Krach ums Geld: Gary Reynders gegen NRT-Chef Khan
Da waren sie noch ein Team: Gary Reynders (re.) und Vafi Khan links daneben
Nach den beiden Überseerennen in Australien und Thailand zu Saisonbeginn kam das komplette Material der Superbike- und Supersport-Teams per Luftfracht nach Aragón. Gary Reynders, bei den ersten beiden Rennen für das Nerds Racing Team (NRT) von Jules Cluzel (Sieg in Assen, Imola und Brünn) und Thomas Gradinger als Teammanager verantwortlich, nahm das Material in Empfang, lud Dienstagabend vor dem Rennen den Team-Lkw und verschwand damit Mittwochmorgen 8 Uhr aus dem Fahrerlager.
Das sorgte natürlich für Aufsehen, zu diesem Zeitpunkt wollte sich aber niemand im Team zu den Vorgängen äußern. Erst nach und nach sickerte durch, was sich bei NRT damals abgespielt hat.
Reynders rechtfertigte das Davonfahren mit dem Lkw mit der Behauptung, dass ihm dieser gehöre. Als angeblichen Beweis legte er SPEEDWEEK.com den Kaufvertrag mit der Nummer 507 von der Splitlath Group vom 5. Dezember 2017 vor, die Rechnung ist auf seine Firma Gaz66 Ltd in Leicester ausgestellt. Uns liegen auch Rechnungen von der Yart GmbH in Heimschuh/Österreich über die Motorräder vor, die ebenfalls auf Reynders Firma ausgestellt sind. «Die Motorräder, Frachtkisten und Boxenstellwände gehören mir, sie laufen alle auf meinen Namen. 70 Prozent aller Ersatzteile gehören ebenfalls mir», sagt der Belgier.
Mittwochabend in Aragón hockten mehrere Teammitglieder vier Stunden lang auf einer spanischen Polizeiwache und meldeten das Material als gestohlen.
Donnerstagmorgen befanden sich einige Teammitglieder gemeinsam mit Gary Reynders auf der Polizeiwache, der Belgier lenkte daraufhin ein, Donnerstagnacht um 23 Uhr traf der Lkw in den indischen Nationalfarben wieder im MotorLand-Aragón-Fahrerlager ein.
«Ich fuhr den Lkw zurück ins Fahrerlager, weil Vafi Khan versprach, die Mitarbeiter und Gaz66 zu bezahlen», schilderte Reynders. «Als wir nach Aragón kamen, war keiner der Mechaniker bezahlt, die Zahlungen waren wieder einmal zehn Tage im Verzug. Außerdem schuldete er mir 26.000 Pfund, beinahe 30.000 Euro. Ständig wurde mir versprochen, dass das Geld kommt, aber es kam immer viel zu spät. Ich war es leid, vertröstet zu werden.»
«Deshalb haben wir den Lkw gepackt, dabei haben alle Mechaniker bis auf Thomas Kubiak, Frank Hörholz, Lothar Kraus und die zwei Fahrer geholfen. Vafi kann gar nicht der Eigentümer des Lkw sein, so lange er diesen nicht exportiert. Dasselbe gilt für die Motorräder», lautet die Ansicht von Reynders.
Schon vor Aragón erschien das Zerwürfnis zwischen Reynders und Vafi Khan als unüberwindlich. Seither arbeitet das Team ohne den Belgier. Gary Reynders wird vorgeworfen, seine Frau Andie als Pressedame ins Team gebracht und seinen Sohn als Reifenmann installiert zu haben. Am 11. April um 11.04 Uhr schickte Gary Reynders Vafi Khan eine E-Mail, in der er die Zusammenarbeit zwischen Gaz66 und NRT fristlos kündigte.
Während Vafi Khan im internationalen Rennsport ein unbeschriebenes Blatt ist, arbeitete Reynders in der MotoGP-WM als Crew-Chief für das Team Tech3 Yamaha für Colin Edwards und James Toseland, anschließend in der Moto2-Klasse für Tech3, 2011 und 2012 für das Grand Prix Team Switzerland mit Randy Krummenacher und anschließend für das Caterham-Team.
