KTM in der MotoGP: «Zeitplan in Stein gemeisselt»
KTM steigt 2017 mit einem Werksteam in die MotoGP-Weltmeisterschaft ein. Pit Beirer, Head of Motorsport bei KTM, hat bereits «mehr als 20 Techniker» für die Königsklasse engagiert.
Prominentester Neuzugang ist Mike Leitner, der zuletzt neun Jahre lang als Crew-Chief im Repsol-Honda-Werksteam für Dani Pedrosa zuständig war. Das Erfolgsduo gewann in dieser Zeit 26 MotoGP-Rennen, 2007, 2010 und 2012 landete Pedrosa auf Platz 3 der Weltmeisterschaft.
Pit Beirer gab SPEEDWEEK.com ein Update zur Situation und zum Stand der Entwicklung der neuen RC16 mit dem 1000-ccm-V4-Motor.
Pit, Mike Leitner hat bei KTM eine neue Aufgabe gefunden, er wird mit 15. Januar 2015 ein KTM-Angestellter.
Ja, wir werden in den nächsten Tagen gemeinsam loslegen.
Welche Aufgaben wird Leitner übernehmen? Oder muss das noch genau definiert werden?
Er kommt jetzt neu zu uns. Er wird jetzt nicht über Nacht die Position übernehmen, für die er langfristig vorgesehen ist. Aber er wird schon der direkte Berater von Sebastian Risse und in unseren MotoGP-Projekt auf der technische Seite weit oben angesiedelt werden.
Sebastian Risse ist der technisch Verantwortliche für unsere komplette Onroad-Geschichte, also der Chef der Strassenrennabteilung, Head of Onroad Technique. Er muss jetzt mit mir gemeinsam alle Techniker an Bord holen, die wir für das MotoGP-Projekt brauchen.
In unserem Organigramm gibt es einen technisch Verantwortlichen für alle Offroad-Aktivitäten, das ist Florian Ebner. Sein Pendant für den Strassenrennsport ist Sebastian Risse. Er ist auch für die Moto3-WM; verantwortlich.
Aber künftig werden wir auch in der Moto3 für alle Sparten einzelne Projektleiter einsetzen. Die MotoGP-Klasse wird genau so ihre Projektleiter haben. Da wird sich im Organigramm einiges verschieben.
Ing. Kurt Trieb ist unser Motorenkonstrukteur, der die Ideen für den neuen V4-Motor entwickelt. Dazu haben wir Heinz Payreder als Technischer Leiter der Motorenabteilung.
Und welche Aufgabe hat Ing. Philipp Habsburg?
Habsburg leitet die gesamte KTM-Entwicklungsabteilung für die Serienmotorräder, die inzwischen aus mehr als 300 Mitarbeitern besteht. Er ist für alle Modelle bei KTM zuständig, Offroad und Onroad.
Und wenn wir in der Rennabteilung jetzt Unterstützung von der Entwicklungsabteilung brauchen, dann kriegen wir sie auch. Aber ich muss mir dann mit Philipp Habsburg ausmachen, auf welche Kapazitäten seiner Abteilung wir zurückgreifen können.
Und beim MotoGP-Projekt ist es natürlich sinnvoll und notwendig, dass wir auf die besten und unsere besten Fachkräfte zusammenspannen.
Aber im Grunde muss der Philipp dafür geradestehen, dass wir super Serienmotorräder haben. und ich muss dafür geradestehen, das wir konkurrenzfähige Rennmotorräder haben und Rennen gewinnen.
Du hast im November angekündigt, zu Beginn des Jahres 2015 werden die ersten Hardware-Teile für den RC16-Motor fertig sein und im Werk eintrudeln. Was ist inzwischen vorhanden?
Ja, das passiert jetzt gerade. Es kommt laufend Material rein. Einiges Material müssen wir dann noch weiter bearbeiten. Sobald die Stückliste komplett ist, werden wir den ersten Prüfstandmotor aufbauen.
Der Zeitplan wird eingehalten? Erste Prüfstandversuche im Mai?
Ja. Dieser Zeitplan ist bisher noch in Stein gemeisselt.
Mike Leitner hat als Crew-Chief viel praktische Erfahrung in der MotoGP-WM. Er wird wohl auch eine wichtige Rolle im MotoGP-Testteam spielen?
Von der technischen Seite ist Mike bei uns jetzt der Mann, der die grösste Erfahrung in dieser Kategorie hat, was auf der Strecke passiert. Deshalb wird er jetzt gemeinsam mit Sebastian Risse alle Schritte gemeinsam planen, die auf uns zukommen.
