Ferrari verärgert Medien: Mauer des Schweigens steht
Dave Greenwood hat Kimi Räikkönen eben mitgeteilt, dass sie ein Video aufzeichnen müssen
Schon im Testwinter fiel auf: Ferrari hat sich offenbar zum Motto gemacht – liefern statt labern. Eine Mauer des Schweigens befremdete die Berichterstatter. Nicht nur die italienischen Medien waren baff. Mein Kollege Luigi Perna von der «Gazzetta dello Sport» urteile: «Der Testauftakt von Ferrari in Spanien war erfreulich. Leider lässt sich das nicht über die Schweigegelübte sagen, das Ferrari den Fahrern offenbar auferlegt hat. Nach einem Winter des Schweigens, in dem Ferrari praktisch untergetaucht ist, gab es unter Medien und Tifosis enormes Interesse. Statt dessen fanden wir geschlossene Münder. Es ist verständlich, dass Präsident Sergio Marchionne das so wollte, nachdem er sich vor einem Jahr mit seinen Äusserungen in die Nesseln gesetzt hat. Aber das ist zu viel.»
Perna und seine Kollegen glaubten: Wenn die Saison mal beginnt, dann wird sich das alles normalisieren. Aber davon kann keine Rede sein. Teamchef Maurizio Arrivabene hat lediglich im Rahmen der FIA-Pressekonferenzen Auskunft gegeben, wenn er quasi zum Reden gezwungen wird. Einen solchen Termin zu schwänzen, gibt vom Autoverband FIA die gelbe Karte.
Ansonsten: niente. Ein Top-Team mit einem Teamchef, der sich den Medien entzieht. Einzige Ausnahme: Wenn ihn eine TV-Kameramannschaft nach einem Rennen umstellt. Dann gibt es eine karge Wortspende, ein paar Sätze vielleicht.
Am Donnerstag in Bahrain gab es für die versammelte Medienschar von Ferrari fast nichts zu hören. Einzige Ausnahmen: Ein Exklusiv-Interview für die Sky von Sebastian Vettel. Und ein Gespräch von Kimi Räikkönen mit seinem Renningenieur Dave Greenwood, das Ferrari auf Facebook gestellt hat. Sagen wir es mal so: Weder der Finne noch sein englischer Techniker drängen sich bei ihrem Auftritt für eine Oscar-Nominierung auf.
Im Fahrerlager des Bahrain International Circuit steigt der Unmut über Ferrari. TV-Anstalten sind bei der FIA vorstellig geworden, um sich zu beschweren. So gut wie nicht oder nur mit ausgesuchten Medien zu reden, die wenigen Medienrunden zeitlich extrem zu beschränken, das ist alles arrogant und unprofessionell. Formel-1-Grossaktionär Liberty Media, der Medienprofi aus Amerika, schaut tatenlos zu. Es scheint für CEO Chase Carrey wichtiger zu sein, mit Staatschef Erdogan einen Türkei-GP aufzugleisen als Ferrari daran zu erinnern, was angemessener Umgang mit den Medien ist. Was für die Formel 1 wichtiger ist, überlasse ich dem gesunden Menschenverstand unserer Leser.
Für Ferrari ist das prima: Auch so entgehen die Italiener allfälligen kritischen Fragen. Dabei befinden wir uns in einer tollen Phase – alles läuft auf ein WM-Duell zwischen Sebastian Vettel im Ferrari gegen Lewis Hamilton im Mercedes hinaus, es gäbe also viel Positives zu berichten.
Der eine oder andere Leser wird sich fragen: Und was haben Kimi und sein Renningenieur nun dargeboten? Ein Musterbeispiel an leeren Worthülsen, Informationsgehalt knapp über null, mit Darstellern, die sich sichtlich verlegen fühlen.
Dave Greenwood: «Also, Kimi, wir sind in Bahrain. Was sind hier unsere Stärken und wo könnten wir schwächeln?»
Kimi: «Nun, wir müssen mal sehen, wie es wird. Das Wetter wird schwierig. Es ist ziemlich heiss.»
Greenwood nickt anerkennend – eine wahrhaftige Überraschung! Hitze in der Wüste, wer rechnet schon mit so was?
Kimi: «Vielleicht behandelt unser Auto unter diesen Bedingungen die Reifen besser.»
Dave: «Es ist wichtig, die Leute daran zu erinnern, dass wir im ersten Training eine Pistentemperatur von rund 50 Grad haben, im zweiten aber sind es oft nur noch 30 Grad.»
Kimi: «Das ist normal hier, daran muss man sich anpassen. Immerhin haben wir bessere Verhältnisse als in China.»
Dave: «Genau, regnen wird es wohl nicht.»
Hurra, noch eine weltbewegende Feststellung, haltet die Druckerpresse an!
Dave: «Wieso arbeitest du gerne mit mir?»
Kimi: «Ich glaube, wir haben ein gutes Arbeitsverhältnis. Uns verbindet eine ähnliche Art, mit den Dingen umzugehen. Das macht alles einfacher. Wir wollen beide nur das Beste. Und wenn es mal nicht gut läuft, dann ärgert uns das. Aber das geht allen so. Das Wichtigste ist, das wir an der Arbeit auch Spass haben.»
Das können die Journalisten beim Umgang mit Ferrari leider nicht behaupten.
Wenn das die Zukunft der Medienarbeit in der Formel 1 ist, na dann gute Nacht.