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Trauer im Fahrerlager: Dr. Christoph Scholl ist tot

Von Thomas Kuttruf
Mediziner, Instruktor, Entertainer, Wegweiser – Christoph «Doc» Scholl vereinte all das in Personalunion. Der Saarländer, der in jedem Fahrerlager zuhause war, ist im Alter von 78 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben.

Als ich vom Tod des Doc erfahren habe, dauerte es nach kurzer Schwere nicht lange, bis ein Lächeln ins Gesicht zurückkehrte. Es war sofort da, dieses Bild des unfassbar soliden Mannes, der es schaffte, allein über seine Ausstrahlung das Gefühl von Sicherheit und „alles wird gut“ zu erzeugen. Oft war er nur schwer oder gar nicht zu verstehen – Saarländer halt – machte aber auch gar nichts, denn Doc Scholl wusste sich immer mitzuteilen. Ein kurzer Blick über die halbe Doktorenbrille, und alles war gesagt. Jawoll Christoph – so wird‘s gemacht!

So wie mir wird es nicht wenigen ergehen, wir reden von Hunderten, wenn nicht Tausenden Motorrad-Junkies im deutschsprachigen Raum. Ich wage zu behaupten, jeder, der mindestens in Deutschland in den letzten vierzig Jahren eine Motorrad-Rennlizenz besessen hat, ist ihm über den Weg gelaufen. Ein Motorrad-Fahrerlager und Christoph Scholl, das war über Jahrzehnte nicht zu trennen.

Ich selbst habe den Doc, dank seiner Überpräsenz auf den Rundstrecken wenig überraschend, gleich bei meinem dritten Rennstrecken-Training kennengelernt. Treffpunkt Calafat. Die kompakte Rennpiste in der Nähe von Tarragona war eines der Wohnzimmer des Mediziners, der neben seinem Hauptberuf schon früh eigene Trainings für Hobby- und Sportfahrer auf die Füße stellte. Christoph Scholl war einer der Vorreiter in Sachen Trackdays, denn es war ihm ein Anliegen, die ganzen «Knallköppe» weg von der Landstraße hin auf die Rennstrecke zu ziehen.

Da stand ich also im windigen Calafat, neben mir die bereits hochdekorierten Toppiloten Jürgen Fuchs und Herbert Kaufmann. Als ich in meinen Einteiler stieg, brüllte mich ein Bär von einem Mann zusammen – ich soll gefälligst was Vernünftiges anziehen! Gemeint war nicht das nagelneue Leder, sondern das, was sich darunter befand: ein banales, kurzärmeliges T-Shirt. Der Bär stapfte davon und war schnell zurück. Er warf mir einen dünnen hellblauen Stoffeinteiler mit feinen Schlaufen für Fersen und Daumen zu. Anziehen! Jürgen und Herbert nickten brav.

Jeder, der in diesem Fahrerlager war, musste die Predigt über Verbrennungen, im besten Falle, über sich ergehen lassen, und ich muss noch heute immer an den fuchtelnden Christoph Scholl denken, wenn die TV-Kameras auf den nackten Oberkörper von MotoGP-Crack Fabio Quartararo zoomen. Der Doc hätte dem teuflischen Franzosen die Ohren langgezogen.

Das nächste Mal traf ich Christoph Scholl knapp drei Jahre später in Oschersleben wieder. Es war der Tag der Eröffnung der neuen Rennstrecke in der Börde. Die Aufgabe des ersten Rennlaufes durfte eine Schar Pressevertreter auf serienmäßigen Triumph-Bikes übernehmen. Schreiber Kuttruf tat wie befohlen und ging ans Gas. Als ich wenig später mit einer gebrochenen Hand wimmernd vor Doc Scholl saß, holte ich mir den nächsten Anschiss ab. Die zerbröselten Knochen schob er mit seinen Pranken dezent, aber doch ohne Mitleid in eine womöglich passende Position. In Wahrheit war die Fraktur Nebensache – der Doc lästerte, wie man so blöd sein kann, mit großem Vorsprung so vom Motorrad zu springen. Ich hätte den Sieg verschenkt!

Der Oschersleben-Kreislauf schloss sich auf wunderbare Art ein Vierteljahrhundert später. Der Ring hatte zum großen Jubiläum geladen und wer sitzt beim feierlichen Dinner im Motopark direkt neben mir? Doc Scholl. Christoph, im Juli 2022 bereits 75 Jahre alt, war körperlich angeschlagen, aber ansonsten der alte Doc. Hellwach, unruhig, amüsant, aufbrausend und charmant zugleich. Als ich ihn frage, ob er noch wüsste, wie viele Schmerztabletten er mir vor 25 Jahren für die Heimfahrt in die Tasche gesteckt hat, schaut er über seine Brille: Eine! Die musste reichen. Ratschläge oder schlicht der gute alte Hausverstand aus dem Mund von Christoph, das war oft mehr wert als manch bunte Pille.

Das wussten auch Größen des GP-Sports. Teammanager Dieter Stappert verpflichtete den 1947 in St.Wendel geborenen Christoph in den 1980er-Jahren als Stabsarzt von HB Honda. Die Mischung aus Physiotherapeut, Facharzt und Ansager – heute würde man den Begriff Mentalcoach nutzen – machte den rennsportbegeisterten Medizinier zu einem wertvollen Baustein bei der Betreuung der Piloten – die sich nun bereits dem Druck ernsthaften Spitzensports ausgesetzt sahen.

Doc Scholl musste aus nächster Nähe als Arzt und Freund die Tragödie um Reinhold Roth miterleben. Als der Bayer 1990 in Rijeka schlimmste Verletzungen davontrug, waren alle Qualitäten von Christoph Scholl zusammen gefordert.

Auch wenn Christoph Scholl viele Jahre als Rennarzt im Grand-Prix-Fahrerlager unterwegs war, zog er sich mit der steigenden Professionalisierung des Sports immer weiter zurück auf kleinere Formate und ganz besonders auf die eigenen Fahrtrainings. Zurück an die Basis. Immer dann, wenn sich der Doc auch selbst im Leder vor eine Gruppe Hobby-Piloten klemmen konnte, sei es auf der Nordschleife, in Calafat oder in Oschersleben, wenn er seine Überzeugung auch vorfahren konnte, ob mit 50 PS einer Cup-MuZ oder 180 hp einer Speed Triple RR, immer dann war die Welt in Ordnung.

Stichwort Oschersleben: Der Nordosten der Republik wurde zur neuen Heimat des Mannes ganz aus dem Westen. In Könnern, unweit des Motoparks, richtete der Doc eine Praxis für Allgemein- und Sportmedizin ein. Bei aller Hingabe für den Sport auf zwei Rädern und mit Motor: Christoph Scholl war Arzt aus Berufung und bis kurz vor seinem Tod für jeden Menschen ein profunder Unterstützer. Wenn auch auf seine ganz eigene Art: Auf Doc Scholl war Verlass. Immer.

Christoph Scholl starb am 5. März im Alter von 78 Jahren, er war bei seiner Familie.

Seinen Liebsten und engsten Freunden gilt das Mitgefühl von all jenen, denen Doc Scholl mit seiner einzigartigen Persönlichkeit begegnet ist. Ob als Doc, Fahrlehrer oder Mensch, Christoph – wir werden dich vermissen.

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