Aber wir wollen uns jetzt bei Mike Leitner am Anfang noch nicht genau auf zukünftige Positionen festlegen. Für uns ist wichtig, dass das mit ihm eine langfristige Zusammenarbeit wird.
Aber dass wir jetzt ein Testteam formieren müssen, wird eine Aufgabe sein, die in nächster Zukunft auf uns zukommt.
Es ist eine grosse Stärke von Mike, dass er sich im Fahrerlager sehr gut auskennt und uns dadurch helfen kann, die Leute zu uns zu bringen, die wir noch brauchen.
Das Roll-out bleibt für September oder Oktober geplant?
Ja, das muss unser Ziel sein, das Motorrad bis dahin auf der Strecke zu haben. Sonnst müssen wir das Roll-out auf dem Prüfstand machen, weil die Asphalttemperaturen gegen null gehen. Wir wollen das Roll-out noch bei vernünftigen Temperaturen hinbringen.
Mit dem Red Bull Ring würde sich dafür sogar eine österreichische GP-Strecke anbieten?
Ja, das Roll-out könnte man dort durchführen. Es soll aber niemand daraus schliessen, dass wir dann 2016 beim Österreich-GP bereits mit einer Wildcard antreten. Damit befassen wir uns noch nicht.
Wir brauchen für 2016 noch einen Testfahrer, der am besten noch 2015 aktiv an MotoGP-Rennen teilgenommen hat und uns Aufschlüsse geben kann.
Beim Roll-out 2015 werden wir Alex Hofmann fahren lassen.
Aber momentan ist unsere Aufgabe noch gar nicht so spektakulär, wie sich das ganze Projekt anhört. Im Augenblick geht es um sehr mühsame Kleinarbeit.
Wir haben inzwischen einen Haufen neuer Techniker im Haus, die wir zuerst einmal kennenlernen müssen. Sie müssen die Abläufe bei KTM kennenlernen und sich auf ihrem Arbeitsplatz einrichten. Es taucht alle paar Tage ein neues Gesicht auf. Per Jahresende sind einige Verträge ausgelaufen von Leuten, die jetzt bei uns anfangen dürfen.
Ausserdem brauchen wir auch Techniker, die irgendwann einmal Hardware zusammenschrauben können. Dieses Personal brauchen wir momentan noch nicht, weil noch kein Motorrad existiert.
Hast du etwas Kopf wegen des Gitterrohlstahlrahmens? Oder bist du überzeugt, dass dieses Konzept funktioniert?
Naja, in dem Wissen, dass mir dieses Zitat irgendwann von dir um die Ohren gehauen wird, traue ich mich trotzdem zu sagen, dass ich überzeugt bin, dass unser Konzept funktionieren wird.
In der Entstehung des Fahrzeugs hat der Stahlrahmen sogar Vorteile, weil wir schneller reagieren und zu Hause über Nacht schneller Veränderungen am Chassis vornehmen können, wenn es weicher oder härter gemacht werden muss.
Ich denke, wir müssen dieses Konzept zu unserem Vorteil nützen.
Im schlimmsten Fall hast du die Telefonnummer von Kalex engineering noch gespeichert, wenn du einen Alurahmen brauchst?
(Pause). Nein, «worst case» wäre, wenn KTM das Chassis selber nicht hinkriegt. Und dafür haben wir kein «back up» vorgesehen. Wir haben uns keine Türe zu einem Notausgang offen gelassen.
Wir stehen zu diesem Projekt und werden es auch zum Erfolg bringen. Ich bitte nur um genügend Zeit. Denn wir haben zwar sehr gute Techniker, aber wir haben keine Zauberer. Und unsere Gegner in der MotoGP haben viele Jahre Wissensvorsprung. Den müssen wir jetzt ganz langsam abknabbern. Das ist für uns ein mehrjähriges Projekt; da werden wir uns ranmachen.
Aber KTM-Firmenchef Stefan Pierer will im dritten Jahr unter den ersten fünf mitmischen. Der olympische Gedanke sei ihm fremd, betont er.
Ja, der olympische Gedanke des Mitdabeiseins steht bei KTM nicht im Vordergrund. Dahinter möchte ich mich jetzt auch nicht verstecken. Ich möchte auch nach drei Jahren wissen, wo wir stehen und mich an unserer Arbeit messen lassen. Bis dahin müssen wir rausfinden, was uns für die letzten Schritte noch fehlt.
Ich will in der MotoGP nicht drei Jahre spazierenfahren und hoffen, dass ich bei KTM eine zehnjährige Schonfrist bekomme. So war das nicht gemeint. Aber wir brauchen zweieinhalb Jahre für die Entwicklung. Ich erwarte, dass wir uns nach drei vollen Rennjahren auf einem akzeptablen Stand befinden.