DTM 2016: Scheider-Posse, Lachnummer und Pappnasen
TM 2016: Scheider-Posse, Lachnummer und Pappnasen
Die DTM-Saison 2016 ist vorbei. BMW-Zugeständnisse, ein enges Titelrennen, Pappnasen, Arschlöcher und all das im Rahmen einer Kirmesveranstaltung: Die Tourenwagenserie hat bei aller Kritik auch in der abgelaufenen Saison einiges geboten. Wir werfen einen Blick auf einige Highlights, ob nun positiv oder negativ.
Enges Titelrennen:
Zu meckern gibt es immer etwas. Was man aber nicht kritisieren sollte, ist der enge Titelkampf. Die Abwechslung, das Unvorhersehbare, das Auf und Ab haben der DTM eine ungewöhnliche, aber attraktive Würze verliehen.
Ein bisschen Pech dazu, ein wenig Drama, und prompt kamen gleich mehrere Fahrer für den Titel in Frage. Immerhin gab es in den 18 Rennen zehn verschiedene Sieger. Spannung bis zu den letzten Metern sozusagen. So war es dann auch im letzten Rennen, als Edoardo Mortara zwar den finalen Lauf gewann, ihm am Ende aber vier mickrige Pünktchen auf Wittmann fehlten.
Psychotricks:
Nach Moskau wurde der Ton rauer. Auslöser war in gewisser Weise der Spitzenreiter. Marco Wittmann hatte Mercedes in Moskau fehlendes Fairplay vorgeworfen, er hatte sich im Qualifying von Felix Rosenqvist behindert gefühlt. Am Ende hatte sich das als ein persönliches Gefühl des BMW-Piloten herausgestellt, das mit Daten nicht belegbar war. Doch der Vorwurf stand im Raum. Daraus entwickelten sich gleich mehrere Brandherde.
Einen Tag nach Wittmann waren es Fahrer der Stuttgarter, die sich über angeblich unfaire Bremsaktionen von Martin Tomczyk beschwerten. Eine Untersuchung der Vorfälle gab es in Moskau aber nicht. Dafür schrieb Mercedes nach Moskau eine gepfefferte Mail an den DMSB. Der Inhalt hat es in sich, vor allem Tomczyk kommt dabei nicht gut weg. Auch diese Vorwürfe waren nicht belegbar. Fazit: Die DTM ist auch 2016 kein Ponyhof gewesen.
Gary Paffett hatte zwischen Moskau und dem Nürburgring zudem in einem sehr offenen Interview mit SPEEDWEEK.com erklärt, BMW-Titel hätten einen faden Beigeschmack und so die Diskussionen um die Zugeständnisse für die Münchner wieder auf die Agenda gebracht. Ein sowieso schon kontrovers geführtes Thema ging in die nächste Runde.
Dauerthema Zugeständnisse:
Vor der Saison mutete es bereits etwas seltsam an, dass einem Konkurrenten unter die Arme gegriffen wird. Wo wird das im Rahmen eines sportlichen Wettbewerbs schon gemacht? Doch die Zugeständnisse entstanden letztendlich aus der Natur der Serie selbst.
Zur Mitte der Saison stellten die Hersteller den Antrag, einen Teil der Zugeständnisse wieder rückgängig zu machen. Der DMSB hat den Antrag abgelehnt. Gut war das Hin und Her nicht. Und natürlich auch nicht die Diskussionen, als BMW gegen Ende der Saison in allen drei Wertungen vorne lag. Audi und Mercedes kamen zu dem Schluss, dass die Zugeständnisse ein bisschen zu viel des Guten waren. Hinterher ist man halt immer schlauer. Doch klar ist auch: Wittmann hat den Titel nicht nur durch die Zugeständnisse gewonnen.
Tricks auf der Strecke:
Das Thema Teamwork war auf der Zielgerade ebenfalls ein heißes Thema. Ein Beispiel: Auf dem Nürburgring beschwerte sich Wittmann nach seinem dritten Platz am Sonntag: «Die Konkurrenz von Audi hat ein paar Fahrer schön draußen gelassen, um die Spitzengruppe aufzuhalten. Dadurch ist Edo nach vorn gekommen ich verlor vielleicht Platz zwei.»
Adrien Tambay hatte dabei den «Prellbock» für Audi beziehungsweise Mortara gespielt, der das Rennen so gewinnen konnte. Da laufen die Vorwürfe aber ins Leere. Denn diese taktischen Spiele spielten alle drei Hersteller sehr erfolgreich.
Teamorder:
Auch dieses Thema wird immer wieder aus der Mottenkiste geholt. Die einen bezeichnen es als Teamorder, die anderen als Teamplay. Um das ganze Bohei um das Vorbeiwinken (oder die Unterstützung) der Markenkollegen abzukürzen: Teamorder ist in der DTM erlaubt.
Man muss das sicher nicht gut finden, es gehört aber zum Spiel dazu. Und solange man keine befriedigende Antwort auf die Frage findet, wie man die Teamorder auf vernünftige Art und Weise verbieten kann, wird das wohl auch so bleiben.
Skidpad:
Skid-was? Was vorher nur Technikfreaks schon mal gehört haben, wurde nach Budapest zum geflügelten Wort in der DTM. Denn da war Marco Wittmann ebenso wie Mercedes-Pilot Daniel Juncadella wegen einer zu dünnen Holzplatte am Unterboden disqualifiziert.
