Ari Vatanen: Vom Quertreiber ins Europa-Parlament
Die erste Erinnerung des Autors an Ari Vatanen. Es war der Samstag, 23. Juli 1977, die ganze deutsche Rallye-Nation hatte sich bei der damals sehr beliebten AvD-Hunsrück-Rallye mit dem Schwerpunkt Nato-Übungsplatz Baumholder versammelt. Ein Zuschauermagnet war die Reichenbacher Brücke. Dort erlebte der Autor die Kunst des Driftens in Perfektion mit dem Hauptdarsteller Ari Vatanen im Ford Escort RS 1800 MKII. Am rechtwinkeligen Abzweig an der Brücke nutzte der bis dahin noch etwas unbekannte Vatanen beim Driften wirklich jeden Millimeter. Obwohl das rechte Hinterrad schon über dem Graben hing und der kommende Überschlag aus Zuschauersicht wohl unvermeidbar schien, schaffte es der Finne in fast wunderbarer Weise auf der Betonpiste zu bleiben. Der minutenlange Applaus der staunenden und begeisterten Zuschauer war ihm gewiss. Dieses Spektakel wiederholte er mehrmals und fuhr sich so in die Herzen der Fans. Nun war er in der deutschen Rallyeszene bekannt, international sollte er einige Kapitel in der Rallyechronik schreiben. Hinter dem späteren Sieger und Markenkollegen Reinhard Hainbach wurde Vatanen bei der «Hunsrück» Vierter.
Der spätere Abgeordnete im Europa-Parlament (2004 bis 2009) prägte die Ära der Gruppe B, die Rallye Dakar und auch das Rennen am Pikes Peak. Sein Aufstieg aber war mit dem Ford Escort RS 1600 und 1800 verbunden. Für viele symbolisiert Ari Vatanen mit dem legendären 205 T16 das Abenteuer von Peugeot Sport in Gruppe B. Der Finne wurde auch berühmt für seinen fabelhaften gefilmten Aufstieg vom Pikes Peak mit dem monströsen 405 T16 oder seine Dakar-Siege im Löwen-Team oder Citroën.
Vatanens Jahre im Ford
Aber zuerst mit Ford und dem Escort RS1600 und dann 1800 sammelte er internationale Lorbeeren. Vatanen, der hauptsächlich in Finnland und in der britischen Nationalmeisterschaft tätig war, gewann 1976 die britische Meisterschaft. Schon ab 1974 verlagerte er sein Betätigungsfeld auf die Rallye-Weltmeisterschaft, und schaffte nach drei erfolglosen Jahren 1977 in Neuseeland den Sprung aufs WM-Podium.
1980, als er zum zweiten Mal Britischer Meister wurde, feierte er im Ford Escort RS 1800 Gruppe 4 in den damals sehr bekannten Rothmans-Farben zusammen mit David Richards, dem späteren Eigner von Prodrive, bei seinem 80. Start in der Rallye-Weltmeisterschaft seinen ersten WM-Triumph bei der griechischen Rallye Akropolis. 1981 wiederholte er dort den Erfolg. Mit Siegen in Finnland und Brasilien im Talbot Sunbeam mit Guy Fréquelin als Beifahrer wurde er 1981 Weltmeister.
1982 im Ford Escort RS 1800 MII, später sowie 1983 im Opel Ascona 400 waren mehr oder weniger brotlose Jahre. Sein Teamkollege Walter Röhrl aber schaffte im Opel Ascona 400 1982 seinen zweiten Titelgewinn.
Vatanen bei Peugeot Sport
1984 wurde er von Peugeot Sport für den Sitz im legendären 205 T16 mit vielen technologischen Innovationen wie Allradantrieb, Turbomotor oder Mitteldifferenzial verpflichtet. Nach zwei erfolglosen Rallyes auf Korsika und Griechenland gewann er 1984 die letzten drei Veranstaltungen in Finnland, San Remo und Großbritannien.
1985 legte Vatanen mit dem Sieg bei der Rallye Monte Carlo einen perfekten Start in die Saison hin, die fast seine letzte Saison hätte sein können. Zusammen mit Terry Harryman folgte sein fünfter WM-Sieg in Schweden. Nach vier Ausfällen in Portugal, Kenia, Frankreich und Griechenland fuhr er in Neuseeland auf den Ehrenrang. Dann kamen Argentinien und dort sein Horror-Unfall, bei dem Vatanen wochenlang in Lebensgefahr schwebte. Er sprang dem Tod von der Schippe.
Von einem Rückzug war bei ihm nie die Rede. Nach einem Jahr Pause und dem Verbot der Gruppe B-Fahrzeuge stieg er zusammen mit Peugeot zuerst mit dem 205 T16 und später mit 405 T16 Grand Raid unter der Führung von Jean Todt bei der Rallye Dakar ein. Das Ergebnis: vier Siege in fünf Jahren für Vatanen, der letzte auf dem Citroën ZX.
Später glänzte Ari Vatanen auch auf der Bergpiste des Pikes Peak, mit einem Sieg, der 1988 mit dem Film Climb Dance berühmt wurde.
Seine letzte Rallye bestritt er in seiner finnischen Heimat im Ford Escort WRC von Konrad Schmidt mit dem elften Endplatz. Später ab 2014 kümmerte er sich um die Rallye-Karriere seines Sohnes Max.