Lewis Hamilton: «Ich habe Vettel-Crash verhindert»
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton: Prost
Lewis, wieviel Unterschied macht es aus, im Hoch eines Sieges nach Monaco zu fahren, statt nach einem schwierigen Wochenende wie Russland?
Generell stelle ich meinen Kopf nach einem Rennen auf null. Du versuchst ganz bewusst, ein Wochenende wie in Sotschi aus deinen Gedanken zu verbannen. Du lernst mit der Zeit, mental mit solchen Situationen besser umzugehen. Du musste Negatives zur Seite schieben können und dich neu fürs frische GP-Wochenende einstellen.
Wir haben bald gemerkt, dass wir hier ein tolles Auto haben. Was mir auch Mumm macht: Der Wagen fühlte sich im letzten Pistenteil hier sehr gut an, also im langsamsten, und das müsste bedeuten, dass wir in Monte Carlo bei der Musik sein sollten.
Gibt es einen Unterschied im Duell zwischen dem Stallgefährten wie Nico Rosberg und gegen einen vierfachen Weltmeister wie Vettel aus einem anderen Team?
(Überlegt lange.) Das ist nicht einfach zu beantworten. Vielleicht am besten mit einem Vergleich. Ich schaue gerne Tennis im Fernsehen. Spiele wie Federer gegen Djokovic. Was ich wirklich an den Spielern bewundere, das ist, wie sie über lange Zeit dieses unglaubliche Konzentration aufrecht erhalten. Ein einziger verlorener Ball kann das Ende des Spiels bedeuten. Heute habe ich mich im Auto gegen Vettel ein wenig so gefühlt, das war genau solch ein Duell. Und das finde ich toll.
Entwickelt sich das hier langsam zu deiner Lieblingssaison?
Es ist sicher ein tolles WM-Duell, das ich erleben darf, vielleicht sogar das beste von allen. Und ich bin in einer erheblich besseren Ausgangslage als vor einem Jahr. Es macht so viel mehr Spass, gegen einen anderen Rennstall zu kämpfen als ein Duell mit deinem Stallgefährten zu haben. Ich spüre bei Mercedes keine Anspannung. Als Valtteri in Russland gewonnen hat, da habe ich mich ehrlich für ihn gefreut. Und heute hat Bottas eine wichtige Rolle als Teamgefährte gespielt, um sich gegen ein anderes Team zu wehren. Wir haben heute auch als Team gewonnen. Und auch wenn Bottas leer ausging, gebührt ihm Verdienst für seine Rolle im Rennen.
Zu Beginn des Jahres hatten wir den Eindruck, dass es dir nicht leicht fällt, dich hinter einem Ferrari zu halten. Vor allem, was das Reifen-Management angeht. Heute war das anders. Wieso?
Ich war zunächst mal zum Schluss des Rennens auf einer anderen Mischung unterwegs. Das hat eine Rolle gespielt. Ich habe auch den Eindruck, dass die ganzen Verbesserungen an unserem Auto es leichter gemacht haben, einem Gegner zu folgen. Wir haben auch beim Test in Bahrain Fortschritte beim Verständnis der Reifen gemacht. Es ist noch immer schwierig, einem Gegner zu folgen und ihn zu überholen. Aber heute war es seltsam – es gab Kurven, da war ich schneller, es gab Kurven, da war er schneller. Aber ich war selber überrascht: Auch als ich innerhalb von zwei Sekunden hinter einem Gegner war, könnte ich nicht sagen, dass das Fahrverhalten meines Autos dramatisch beeinträchtigt worden ist. Ich konnte dranbleiben. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir heute unterm Strich einfach das schnellere Auto hatten.
Hat die um hundert Meter verlängerte DRS-Zone sehr geholfen?
Unsere Ingenieure haben errechnet, dass die hundert Meter am Anfang der Geraden umgerechnet zum Schluss für eine Attacke fünf Meter mehr Raum schenken. Als Vettel aus der Box kam, lagen wir praktisch gleichauf. Hätte ich meinen Flügel erst hundert Meter später aufmachen, hätten mir diese paar Meter vielleicht gefehlt, schwer zu sagen. Es bleibt hier generell sehr schwierig, einen Gegner zu überholen. Aber die Zone zu verlängern, war klug.
Am Funk hast du ein wenig atemlos gewirkt. Ist das aufgrund der höheren Belastung mit den 2017er Autos oder wegen der Intensität des Duells mit Sebastian?
Wegen der Intensität. Ich war wirklich auf Messers Schneide. Ich würde sagen – 63 von 66 Runden waren volle Kanne, mehr ging wirklich nicht.
Du scheinst dich derzeit mit Sebastian sehr gut zu verstehen. Rechnest du mit einer Veränderung, wenn es richtig hart wird gegen Ende der Saison?
Heute hatten wir ein tolles Duell, aus dem beide unversehrt hervor gegangen sind. Hätte der Zweikampf einen anderen Verlauf genommen, würde ich vielleicht anders sprechen. Wären wir zusammengerasselt, ich wäre draussen gelegen, er hätte gewonnen, dann würde ich mich sicher nicht hersetzen und sagen – toller Job, Sebastian! Er war aggressiv, aber ich habe eine Kollision verhindert. Ich habe unser Duell geliebt. Ich finde, es war sauknapp, aber wir sind immer noch respektvoll miteinander umgegangen. Er ist phantastisch gefahren, aber er hat mir nach dem Rennen gesagt – ich bin sauer! Ich kann das gut verstehen. Wir sind beide aus dem gleichen Holz geschnitzt, wir sind Racer, und ich kann mich gut in ihn hineinfühlen. Hätte er mir gesagt, es würde ihm nichts ausmachen, Zweiter zu werden, dann würde ich mir um ihn Sorgen machen!