Der Verstoß gegen das Technische Reglement kam zur Unzeit, denn sogar eine Titelentscheidung am Grünen Tisch drohte, dazu negative Schlagzeilen beim Saisonfinale. BMW und Mercedes entschieden sich gegen eine Berufung. Was aber nichts daran änderte, dass nur die wenigsten Fans die ganzen Diskussionen nachvollziehen konnten.
Silly Season:
Ist es nicht schön? Nach Jahren der Langeweile gibt es endlich mal so etwas wie eine Silly Season in der DTM, auch ausgelöst durch die Diskussionen um die mögliche Reduzierung des Fahrerfeldes.
Edoardo Mortara von Audi zu Mercedes? Felipe Massa in die DTM? Jenson Button? Wer wird gestrichen, wenn der Rotstift angesetzt wird? Macht Mattias Ekström weiter? Wer muss bei Mercedes gehen? Diese Personalien werden uns noch einige Wochen begleiten, ehe die Hersteller anfangen, frühestens im Dezember ihre Aufgebote bekanntzugeben.
Martin Tomczyk und Antonio Felix da Costa:
Die beiden BMW-Piloten haben nacheinander jeweils auf der Pressekonferenz am Freitag in Hockenheim und in Budapest bekanntgegeben, dass sie ihre DTM-Karriere beenden. Beide galten zwar sowieso als Streichkandidaten bei den Münchnern, trotzdem kommt es nicht selten vor, dass Sportler den Moment verpassen, wenn es Zeit ist zu gehen.
Das gilt vor allem für Tomczyk, der die Tourenwagenserie 16 Jahre lang entscheidend mitgeprägt hat. Er hat aber gemerkt, dass er seine Ziele inzwischen nicht mehr erreichen kann und seine Konsequenzen gezogen. Das schaffen längst nicht alle.
Posse um Timo Scheider:
Unter dem Strich war es ein unwürdiges Schauspiel, wenn auch ein emotionales. Aber da Scheider erst wenige Tage vor dem Saisonfinale am Telefon (sic!) erfuhr, dass man nicht mehr mit ihm plant, musste der 37-Jährige improvisieren. Seinen Abschied aus der DTM hätte er sich nicht nur etwas würdevoller als auf einer Pressekonferenz gewünscht, er hätte es auch verdient gehabt.
Scheider machte das Beste aus der Situation, rührte mit ehrlichen und emotionalen Worten. Und einem Abschied von seinen Fans am Rennsonntag sowie zahlreichen Reaktionen auf seinen Abschied, ob nun persönlich oder in den sozialen Medien, die ihm zeigten, dass er in den 16 Jahren nicht so viel falsch gemacht hat.
Kirmesveranstaltung:
Professionell, Fahrer auf ganz hohem Niveau und ein enger Wettbewerb: Damit wirbt die DTM gerne. Dass Fahrer wie Timo Glock immer mal wieder auf den Putz hauen (müssen) und die Serie als «Kirmesveranstaltung» oder «Lachnummer» bezeichnen, sind die Verantwortlichen teilweise selbst schuld.
Neben den üblichen Diskussionen um Strafen, die die Fahrer gerne leidenschaftlich führen, weil sie in der Regel nie selbst schuld sind, passierten aber auch einige Patzer. So wurde durch Probleme mit der GPS-Übermittlung Edoardo Mortara um Punkte gebracht.
Genau die haben am Ende gefehlt. Zur Sicherheit wurde beim Saisonfinale gleich ganz auf die Slow Zones verzichtet. Auch mit dem DRS gab es immer wieder technische Probleme. Am Norisring hatte Glock zum Beispiel das ganze Rennen über keinen Klappflügel zur Verfügung. Als er in den manuellen Modus schaltete, nutzte er es einmal zu viel und wurde bestraft. Woraufhin der BMW-Pilot seine besagten klaren Worte fand.
Verbale Attacken:
In Hockenheim beim Auftakt der Saison schoben die Beteiligten die wüsten Beschimpfungen («Arschloch», «verdammtes Arschloch») noch auf das erhöhte Testosteron nach einer langen Winterpause. Doch es ging munter so weiter.
Die «Clowns» und «Pappnasen» von Mattias Ekström in Richtung Maximilian Götz und Antonio Felix da Costa sorgten bereits am zweiten Wochenende für weitere Schlagzeilen, die etwas flapsig formulierten Verbalinjurien schlugen hohe Wellen. Und sie zogen sich durch die gesamte Saison, Ekström und Götz gerieten immer mal wieder aneinander.
Ein Höhepunkt: Das «allergrößte Arschloch», ausformuliert von Christian Vietoris am Norisring. Adressat: Ekström. Ergebnis: Eine Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro. Und eine Spende in gleicher Höhe für ein Herz für Kinder. Und die nächsten Schlagzeilen.Auch beim Saisonfinale schenkten sich die Fahrer nichts. Nachdem sich Mortara über den Fahrstil von Glock beschwerte, bot der an, dem Audi-Piloten ein paar Taschentücher mitzubringen, um die Tränen zu trocknen.
Action:
Beim Auftakt Hockenheim traute man seinen Augen kaum. Da wurde aus den Autos Kleinholz gemacht, dass alle bis auf die Hersteller ihre helle Freude hatten. Auch da hieß es: Die Jungs wollen erstmal nur ihr Revier markieren, das beruhigt sich wieder.
Die Piloten fuhren jedoch den Großteil der Saison über mit dem Messer zwischen den Zähnen, ließen es bisweilen arg krachen. Gerne auch mal mit ausgeschaltetem Hirn. Für die Fans echte Unterhaltung. Schade ist nur, dass die Autos so fragil sind, dass sie bei dem ersten ernsthaften Lackaustausch unfahrbar werden.