Chris Vermeulen (34): «Motorsport ist eurozentrisch»
Chris Vermeulen im Gespräch mit Alex Lowes (Yamaha)
Troy Corser und Troy Bayliss wurden Superbike-Champion, Wayne Gardner, Mick Doohan und Casey Stoner triumphierten in MotoGP, viele weitere Piloten eroberten Siege und Podestplätze. Seit den Rücktritten von Bayliss, Corser und Stoner ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Auch Chris Vermeulen und Karl Muggeridge, beide Supersport-Weltmeister, fahren nicht mehr. In der MotoGP-WM 2017 sehen wir Jack Miller als einzigen Australier, bei den Superbikes ist kein Pilot aus Down Under fix dabei.
SPEEDWEEK.com versuchte zusammen mit Chris Vermeulen zu ergründen, weshalb das so ist.
Chris, die letzten Jahre schaffte es kaum ein Australier in die MotoGP- oder Superbike-WM. Was ist heute anders als früher?
Ich glaube, das hängt mit der nationalen Meisterschaft in Australien zusammen. Die letzten Jahre war es wirklich schwierig, es gab zwei Championate, die konkurrierten.
Für dieses Jahr wurde das geändert, jetzt wird es hoffentlich wieder besser. Insgesamt ist der Sport bei uns in keinem guten Zustand. Das trägt dazu bei, dass nicht so viele Zuschauer kommen.
Der Sport hat sich auch verändert mit den ganzen Cup-Klassen in Spanien und Italien, dem Red Bull Rookies-Cup und der Junioren-WM. Das gab es alles nicht, als Casey Stoner und ich in MotoGP kamen, wir waren die letzten Australier vor Jack Miller.
Heute fahren die Kids schon sehr jung Rennen, das macht es für einen Australier sehr schwierig nach Europa zu gehen und dort erfolgreich zu sein.
Um den nächsten Doohan oder Stoner zu bekommen, muss ein junger Australier die Schule Red Bull Rookies-Cup absolvieren und dann Moto3 und Moto2 fahren?
So sieht es aus. Das ist für Australier aber sehr schwierig. Stell dir vor, du musst als Eltern deinen 13-jährigen Sohn nach Europa schicken, er muss dort leben, zur Schule gehen und Motorrad fahren. Australien ist wirklich weit weg von Europa, die Kosten sind sehr hoch.
Das sind für mich die Gründe, weshalb es die letzten Jahre viel weniger Australier und Amerikaner in MotoGP und SBK gab. Der Sport ist heute sehr eurozentrisch.
Langfristig wird das zum Problem, es ist nicht interessant, wenn nur Spanier und Italiener vorne fahren.
WM-Vermarkter Dorna ist sich darüber im Klaren, es wird aber einige Jahre dauern, bis sich etwas ändert. Dorna investiert heute viel in Asien, um in andere Märkte zu kommen. Sie wissen, dass eine Startaufstellung mit zehn Spaniern, zehn Italienern und noch ein paar anderen Nationalitäten nicht verlockend ist. Sie brauchen ein oder zwei Fahrer aus so vielen Nationen wie möglich.
In der Australischen Meisterschaft wurde das Mindestalter für die Kids in der Supersport-300-Klasse auf 13 Jahre gesenkt. Das war überfällig.
Auf jeden Fall, wir liegen viel zu weit hinter Spanien, Italien, England und vielen anderen Ländern. Dort dürfen die Kinder schon in jungen Jahren Rennen fahren.
Als ich anfing, durfte ich erst Straßenrennen fahren, als ich 16 war. Da sind einige Jungs heute schon Weltmeister – ich hatte noch nicht einmal angefangen.
Dieser Schritt war notwendig, damit wir in Zukunft konkurrenzfähige Fahrer haben.
Hast du Troy Bayliss’ Sohn Oli schon Rennen fahren sehen?
Nicht auf der Rundstrecke, nur Dirt-Track. Aber wir werden ihn beim Superbike-WM-Saisonstart auf Phillip Island sehen, da wird er im Rahmenprogramm starten. Er ist ein guter Junge, hat viel Spaß auf den Dirt-Bikes – und er ist schnell.
Sein Vater war auch nicht sooo schlecht.
Hat Oli die richtige DNA?
Wir werden sehen. Troy ist dreifacher Superbike-Weltmeister, er weiß, wie es geht. Er hat nicht nur die richtige DNA, er hat auch die richtigen Verbindungen und kann Oli bereits bei den ersten Schritten helfen.
Die wichtigste Frage ist: Wie erfolgshungrig ist Oli? Will er es wirklich? Man kann nicht erfolgreich Rennen fahren, nur weil man es gerne tut und Spaß daran hat. Du musst den Erfolg mehr als alles andere wollen.
Was erwartest du von Mike Jones in seiner ersten Saison in der Superstock-1000-EM? Im Ducati-Junior-Werksteam ist er zum Erfolg verpflichtet.
Das sehe ich auch so. Wenn er nach vorne kommen will, muss er erfolgreich sein. In der Superbike-WM konnte er als Wildcard-Fahrer Punkte sammeln. Als er als Ersatz für Avintia Ducati MotoGP fuhr, war das Team glücklich. Er gab gutes Feedback und wurde auf Phillip Island 15.
Das ist nicht genug, um sich einen MotoGP-Platz zu sichern. Aber er bewies, dass er schnell ist, er ist ein Denker und arbeitet hart.