Mike Leitner: «Dani und Marc haben sich arrangiert»
Mike Leitner trennte sich nach dem Valencia-GP vom Repsol-Honda-Team und von seinem Schützling Dani Pedrosa, für den er elf Jahre lang als Crew-Chief tätig war: 2004 und 2005 in der 250er-WM, danach in der MotoGP.
Der spanische Repsol-Honda-Werkspilot hat seit seinem MotoGP-WM-Einstieg 2006 die WM-Ränge 5, 2, 3, 3, 2, 4, 2, 3 und 4 eingefahren.
«Dani war dreimal WM-Zweiter. Dass der WM-Titel in der Bilanz fehlt, ist ein Schönheitsfehler», räumt Mike Leitner ein.
Immerhin wurden gemeinsam 41 GP-Siege gefeiert, 26 davon in der MotoGP-Klasse.
Manchmal wurden die Titelfights durch Stürze und Verletzungen verloren, manchmal war einfach das Material nicht konkurrenzfähig.
Zum Beispiel in der ersten 800-ccm-Saison 2007, als das Bike im Vergleich zur 990-ccm-Fünfzylinder von 2006 zu stark umgebaut und der Motor (Umstieg auf vier Zylinder) von Grund auf erneuert wurde.
Auch 2008 war die RC212V am Saisonanfang nicht konkurrenzfähig. Die HRC-Techniker versuchten durch extensiven Leichtbau, zur Konkurrenz (Yamaha und Duacti) aufzuschliessen, doch dieses Konzept erwies sich als Eigenbau, das Fahrwerk wurde zu wacklig.
«Die Honda-Ingenieure gingen ans Gewichtslimit, das damals bei 148 kg lag, glaube ich. Es wurde vorwiegend am Chassis abgespeckt, das hat sich nicht bewährt. Im Laufe der Saison mussten die Dimensionen beim Chassis wieder geändert werden, die Wandstärken und so weiter. Dann sind die Ergebnisse mit der Zeit wieder besser geworden.»
Dani Pedrosa rückte immerhin 2008 wieder auf den dritten WM-Rang hinter Rossi (Yamaha) und Stoner (Ducati) vor. Aber in den Titelkampf konnte er nie eingreifen. Rossi wurde mit 373 Punkten Weltmeister, Pedrosa brachte es nur auf 249.
«Was die reine Motorleistung betrifft, war die Honda immer konkurrenzfähig», meint Mike Leitner. «Der Schlüssel zum Erfolg liegt immer in der Fahrbarkeit. Es kommt darauf an, wie du die Leistung auf den Boden bringst.»
Ramon Aurin: Neue Besen kehren gut?
Immer wieder stand Valentino Rossi dem Spanier Dani Pedrosa bei den Titelfights im Weg.
Und jetzt sind alle Pedrosa-Fans neugierig, ob der neue Crew-Chief Ramon Aurin bei der Nummer 26 den Rossi-Effekt bewirkt. Zur Erinnerung: Rossi hat im November 2013 seinen treuen Chefmechaniker Jeremy Burgess nach 14 Jahren durch Silvano Galbusera ersetzt, er verbesserte sich dadurch in der WM 2014 vom vierten auf den zweiten Rang und kassieret 13 Podestplätze ein.
«Die Situation ist in unserem Fall ganz anders. Bei Yamaha war es so, dass Rossi den Jeremy abserviert hat. Bei uns war es umgekehrt, ich habe einfach keinen neuen Vertrag unterschrieben. Weil ich jetzt in einem gewissen Alter bin und mir Gedanken gemacht habe, wie es mit mir beruflich weitergehen soll. Als Dani mitten in der Saison begonnen hat, Mechaniker auszutauschen, habe ich zu ihm gesagt: Wenn du wirklich etwas ändern musst, musst du mich austauschen. Er hat mich dann ganz bestürzt abgeschaut und erwidert: Nein, das ist gar kein Thema. Aber es gab dann dauernd Gerüchte im Fahrerlager, deshalb habe ich ihn dann in Brünn einmal direkt gefragt.»
Pedrosa gewann 2012 sieben WM-Rennen, er war überzeugt, 2013 die besten Titelchancen aller Zeiten zu haben.
Und dann stellte ihn der vorlaute und ungestüme Rookie und Repsol-Honda-Teamkollege Marc Márquez völlig in den Schatten. Aus heiterem Himmel.
