ducati längst besetzt sind und auch Pramac-Ducati (Iannone in rotem Design sowie Hernandez), ist bei Go&Fun-Gresini-Honda der zweite Platz neben Scott Redding noch frei. Der Brite soll den Prototyp statt Bautista bekommen. Wer bei Gresini das Open-Bike fahren wird, ist offen.
Bei Tech3-Yamaha ist Pol Espargaró fix, der Platz von Bradley Smith wackelt gehörig.
HRC übt natürlich Einfluss auf die Fahrerfrage bei den Honda-Satellitenteams wie Gresini und LCR (wie Ducati bei Pramac und Yamaha bei Tech3) aus und wartet auf eine verbindliche Zusage von Moto3-WM-Leader Jack Miller, der bisher immer wieder betonte, er werde eine Moto2-Saison fahren und von seinem Manager Aki Ajo beim Páginas Amarillas-Team von Sito Pons (als Ersatz für Maverick Viñales) angeboten wurde.
Ausserdem hat der Australier beim Silverstone-GP 2013 einen Vorvertrag bei Marc VDS Racing für 2015 und 2016 für die Moto2-WM unterschrieben.
HRC hat monatelang jedes Angebot an Miller bestritten, der Australier sprach aber bereits im Mai offen darüber. Eine erste Unterhaltung zwischen Jack Miller und LCR-Chef Lucio Cecchinello fand beim Jerez-GP Anfang Mai statt.
Der überragende Moto3-Pilot Miller hat sich noch Bedenkzeit erbeten. Rossi und Márquez haben ihm vor diesem Schritt abgeraten.
Marc VDS-Teambesitzer Michael Bartholemy fährt in der Moto2-WM 2015 mit Rabat und Kallio weiter, er hat Miller als Kandidaten weitgehend abgehakt. Er will aber notfalls vor Gericht eine Entschädigung erstreiten. Bartholemy: «Millers Manager hat entschieden, dass Jack 2015 nicht bei uns fahren wird.»
LCR-Honda hat Stefan Bradl im November 2011 engagiert, obwohl der Moto2-Weltmeister eine mündliche Vereinbarung mit Kiefer Racing für 201 (Moto2) getroffen hatte. In Deutschland war damals zu hören, Kiefer sei von LCR oder Honda grosszügig entschädigt worden. Von 200.000 oder 300.000 Euro war die Rede.
Cecchinello steht natürlich als HRC-Kundenteam unter dem Einfluss von Honda und hat bei der Fahrerwahl nur eine Art Vorschlagsrecht.
Stefan Bradl: Bei Honda kein Hoffnungsträger mehr
Dass Stefan Bradl als WM-Neunter und mit nur drei Top-5-Plätzen in neun Rennen 2014 enttäuscht hat, lässt sich nicht verleugnen.
Dass sich Lucio Cecchinello in der Sommerpause unermüdlich bemüht, um das Budget für einen zweiten Fahrer aufzutreiben, ist dem leidenschaftlichen Teamchef hoch anzurechnen.
Dass HRC und LCR im Frühjahr und Frühsommer neben Miller auch mit Viñales, Aleix Espargaró und Cal Crutchlow verhandelt hat, ist kein Geheimnis.
Bis auf Miller haben alle Kandidaten abgesagt.
Man kann sich vorstellen, dass sich ein ehrgeiziger Fahrer wie Stefan Bradl gedemütigt fühlt, wenn ihm Moto3-Fahrer vorgezogen werden und er bei HRC mit 24 Jahren aufs Abstellgleis befördert wird. Und dass Aleix Espargaró (1 Podestplatz in 151 GP-Einsätzen) ein besserer Rennfahrer ist als der deutsche Moto2-Weltmeister von 2011 (19 Podestplätze in 130 GP-Rennen), muss auch noch bewiesen werden.
Man darf Stefan Bradl nicht verübeln, wenn er sich nach einer Alternative umsieht in einer Phase, in der jeden Tag bei den MotoGP-Teams ein paar Türen zufallen und ihm LCR bis heute offenbar kein konkretes Angebot machen konnte.
Stefan Bradl hat angekündigt, er werde bis zum Indy-GP alle Angebote prüfen, sich kurz vorher entscheiden und dann entspannt in die zweite Saisonhälfte einsteigen.
