Neue Fireblade: Honda schiebt Verspätung auf Erdbeben
Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich die Motorrad-Hersteller in der Superbike-WM mit einem Team verbünden, das sich um die Logistik, die Hospitality und teilweise auch das Personal kümmert.
Kawasaki hat sich mit dem spanischen Provec-Team verbündet, Aprilia mit Shaun Muir Racing (Milwaukee), Ducati mit Feel Racing und Yamaha mit Crescent Racing von Paul Denning.
Honda vertraut seit vielen Jahren auf die Dienste von Ten Kate Racing. Der Unterschied zu den genannten Teams: Während diese Werksrenner aus der Fabrik erhalten oder zumindest viel Unterstützung im Hintergrund genießen, bekommt Ten Kate von Honda Serienmaschinen. Die Entwicklung des Motorrades liegt alleine in den Händen des Teams und dessen Partner Cosworth, der maßgeblich am Motorentuning beteiligt ist und die Elektronik entwickelt hat.
Am 6. Januar 2017 erhielten Ten Kate und Cosworth die neuen Motorräder aus Japan. Mit den genannten Hintergrundinformationen braucht sich niemand wundern, dass die ehemaligen Weltmeister Nicky Hayden (MotoGP 2006) und Stefan Bradl (Moto2 2011) die ersten drei Saisonevents hinterherfuhren und ein siebter Platz in Thailand das Highlight darstellt. In der Gesamtwertung belegen die beiden lediglich die Ränge 11 und 12.
SPEEDWEEK.com sprach mit Marco Chini, dem Racing-Manager von Honda Motor Europe, verantwortlich für die Superbike-WM.
Marco, wie konntet ihr im September in Valencia ein Promotion-Video drehen und die neue Fireblade Anfang Oktober in Köln vorstellen, das Rennteam bekam die Maschinen aber erst Anfang Januar?
Das hatte mit der Produktion zu tun, das Motorrad von Valencia war ein Prototyp.
Die Produktionsverzögerungen gab es, weil in Japan ein Erdbeben war?
Das stimmt. Es wäre einfach, sich über das Werk zu beklagen, weil wir die Bikes so spät bekamen. In Wirklichkeit haben sie aber ein Wunder vollbracht. Wäre so etwas einem europäischen Hersteller passiert, wäre es beinahe unmöglich gewesen, am ersten Rennen teilzunehmen.
Natürlich machte das unser Leben deutlich komplizierter. Wir hatten zwar vorab viele Informationen, um das Motorrad aber zu entwickeln, braucht man es in natura. Für uns war es ein Glückspiel, aber wir hatten keine andere Möglichkeit.
Nach den ersten Tests mit der Serienmaschine waren alle bei Honda begeistert – der Unterschied zwischen der Fireblade von 2016 und der neuen ist groß. Das Standardmotorrad in ein Superbike zu verwandeln, ist aber ein komplizierter Prozess. Obwohl unsere Erwartungen groß waren, müssen wir uns auch der Realität stellen. Es braucht Zeit, eine Spitzenmaschine zu entwickeln.
Ducati und Yamaha haben mit ihren Motorrädern ein Jahr in Superstock 1000 und in nationalen Meisterschaften geübt, bevor sie damit in die Superbike-WM einstiegen: Das stand für Honda nie zur Diskussion?
Der Grund, dass wir uns dafür entschieden sofort mit der neuen Fireblade anzutreten, ist, dass die bisherige Fireblade acht Jahre alt war. Wir wussten, dass das neue Motorrad ein Schritt nach vorne ist, jeder wartete auf diese Maschine. Außerdem zwangen uns die technischen Regeln dazu. Das bisherige Modell hatte serienmäßig kein Ride-by-wire, wir konnten nicht einmal daran denken, mit diesem weiterzufahren. Wir hätten einen Gasgriff mit Kabelzug montieren müssen. Das stand nie zur Diskussion.
Weil die Motorräder so spät kamen, stand auch ein Superstock-Team nicht zur Debatte. Wir haben kaum für das Superbike genügend Ersatzteile, ein Superstock-Team zu unterstützen wäre unmöglich.
Seit ungefähr 15 Jahren ist die Superbike-WM Sache von Honda Europa. Merkst du, dass die Meisterschaft mit der neuen Fireblade für Honda Japan wichtiger wurde?
Die neue Maschine sorgt für mehr Aufmerksamkeit unserer Rennaktivitäten, da bin ich mir sicher. Honda Japan zollt der Superbike-WM kaum Aufmerksamkeit, weil sie in so viele Rennaktivitäten eingebunden sind. Sie sind zurück in der Formel 1, MotoGP ist sehr fordernd, Rallye Dakar, MXGP.
Würden sie sich entscheiden, eine HRC-Struktur für die Superbike-WM aufzubauen, würde alles noch komplizierter. Deshalb überlassen sie das Honda Motor Europe.
Ist es aus genannten Gründen unmöglich, dass euch HRC oder das Motorsport Department in Japan hilft, die Maschine schneller zu entwickeln?
So kannst du das nicht sagen.
Viele der Verträge mit Zulieferern wurden mit Honda Motor Europe geschlossen. Wir sind die Schnittstelle zwischen dem Team Ten Kate und Honda Japan. Wir bekommen Anweisungen, aber auch Informationen aus Japan, gehören aber nicht zu HRC und haben damit auch keine Werksunterstützung. Das macht einen großen Unterschied aus.