IodaRacing Project: Flops, verpokert und verbockt
IodaRacing-Chef Giampiero Sacchi
Von allen Teams der Superbike-WM 2017 fällt für kommende Saison nur IodaRacing Aprilia weg, dafür kommen Triple-M Honda und Orelac VerdNatura Kawasaki neu hinzu. Das IodaRacing-Team von Giampiero Sacchi hat sich auch aus der Supersport-300-WM zurückgezogen.
IodaRacing verabschiedete sich nach der Saison 2015 aus der MotoGP-WM zu den Superbikes. Es stand schon nach der Saison 2014 vor dem finanziellen Abgrund.
Denn Teambesitzer Sacchi hatte mehrmals hoch gepokert. Zuerst hoffte er, er könne für BMW den Brückenkopf in der MotoGP bilden. Als Jorge «Aspar» Martinez Ende 2013 von ART-Aprilia auf Honda umstieg, spekulierte Sacchi damit, 2015 oder 2016 das Aprilia-MotoGP-Werksteam zu übernehmen, deshalb wechselte er von Suter-BMW zu Aprilia. Bei diesem Deal mit Aprila Racing kam ihm aber Fausto Gresini zuvor. Und auch der Verkauf der beiden Teamplätze an Suzuki für fünf Millionen Euro scheiterte. Die Japaner lehnten dankend ab, sie bekamen die zwei Teamplätze für 2015 kostenlos, mussten aber im ersten Jahr (2015) auf die Dorna-Zuschüsse verzichten. Doch die machten maximal zwei Millionen aus.
Deshalb blieb IodaRacing nichts anderes übrig, als in die Superbike-WM umzusteigen und dort die Aprilia-Fahne hochzuhalten. Denn durch den letzten Platz im IRTA-Ranking 2015 gingen alle finanziellen MotoGP-Zuschüsse für 2016 verloren.
Viele Baustellen: Moto3, Moto2 und MotoGP
Der Abstieg des Rennstalls von Giampiero Sacchi begann 2012, als er sein Team in allen drei Klassen antreten und bei Robby Moto Engineering in Italien einen eigenen Moto3-Motor namens EMIR bauen ließ. Es wurde ein Riesenflop. Das hoffnungslose Projekt wurde am Saisonende eingestellt. Die enormen Entwicklungskosten wurden in den Sand gesetzt. Der Motor war zu schwach und nicht standfest.
Und wie war Sacchi auf den Namen EMIR gekommen? «Eines Tages stand ich an einer Tankstelle und dachte über dieses kostspielige Moto3-Projekt nach», erzählte er. «Da dachte ich: Man müsste ein Emir sein, um all diese Rechnungen bezahlen zu können.» Sacchi dürfte der Moto3-Flop mit EMIR rund eine Million Euro gekostet haben. Es war der Anfang vom Ende.
Sacchis Hintergedanke: Er wollte als Moto3-Teamchef endlich einen Werksmotor haben und um die WM fighten und sich nicht mehr mit käuflichem Material von Honda oder KTM abspeisen lassen.
Für den Beginn der Claiming-Rule-Ära 2012 konstruierte das IodaRacing-Team auch ein Stahlchassis für MotoGP-Pilot Danilo Petrucci, die selbst getunten Aprilia-Superbike-Serienmotoren waren 35 km/h zu langsam. Im September 2012 stieg Petrucci auf Suter-BMW um, Sacchi träumte davon, für die Weiß-Blauen eines nahen Tages das BMW-MotoGP-Werksteam bilden und in Geld schwimmen zu können. BMW-Manager Berthold Hauser machte ihm mit seinem Auftritt bei der Teampräsentation im Frühjahr 2013 gewisse Hoffnungen.
Als sich die BMW-Pläne in Luft auflösten, hoffte Sacchi auf die Bildung und Übernahme des Aprilia-MotoGP-Werksteams für 2015 oder 2016, auch diese Träume zerschlugen sich. Sacchi hinterließ viel verbrannte Erde – und einige offene Rechnungen. Denn einerseits zahlten manche Sponsoren (wie Pure Energy Drink 2013) ihre Rechnungen nicht, anderseits sprangen Sponsoren wie Came und Octo ab.
Schon 2013 erzählte Eskil Suter von offenen Chassis-Rechnungen aus der MotoGP-Klasse, damals fuhr Ioda mit Petrucci und Pesek. Sacchi berief sich auf ausgebliebene Sponsorzahlungen. 2014 war auch durchgesickert, dass bei IodaRacing viele bedauernswerte Mechaniker und Mitarbeiter monatelang keinen Lohn gesehen haben. Dazu gehörte auch Danilo Petruccis gleichnamiger Vater, der als Lkw-Chauffeur agierte. Die Teamvereinigung IRTA hat Sacchi damals eine Frist gesetzt: Wenn er bis 15. November 2014 die ausstehenden Löhne nicht bezahlen würde, würde ihm der Verlust des MotoGP-Teamplatzes für 2015 drohen. Schließlich bekam IodaRacing trotzdem wieder beide Startplätze für 2015, Sacchi musste nur das Gehalt von MotoGP-Crew-Chief Gianni Sandi bezahlen, der einen kugelsicheren Vertrag hatte.