Für den etablierten Dani Pedrosa war diese Schmach schwer zu verkraften. Er gewann nur drei Rennen, Márquez sechs.
Die Erfolgsserie von Marc Márquez kam 2013 aus heiterem Himmel. Vor der Saison stellten sich die Experten höchstens die Frage, ob der Moto2-Weltmeister schon in der ersten Saison aufs Podest fahren und womöglich in der zweiten Saisonhälfte ein Rennen gewinnen könne.
Doch Eindringling Márquez preschte gleich beim zweiten Saisonrennen in Austin/Texas auf Platz 1, er fuhr sogar von der Pole-Position weg – und war an diesem Wochenende für sämtliche unantastbar.
«Marc hat in seiner ersten MotoGP-Saison alle Gegner überrascht, nicht nur Dani», gibt Leitner zu.
Irgendwann wirkte Pedrosa geknickt, er war sprachlos, der respektlose Neuling stellte ihn bei jedem Rennen mit seiner ungeheuren Risikofreudigkeit vor neue Rätsel.
«Wenn man sich in die Lage von Dani versetzt, ist es logisch, dass er geknickt war. Wenn du im Vorjahr sieben Grand Prix gewinnst. Und plötzlich kommt ein 20-jähriger Neuer in dein Team und fängt an Rennen zu gewinnen... Dass so etwas nicht spurlos an einem Fahrer vorbeigeht, das wird jedem einleuchten.»
Márquez hatte seine Berührungen vorrangig mit Jorge Lorenzo, zum Beispiel in Jerez 2013.
Aragón 2013: Der Zusammenstoss mit Márquez
Der erste richtige Zusammenstoss mit Dani Pedrosa passierte erst Ende September beim Aragón-GP. «Da ist Marc dem Dani hinten in die Schwinge reingefahren, Dani stürzte und verlor die Titelchance», blickt Leitner zurück. «Inzwischen kommen Marc und Dani gut aus. 2013 ging Dani quasi bei Repsol-Honda als Titelfavorit Nummer 1 in die Saison. Plötzlich besiegte ihn völlig unerwartet die vermeintliche Nummer 2. Dass ihn das beschäftigt hat, ist nicht verwunderlich. So etwas ist für keinen Fahrer einfach. Was ich am Dani über Jahre hinweg bewundert habe, war seine unwahrscheinliche Festigkeit und seine Beständigkeit. Wenn du dir wenigstens einmal den Titel schnappst wie Lorenzo, kannst du dich ein wenig zurücklehnen und sagen: «Das war eine super Saison, jetzt stehe ich drüber. Jetzt habe ich den Titel einmal.»Dem Dani würde dieser Titel längst zustehen. Es ist nicht passiert. Dass er im Kopf trotzdem so stark ist, das schätze ich sehr an ihm. Das ist gewaltig.»
Für 2014 hat sich Dani Pedrosa mit der neuen Situation im Team arrangiert, die beiden Streithähne bemühten sich um Harmonie.
Aber als am Donnerstag vor dem Malaysia-GP 2013 vor der Face Direction der Vorfall von Aragón verhandelt und über einen Penalty Point für Márquez verhandelt wurde, ging Pedrosa dem jungen Landsmann fast an die Gurgel. Er warf ihm sämtliche Vergehen der letzten vier, fünf Jahre an den Kopf und sagte ihm deutlich seine Meinung, wie einige Augenzeugen berichteten.
Leitner: «In solchen Fällen scheut sich Dani nicht, direkt seine Missfallen kundzutun. Er macht das nicht hinten rum oder über die Medien, er sagt es dem Betroffenen gleich ins Gesicht. Die Konflikte, die er mit Lorenzo ausgetragen hat, waren auch immer 'face to face'. Nach dem Aragón-GP 2013 war Dani wirklich sauer. Ich sage ja nichts, wenn so ein Vorfall in den letzten drei Runden passiert, wenn es um den Sieg geht. Aber den Teamkollegen in der vierten Runde mit einem derartigen Verbremser vom Motorrad zu knallen... Danach war er sauer. Aber man hat sich ausgesprochen und arrangiert. Ein Jahr später sehen wir noch klar, welch ein Kaliber Marc Márquez ist. Er ist seinen Weg gegangen.»