Betrugsvorwürfe
Reynders legte zahlreiche Rechnungen vor, die auf den Namen seiner Firma ausgestellt wurden. Er wähnt sich deshalb als Eigentümer des Trucks, der Motorräder, der Ersatzteile und so weiter. Zum überwiegenden Teil kam das Geld, mit dem das Material bezahlt wurde, aber von Vafi Khan, womit er mutmaßlicher Eigentümer ist.
«Mein Wohnsitz ist in Dubai, ich habe keine Firma in Europa», erklärte der gebürtige Inder. «Wenn du mir als Firma eine Rechnung schreibst, überweise ich das Geld und bezahle damit die Rechnung. Technisch gesehen gehört das Gekaufte mir. Ich habe Geld an Gary überwiesen, damit er Rechnungen bezahlen kann, weil er in Europa lebt. Wir mussten den Truck bezahlen, die Motorräder und so weiter.»
Kahn erhebt schwere Vorwürfe gegen Reynders. «Gary ging zu Zulieferern und sagte diesen, dass ich in Schwierigkeiten stecke und nicht in der Lage wäre, Geld zu schicken. Deshalb hat er Rechnungen auf seinen Namen ausstellen lassen. Er hatte das Geld aber bereits von mir erhalten und hat mit meinem Geld bezahlt», versicherte Vafi Khan gegenüber SPEEDWEEK.com.
Während Khan die Situation so schildert, dass Reynders lediglich als Erfüllungsgehilfe in Europa für ihn tätig war, stellt der Belgier die Situation anders dar: «Das war Sponsorgeld. Es gab nie einen Vertrag zwischen uns, dass wir in seinem Namen Material kaufen sollen. Wir mussten das Material über eine Firma im United Kingdom kaufen, um Exportproblemen vorzubeugen. Sonst hätten ihn die Sachen Tausende mehr gekostet. Er schuldet uns nach wie vor Geld für die Mehrwertsteuer und Gehälter.»
Knapp gehaltener Vertrag
Khan und Reynders sagen beide, sie seien Opfer ihrer Naivität und ihrer Gutgläubigkeit geworden. Der gemeinsame Vertrag umfasst laut Reynders nur zweieinhalb DIN-A4-Seiten und definiert nicht mal den Gerichtsstand. Unterschrieben ist der Vertrag laut Reynders von ihm selbst und Khan.
Ein Schriftstück, in dem von reinem Sponsoring die Rede ist, legte keine der beiden Parteien vor.
Jetzt geht es um die Frage, wem der Lkw und das Material gehören und wer wem wieviel Geld schuldet.
Khan: «Was er mir gestohlen hat, ist viel. Ich gehe von 100.000 bis 150.000 Euro aus.»
Reynders: «Insgesamt schuldet mir Khan 35.000 bis 40.000 Pfund.»
Im SBK-Fahrerlager wird der Verdacht geäußert, Reynders habe den Deal womöglich von langer Hand geplant, um auf Kosten von Khan Eigentümer des Materials zu werden. Beweise dafür liegen nicht vor; es gilt die Unschuldsvermutung.
Eigentümer ist für gewöhnlich, wem das für das Material aufgewendete Geld gehört hat. Khan unterstreicht, dass sein Geld, mehrere hunderttausend Euro, nie als Sponsoring gedacht war, sondern um das nötige Material zu kaufen. Stimmt die Darstellung des 29-Jährigen, muss er sich den Vorwurf gefallen lassen, sich vertraglich nicht genügend abgesichert zu haben und zu gutgläubig gewesen zu sein.
Kahn hätte rechtzeitig eine Firma für den Rennbetrieb in Europa gründen müssen, notfalls in einem Steuerdomizil in der Schweiz, Andorra oder sonst wo. Khan hätte auch ein Joint-Venture mit einem renommierten, existierenden Team vereinbaren können.