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Stefan Bradl: Alvaro Bautista wieder als Messlatte

Von Günther Wiesinger
Schon in den drei LCR-Honda-Jahren war Alvaro Bautista für Stefan Bradl die Messlatte in der MotoGP-WM, er fuhr die Gresini-Honda. Bei Aprilia sind die beiden erstmals Teamkollegen.

Stefan Bradl ist nicht der erste deutsche Motorradrennfahrer auf einer Werksmaschine von Aprilia, aber der erste mit einem echten Werksvertrag und der erste in der Königsklasse für das Werk aus Noale in Venetien, das schon 53 WM-Titel gewonnen hat.

Vor Bradl fuhren in der 250er-WM schon Harald Eckl, Martin Wimmer, Bernd Kassner, Klaus Nöhles und Ralf Waldmann Werksmaschinen von Aprilia, ihre Verträge wurden aber immer mit den jeweiligen Kundenteams abgeschlossen. In der 125er-WM waren Peter Öttl, Tex Geissler und Steve Jenkner auf Aprilia-Werksmaterial unterwegs.

Aprilia nahm schon 2002 und 2003 an der MotoGP-WM teil, damals mit einem bei Cosworth gebauten 990-ccm-Dreizylinder-Viertakt-Motor mit «Ride by wire», der aber gegen die Fünfzylinder-Honda RC211V auf verlorenem Posten stand.

Dann folgte der Bankrott von Aprilia unter dem alten Eigentümer Ivano Beggio, die Marke wurde gemeinsam mit Beggios Fabrikaten wie Moto Guzzi und Laverda der Piaggio Group einverleibt. Piaggio-Eigentümer Roberto Colaninno kündigte dann vor zwei Jahren bei der Mailänder Motorradmesse EICMA in die MotoGP-Rückkehr für 2016 an.

Als dann Aprilia-Renndirektor Gigi Dall'Igna im Oktober 2013 als neuer General Manager zu Ducati Corse wechselte, gab es für Colaninno kein Halten mehr. Er zog den Einstieg in die MotoGP-WM um ein Jahr vor, er wollte sich unbedingt in der «premier class» mit dem Erzfeind Ducati messen.

Romano Albesiano wurde als neuer Aprilia-Renndirektor installiert, der Kampf um die Superbike-WM 2014 wurde mit Sylvain Guintoli gewonnen – wie 2010 und 2012 mit Max Biaggi.

Aprilia Racing vereinbarte im letzten August für die MotoGP-WM 2015 und 2016 ein Joint Venture mit dem Team Gresini. Das Werk übernahm die beiden MotoGP-Startplätze des Italieners, als dessen Sponsor Go&Fun ausstieg und das Geld nicht mehr für Honda-MotoGP-Material reichte.

Das Team heisst jetzt offiziell Aprilia Racing Team Gresini. Albesiano engagierte Bautista für die MotoGP-WM 2015, auch an Stefan Bradl bestand Interesse, aber als die Verhandlungen in eine konkrete Phase traten, war er sich bereits mit Forward-Yamaha einig.

Das Open-Class-Motorrad von Forward galt als schlagkräftigeres Paket, denn Aleix Espargaró stand in Assen 2014 auf der Pole-Position, er fuhr vierte und zweite Plätze in den Rennen heraus, er war in der Sommerpause WM-Sechster.

Tatsächlich dauerte es einige Zeit, bis Aprilia die bisherige Claiming-Rule-Maschine zu einem Hybrid zwischen CRT-Bike und MotoGP-Prototyp verwandelte, wobei kein Stein auf dem anderen blieb.

Beim ersten Sepang-Test 2015 verlor Bautista noch 3,057 sec auf die Bestzeit, Melandri sogar 4,774 sec.

Aprilia GP-RS: Viele Up-dates für 2015

Aber bei Aprilia wurde ein neues Chassis entwickelt, eine neue Airbox, eine neue Aerodynamik, aber das Motorgehäuse stammt immer noch vom RSV4-Superbike, auch wenn das 1000-ccm-V4-Triebwerk jetzt über einen pneumatischen Ventiltrieb verfügt; seit dem Mugello-GP existiert auch ein Seamless-Getriebe. Dazu wurde die Bohrung des 1000-ccm-V4-Motors für 2015 von 78 auf die maximal erlaubten 81 mm erhöht. Doch der kompaktere, neue MotoGP-Motor kommt erst 2016 zum Einsatz.

Bautista fuhr zum Beispel auf dem Sachsenring vom 16. Startplatz los, im Rennen landete er auf Platz 14, er lag im Qualifying nur 1,7 sec hinter der Márquez-Bestzeit.

Der 30-jährige Spanier hat bisher in neun Rennen 14 Punkte gesammelt und in Barcelona immerhin Platz 10 erreicht. Bradl brachte die Forward-Yamaha dort nicht zuletzt wegen der vielen Stürze Yamaha auf Platz 8 ins Ziel.

Was inzwischen vielfach in Vergessenheit geraten ist: Der Aprilia-GP-Motor verfügt über einen Kaskadenantrieb, der wegen seiner Grösse nur bei Rennmotorrädern eingesetzt wird, er ersetzt die Steuerkette oder einen Zahnriemen als Nockenwellenantrieb. Vorteil: enorme Stabilität und krisensicher bei hohen Drehzahlen.

Punkto Motorleistung hat sich Aprilia seit den Wintertests klar verbessert. Das beweisen auch die Top-Speed-Werte: Beim Catalunya-GP verlor Bautista mit 334,3 km/h nur 4,1 km/h auf die Open-Yamaha von Bradl. Bei der schnellsten Rundenzeit war Bradl 0,473 sec schneller als Bautista.

Die Open-Vorteile bleiben erhalten

Obwohl Aprilia als Factory-Team gemeldet ist, muss Bradl in der zweiten Saisonhälfte auf die Open-Vorteile nicht verzichten: Das Neueinsteiger-Team (neue Bezeichnung: «concession team») erhält wie die Open-Fahrer den um eine Stufe weicheren Hinterreifen, es gibt keine Testbeschränkungen, die Motorenentwicklung ist nicht eingefroren; es dürfen zwölf statt fünf Motoren eingesetzt werden, es können 24 statt 20 Liter verheizt werden im Rennen, nur Ducati muss mit 22 Litern über die Runden kommen.

«Man darf die Erwartungen anfangs nicht zu hoch schrauben. Ich möchte nach den vielen Nullern in der ersten Saisonhälfte unbedingt konstanter werden», hat sich Bradl vorgenommen. «Ich muss in den Rennen geduldiger sein. Nach drei, vier Rennen möchte ich an Bautista rankommen, mit dem ich in den drei Honda-Jahren schon so manchen harten Fight ausgetragen habe. Er war zu meiner LCR-Zeit immer die Messlatte, weil er wie ich eine Kunden-Honda fuhr.»

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