V4-Superbike für Ducati kein Verrat an eigener DNA
Ducati-Boss Claudio Domenicali bestätigte am 20. Januar 2016 zum ersten Mal offiziell, dass Ducati an einem V4-Superbike arbeitet. «Unsere Motorenentwicklung für MotoGP ist außergewöhnlich», weiß der gewiefte Italiener. «Der Motor ist sehr zuverlässig, leicht und kompakt. Er ist ein Meisterwerk der Technik und wir denken ernsthaft darüber nach, ihn unseren Stammkunden anzubieten. Es wird kein exotisches Bike wie die Desmosedici, aber ein High-End-Sportmotorrad. Wir müssten es unseren Kunden zu einem vernünftigen Preis anbieten, wenn auch im Premium-Segment.»
Von der MotoGP-Replika «Desmosedici RR» wurden 2007 und 2008 nur 1500 Stück gebaut, der Preis lag bei rund 55.000 Euro. Ein homologationsfähiges Superbike darf nicht mehr als 40.000 Euro kosten. Die erforderlichen Stückzahlen wurden in den vergangenen Jahren deutlich reduziert, spätestens nach zwei Jahren müssen 500 Maschinen produziert sein.
Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti hielt fest, dass 2018 noch die 1199 Panigale R in der Superbike-WM zum Einsatz kommt.
Der Italiener weiter: «Die Desmosedici RR ist ein einzigartiges Motorrad, die erste Vierzylinder, die wir verkauft haben. Wir haben vor zehn Jahren erkannt: Die einzige Weg zum Erfolg in der MotoGP-WM führt über einen Vierzylinder. Wir haben damals bewiesen, dass wir dem Rennsport mit sehr offenem Geist gegenüber stehen. Es gibt keine Dogmen. Die Frage ist, wie positioniert man sich, in welche Nische geht man, was erwarten die Kunden. Wir wollen die Einzigartigkeit von Ducati bewahren.»
Eine echte Ducati
Ernesto Marinelli, Superbike-Direktor von Ducati, hegt keinerlei Zweifel, dass dies auch bei einem Vierzylinder-Motorrad der Fall sein wird. «Wir werden nicht das gleiche Motorrad wie alle anderen mit diesem Motorenkonzept bauen», unterstrich der 43-Jährige gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wir werden eine Ducati bauen. Das Motorrad wird leichter und kraftvoller sein und einen speziellen Charakter haben, eine echte Ducati.»
«Wir sind hier, um Motorräder zu verkaufen und müssen entsprechend das Maximum aus den Produkten herausholen. Kunden müssen wir eine breite Produktpalette anbieten, damit sie unser technisches Know-how auf der Straße genießen können. Wir haben unsere Modellpalette jedes Jahr erweitert, das zahlt sich aus. Ducati stellt Jahr für Jahr einen Verkaufsrekord auf. Als ich zu Ducati kam, gab es die 916 und die Monster, heute haben wir eine unglaublich breite Palette. Der Markt heute ist komplizierter als vor zehn Jahren.»
Die Ducati-Strategie ist klar: Motorradfahrer, die auf die traditionellen Twin-Superbikes aus Bologna schwören, sollen bei der Stange gehalten werden. Kundschaft, die sich heute eine Vierzylinder-Maschine von einem japanischen Hersteller, BMW, Aprilia oder MV Agusta kauft, soll im kannibalistischen Markt gewonnen werden.
«Wir müssen Kunden die Türe öffnen, die heute nicht unsere sind», verdeutlicht Marinelli. «Dafür musst du für jeden das passende Motorrad haben. Als Premium-Marke wie Ducati musst du etwas machen, das sonst niemand tut. Das ist unser Geist, den wir mit jedem Modell verfolgen. Wir wollen in vielen Bereichen vor den Mitbewerbern liegen. Nicht nur technisch, sondern auch mit der Leidenschaft, die einem ein Motorrad vermittelt.»
Ableitung des V4-MotoGP-Motors
Im April 2012 wurde Ducati von Audi gekauft. Der Autohersteller aus Ingolstadt wiederum gehört zur VW-Gruppe. Die V4-Pläne von Ducati werden auch dort wohlwollend aufgenommen.
«Ein solches Motorrad braucht drei Jahre Vorlaufzeit vom Beschluss bis es vom Band rollt», erklärte ein Topmanager aus der VW Group auf Nachfrage von SPEEDWEEK.com. «Audi macht diesbezüglich keinen Druck. Es verhält sich normal so, dass Ducati mit Ideen kommt und der Audi-Vorstand diese bei Zustimmung abnickt. Eine Ableitung des V4-MotoGP-Motors ist reizvoll. Für eine weitere Ausbreitung im Supersport-Bereich wäre Platz für eine Ducati-V4. Dann wären auch die Diskussionen wegen des Reglements in der Superbike-WM eliminiert. Ich kann mir vorstellen, dass ein solches Motorrad kommen wird. Ab 2019 könnte Ducati in der Superbike-WM sogar zweigleisig fahren, mit Zwei- und Vierzylinder-Bikes.»