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BMW-Boss Stephan Schaller: Der Totengräber des Sports

Kolumne von Ivo Schützbach
Noch-BMW-Chef Stephan Schaller

Noch-BMW-Chef Stephan Schaller

Im Juni 2012 wurde Stephan Schaller Chef von BMW Motorrad, im April 2018 wechselt er an die Spitze des Voith-Konzerns. Das Motorsport-Engagement lag ihm nie am Herzen, er setzte den Rotstift an.

Von 2009 bis inklusive 2013 leistete sich BMW in der Superbike-WM ein Werksteam, der Auftritt war mit enormen Kosten und großem Aufwand verbunden. Mit 12 Siegen, 41 Podestplätzen, 12 schnellsten Rennrunden und einer Pole-Position trugen die Bemühungen bis inklusive 2013 gegen die Hersteller aus Japan sowie Ducati und Aprilia Früchte, Marco Melandri eroberte als Dritter 2012 die beste WM-Platzierung.

Dass das Werksteam nach nur fünf Jahren beerdigt wurde, geschah auf Veranlassung von Stephan Schaller, Präsident von BMW Motorrad. Der bald 60-Jährige kam im Juni 2012 von der Schott AG und leitet seither BMW Motorrad. Zum 1. April 2018 wird Schaller Chef beim Technologiekonzern Voith.

Zunächst hat er dem Motorsport noch zugestimmt, bis er Mitte der Saison 2012 dem Projekt mit der Firma alpha Racing in Stephanskirchen den Stecker zog und die Ankündigung kam, das Team werde an BMW Italia übergeben. Marco Melandri geriet, mit der Riesenchance Weltmeister zu werden, völlig aus dem Tritt, stürzte in mehreren Rennen in Folge und vermasselte den Titel. Im Team hatte die Schocknachricht wie der Blitz eingeschlagen.

Der Wechsel zu BMW Italia wurde 2013 von BMW München als Fortführung des Werkseinsatzes kommuniziert, es wurde verzapft, dass man zum Rennsport und der Superbike-WM stehe – nur um Mitte der Saison den nächsten Stöpsel zu ziehen.

Bernhard Gobmeier, bei BMW seit dem Spätherbst 2010 für den Motorradsport verantwortlich, ging am 1. Januar 2013 enttäuscht zu Ducati, wurde aber dort bereits im Oktober desselben Jahres von Gigi Dall’Igna als General Manager Ducati Corse abgelöst.

Viele bei BMW hegen jetzt die Hoffnung, dass Schallers noch unbekannter Nachfolger mehr Herz mitbringt für das Thema Motorrad im Allgemeinen und den Motorradsport im Speziellen.

Unter Schaller wurde nicht nur das Superbike-Werksteam beerdigt, auch sonst wurde das Thema Motorsport konzernintern lieber ignoriert als gefördert, obwohl die BMW S1000RR eines der besten Superbikes ist.

Seit Schaller operieren alle BMW-Motorsportaktivitäten unter dem Banner «Kundensport». Eine Spezialistentruppe in Berlin liefert Motoren an zahlreiche Teams, dazu nach Bedarf die entsprechende Elektronik mit Manpower-Support aus der Rennabteilung in München. Damit feiert man bei BMW Motorrad in allen nationalen Serien weltweit Erfolge, bei Straßenrennen wie auf der Insel Man ist die S1000RR kaum zu besiegen.

Nur in den beiden wichtigsten Motorrad-Rennserien ist von BMW wenig bis nichts zu sehen. In die MotoGP-WM hat sich der bayerische Hersteller nie getraut, in der Superbike-WM hat die BMW-Rennabteilung trotz aller Bemühungen gegen Werksrenner von Kawasaki, Ducati, Yamaha und Aprilia nichts zu bestellen. Ohne Rückendeckung vom Vorstand ist in keiner Weltmeisterschaft etwas zu gewinnen.

Abgesehen von der jährlichen Feier der «BMW Race Trophy» findet das Thema Motorsport bei BMW kaum Beachtung. Den Marketing-Strategen scheint es erfolgversprechender, das Image auf Vintage auszurichten und auf Hipster-Kunden abzuzielen.

Als für die Saison 2015 die Superbike-WM-Teams Althea und Milwaukee mit Material ausgestattet wurden, gab es in der Marketingabteilung von BMW den großen Aufschrei, da dies für deren Verständnis ein Werksengagement darstellte, was von Schaller eindeutig untersagt wurde. Unter dem Banner «Kundensport» darf unter keinen Umständen der Anschein entstehen, BMW würde sich in einer Rennserie werksseitig einbringen.

Jahrzehntelang hatte BMW das Gummikuh-Image, pilotierten nur ältere Herren ein Motorrad aus Bayern. Dank der S1000RR wurde die Marke erstmals sportlich wahrgenommen. Doch wer keinen Sport macht, ist auch nicht sportlich. Statt das im Rennsport generierte positive Image für die Außendarstellung zu nützen, profiliert sich das BMW-Marketing als Totengräber dessen.

Leistung erbrachten die Vorgänger

Nach Zahlen ist Stephan Schaller der erfolgreichste Chef, den BMW Motorrad je hatte, der Konzern liefert jährlich ein Rekordergebnis ab. 2016 verkaufte BMW 145.032 Motorräder und Maxi-Scooter, bis 2020 sollen es 200.000 Fahrzeuge sein. Ob sich Schaller diese geschäftlichen Erfolge auf die eigene Fahne schreiben kann, ist umstritten.

Drei BMW-Modelle hatten in den letzten Jahren besonderen Erfolg, der Ruhm dafür gebührt seinen Vorgängern. Die S1000RR wurde von Herbert Diess initiiert, Urheber der R nine T ist Hendrik von Kuenheim und auch die R1200GS war bereits fertig, als Schaller das Ruder übernahm.

Nach einem halben Jahr auf seinem Posten, zu Jahresbeginn 2013, verscherbelte Schaller Husqvarna an KTM, deren Chef Stefan Pierer päppelte die Marke innerhalb kürzester Zeit auf und machte eine Erfolgsgeschichte aus ihr. Wurden 2013 nur 7000 Husqvarna-Bikes produziert, konnten 2016 bereits mehr als 30.000 Stück abgesetzt werden.

Auch die unter Schaller eingeleitete Kooperation zwischen der indischen Firma TVS und BMW wird von Insidern als Flop bezeichnet. Die BMW G310R wurde in München konzipiert und entwickelt, wird aber in Bangalore hergestellt. Erkundigt man sich bei deutschen BMW-Händlern, erfährt man, dass es kaum Interesse an diesem Bike gibt, obwohl es in der Presse beste Kritiken bekommt. Manche Händler werten diesen Schachzug von Schaller als Ausverkauf der bayerischen Motorentradition – ohne erkennbaren Nutzen für das Werk.

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