DTM-Rennstrategie: Der Reiz des Unberechenbaren
Alexander Bodo
Zahlen, Statistiken und blitzschnelle Entscheidungen: Das ist die Welt von Alexander Bodo (29), dem Rennstrategen des Mercedes-Teams. Als von Natur aus sehr ausgeglichener Mensch macht ihm der Druck, den sein Job mit sich bringt, nichts aus. Seine größte Herausforderung ist, das Rennen richtig zu lesen und eine gute Datenbasis zu haben, um Entscheidungen automatisieren zu können.
«Das ist entscheidend, denn unter Stress entscheide ich mich womöglich nicht für die beste Option», betont Bodo. «Das liegt in der Natur des Menschen. Wenn ich das System aber so konzipiere, dass ich auf datenbasierte Entscheidungshilfen zurückgreifen kann, dann habe ich dadurch viel gewonnen.» Entsprechend wichtig ist es, Entscheidungen und Daten effizient auszuwerten, um ihn in Stresssituationen zu entlasten und vor falschen Entscheidungen zu bewahren.
Das klingt alles andere als nach einem entspannten Samstag- oder Sonntagnachmittag an der Rennstrecke. Doch für Bodo ist es eine perfekte Kombination seiner Fähigkeiten und Vorlieben. «Ich komme eigentlich aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich. Dort habe ich mich allen voran mit mathematischen Optimierungen auseinandergesetzt», verrät er. «An meiner Aufgabe reizt mich, zu sehen, dass meine Entscheidungen und Handlungen direkten Einfluss auf das haben, was auf der Strecke passiert.»
Seine Rolle im Team ermöglicht es ihm somit, die sterile Welt der Daten mit der actionreichen Welt des Motorsports zu verbinden. Dabei holt ihn sein Beruf auch im Privatleben immer wieder ein. «Ich verreise gerne und verbinde das dann auch mal mit dem ein oder anderen Besuch an einer Rennstrecke», sagt Bodo. «Gerne bin ich in den USA, wo es neben Daytona auch viele andere tolle Motorsportschauplätze gibt.»
Die Wahl der Rennstrategie beginnt bereits bei der Vorbereitung im Vorfeld eines Rennwochenendes. Dabei gilt es, die Datenbasis der vergangenen Jahre sowie der vorangegangenen Tests und Rennen zu analysieren. Auf diese Weise wird eine erste grobe strategische Ausrichtung festgelegt. Im Gegensatz zu den Vorjahren wird sich diese Vorgabe in der kommenden Saison zu Beginn eines Rennwochenendes noch recht stark verändern, weil das Team noch relativ wenig über das Verhalten der neuen, weicheren Reifenmischung auf den individuellen Strecken weiß. «Umso mehr müssen wir die Trainings nutzen, um Daten zu sammeln, auf deren Basis wir dann unsere Strategie-Varianten ableiten können», erklärt Bodo, dessen Arbeitsaufwand 2017 dadurch noch einmal ansteigt.
Eine der wichtigsten Komponenten bei der letztendlichen Entscheidung für eine Rennstrategie ist die Startposition des Fahrers. «Die Strategie orientiert sich schon an den Fahrzeugen, die die Möglichkeit haben, zu gewinnen», so Bodo. «Das ultimative Ziel ist es, für jeden Fahrer die beste Strategie zu wählen.» Das ist bei sechs Fahrzeugen und nur drei Boxenstopp-Stationen aber praktisch unmöglich. Denn zwei Fahrer können nie zeitgleich an die gleiche Box kommen. Deshalb richtet sich die Entscheidung vorrangig danach, welcher Fahrer weiter vorne im Grid steht oder wer im Laufe des Rennens die besten Chancen hat.
Neben der Startaufstellung fließen je nach Rennstrecke noch weitere variable Komponenten in die Entscheidung mit ein - etwa das theoretische Boxenstopp-Fenster, die Boxenstopp-Standzeit oder der gesamte Zeitverlust in der Boxengasse. Dabei kann Bodo auf dynamische Systeme zurückgreifen. «Die größte Komponente wird in diesem Jahr aber wohl der Reifenverschleiß sein», sagt er mit Blick auf das neue Reglement. Denn der Verschleiß der Pneus kann insbesondere unter den Fahrern stark variieren.
Trotz dieser Fülle an Faktoren, die Bodo bei seinen Berechnungen bis ins kleinste Detail berücksichtigen muss, steht in der Regel schon kurz nach dem Qualifying fest, welchen Weg das Team zunächst gehen wird. Doch zurücklehnen kann er sich danach keineswegs. Während des Rennens gilt es noch mal so viele Einflussfaktoren zu beachten, die die mühevoll erarbeitete Strategie in Windeseile über den Haufen werfen könnten.
Ein absoluter Klassiker ist und bleibt in dieser Hinsicht das Wetter. Ganz besonders, wenn es darum geht, wann ein Fahrer von Regenreifen auf Slicks oder umgekehrt wechseln soll. «Wie und wann sich das Wetter verändert, ist eines der größten Fragezeichen bei uns», gesteht Bodo. Den vermehrten Einsatz von Slow Zones sieht er hingegen nicht als dramatisch an: «Eine Safety Car-Phase hat einen größeren Einfluss auf die Strategie als eine Slow Zone, bei der sich die Abstände zwischen den Fahrern nicht verändern.» Zumindest ein Faktor ist jedoch an jedem Renntag unveränderlich: Spannung ist in seinem Aufgabenbereich stets garantiert.