Das Unternehmen IodaRacing Project leistete sich weitere Flops. Beim Katalonien-GP 2013 wurde die neue IodaRacing-Honda TR004 für die Moto3-Klasse vorgestellt, sie hatte einen Honda NSF 250R-Motor eingebaut statt des gescheiterten Eigenbau-Emir-Triebwerks. Die TR004 war die vierte Version der hauseigenen Ioda-GP-Motorräder. Das Bike wurde in Terni bei Rom von den Technikern des Teams entwickelt. Beim Chassis konnten Anleihen von den Modellen Ioda TR001 und TR002 genommen werden, sie sind 2012 bereits bei Moto3-WM Rennen eingesetzt worden – auch von Jonas Folger. Die Version TR003 war jene Claiming-Rule-Maschine mit Stahlchassis und Aprilia RSV4-Motor, die Danilo Petrucci 2012 vom Saisonstart bis September in der MotoGP-WM einsetzte, ehe er in Misano auf eine Suter-BMW wechselte.
IodaRacing fuhr 2014 mit Randy Krummenacher in der Moto2-WM auf Suter und in der MotoGP-Klasse mit ART-Aprilia und Petrucci. Für den fix engagierten zweiten Fahrer Leon Camier hatte Sacchi schon im Februar 2014 nicht mehr genug Geld, er wurde entlassen, sein Vertrag einfach kurz vor der Saison aufgelöst. 2013 fuhr Johann Zarco bei IodaRacing in der Moto2-WM noch den neunten WM-Rang heraus. 2014 folgte der Absturz in die Bedeutungslosigkeit: 20. WM-Rang mit 13 Zählern für Petrucci, 24. WM-Rang mit 24 Punkten für Krummenacher.
Wegen der fehlenden Erfolge wurde IodaRacing der erwünschte zweite Moto2-Teamplatz für 2015 vorenthalten. Sacchi wollte für die MotoGP-WM 2015 Hiroshi Aoyama engagieren, doch der Japaner zog es vor, ein Angebot als HRC-Testfahrer anzunehmen. Also wurde Alex De Angelis angeheuert. Der San Marinese und dreifache Moto2-GP-Sieger musste in der MotoGP-WM 2015 mit den lahmen ART-Aprilia-Claiming-Rule-Bikes antreten, die sich technisch auf dem Stand von 2012 befanden.
Nur Achtungserfolge in der Superbike-WM
Nach der Saison 2015 folgte wie erwähnt das MotoGP-Aus. Der Wechsel in die Superbike-WM 2016 wurde Sacchi von der Dorna schmackhaft gemacht. Die spanische Agentur hat 2012 auch das Management der seriennahen Motorradweltmeisterschaft übernommen und wollte in der MotoGP-WM nur noch seriöse Teams haben.
Weil sich Aprilia werkseitig auf die MotoGP-Klasse konzentrierte, hoffte der Ioda-Boss, mit der RSV4 in der Superbike-WM endlich Siege einfahren zu können. Immerhin holte Aprilia mit Leon Haslam und Jordi Torres beim Saisonfinale 2015 in Katar einen Doppelsieg.
Ein Trugschluss.
Zwar erreichte der von Aprilia bezahlte Lorenzo Savadori 2016 Achtungserfolge, zum Beispiel vierte Plätze in Assen und Donington Park, der aus MotoGP mitgenommen Alex De Angelis kam nach seinem schweren Sturz beim Motegi-GP jedoch nicht so recht in Schwung. Nur beim chaotischen Regenrennen auf dem Lausitzring glänzte der San Marinese mit dem zweiten Rang – der einzige Podestplatz von IodaRacing in der Superbike-WM.
IoadaRacing verspekulierte sich auch, als Aprilia für 2017 seine werksseitige Rückkehr in die Superbike-WM verkündete. Sacchi wähnte sich bereits in der Stellung eines Werksteams, doch das finanzstarke britische Milwaukee-Team bekam den Vorzug – damit musste Ioda auch auf den kostenlosen Savadori verzichten. Alex De Angelis musste sich ein neues Team suchen; er kam bei Pedercini Kawasaki unter.
Mit nur einem Motorrad startete IodaRacing in die Saison 2017, als Pilot konnte der Argentinier Leandro Mercado gewonnen werden. Doch der Superstock-1000-Champion von 2014 verletzte sich vor der Saison und verpasste die Überseerennen in Australien und Thailand. Für das angespannte Budget von IodaRacing war das ein Segen, offiziell sprach Sacchi davon, dass er aus Respekt vor seinem Fahrer keinen Ersatz aufbieten wollte.
Mercado fuhr 2017 immerhin zwölfmal in die Top-10, Rang 6 in Magny-Cours ist sein bestes Ergebnis. Außerdem holte er fünf siebte Plätze.
Als der Argentinier von Sacchi wochenlang keine Antwort erhielt, wie es 2018 weitergeht, unterschrieb er einen Vertrag im Newcomer-Superbike-Team Orelac VerdNatura Kawasaki.
Heute wissen wir: IodaRacing verschwindet ganz aus dem SBK-Paddock, auch das 300er-Team wird zugesperrt. Gegenüber ehemaligen Mitarbeitern machte Sacchi jene Sponsoren dafür verantwortlich, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen seien.