Jack Miller: Die Zukunft von HRC
«Einige Leute bei HRC wollen Jack Miller, weil sie meinen, er repräsentiere die Zukunft», sagt Lucio Cecchinello. «Ich weiss, dass Jack kontaktiert wurde. Ich weiss, dass er ein existierendes Agreement für 2015 hat, und ich will mit so einem unklaren Deal nichts zu tun haben. Sobald mir HRC sagt, dass Jack frei ist, bei HRC unter Vertrag ist und sie ihn zu uns bringen wollen und dieses Projekt unterstützen, sind wir offen. Bisher habe ich mit Jack oder seinem Manager nie gesprochen. Bevor wir über Fahrer sprechen, möchte ich sicherstellen, dass ich ein Zwei-Fahrer-Team einsetzen kann. Es ist mein Traum, ein Team mit zwei Fahrern zu haben. Aber im schlimmsten Fall haben wir ein Ein-Fahrer-Team mit einem Factory-Bike wie bisher.»
Cecchinello hatte in Assen Ende Juni erstmals den Finanzdienstleister «CWMworld.com» als Hauptsponsor. Bradl wird auch in Brünn und auf Phillip Island in diesem Design fahren. Cecchinello will dieses Unternehmen zu einem Deal für die ganze Saison 2015 überreden.
Ob das klappt, ist unklar.
Ob dann Bradl die RC213V bekommen würde oder Miller, ist bisher ebenfalls unklar.
«Wenn Jack von der Moto3 in die MotoGP wechselt, wäre es vielleicht sinnvoller, im ersten Jahr ein Open-Bike zu nehmen. Denn bei so einem grossen Sprung ist es besser, wenn er weniger Druck hat. Er wird Zeit brauchen, um sich an die MotoGP-Maschine zu gewöhnen und an die gewaltige Power», meint Cecchinello.
HRC wird die Fertigung des missglückten Production-Racers RCV1000R einstellen und 2015 in der Open Class (wie Yamaha) die 2014-Prototypen einsetzen, also diesjährige Factory-Bikes ohne Seamless-Getriebe und mit kompletter Einheits-ECU in der Open-Konfiguration.
Aber es wäre nicht verwunderlich, wenn Miller und sein Manager Aki Ajo bei freier Wahl lieber das Factory-Bike nehmen würden.
Und es wäre nicht verwunderlich, wenn sich Stefan Bradl in dieser Situation an ein altes Sprichwort erinnern würde: «Auch andere Mütter haben schöne Töchter.»
Wir wissen ja: Forward-Yamaha sucht zwei Fahrer als Ersatz für den WM-Sechsten Aleix Espargaró und den 40-jährigen Colin Edwards, der am Saisonende zurücktritt.
Die Auswahl ist beschränkt: Bradl, Bautista, Smith, Petrucci und De Angelis stehen dort zur Auswahl. Domi Aegerter stand zur Debatte, er will aber weiter Moto2 fahren.
Ein Markenwechsel von Bradl wäre keine Alltäglichkeit. Seit Valentino Rossi 2003 hat kein MotoGP-Rennfahrer Honda in freier Entscheidung Richtung Yamaha verlassen.
Forward-Yamaha-Teambesitzer Giovanni Cuzari macht kein Geheimnis daraus, dass er Bradl diesselben Resultate zutraut, wie sie Aleix Espargaró (Platz 4 in Assen) in der ersten Saisonhälfte erzielt hat.
Cuzari: «Stefan ist ein Topfahrer. Es wäre dumm und kurzsichtig, ihn nicht engagieren zu wollen. Ich liebe die Deutschen. Wir haben schon zwei im Team. In Person von Dirk Debus haben wir den besten Elektroniker des Paddocks in der Box, dazu Tex Geissler als Applications Engineer. Wir haben 2014 das beste Open-Bike und werden es auch 2015 haben. Yamaha unterstützt uns vorbildlich. Deutschland ist der bedeutendste Markt in Europa. Stefan ist für mich erste Wahl.»
Bleibt nur noch die Frage: Wen könnte LCR engagieren, falls mit Stefan Bradl keine Einigung erzielt werden kann?
Alex Rins? Alex Márquez? Den Moto3-Teenagern gehört bei Honda die Zukunft.