Toto Wolff: Was Hamilton und Vettel so gut macht
Lewis Hamilton mit dem Helm von Ayrton Senna
War Toto Wolff überrascht davon, welche tolle Runde Lewis Hamilton im Abschlusstraining von Kanada aus dem Hut zauberte? Der Wiener schmunzelt: «Nein, es gibt einfach Tage, da merkst du, wieso Lewis ein ganz besonderer Rennfahrer ist. Und hier in Kanada ist er meist überragend. So auch im jüngsten Abschlusstraining. Ich fand, der leuchtend gelbe Helm, den er heute erhalten hat, ist die beste Bestätigung dafür, was wir von den Quali-Qualitäten von Lewis halten.»
Es ist nicht nur glasklar, welch vorzügliches Rennauto Ferrari 2017 gebaut hat. Vettel und Räikkönen fällt es offensichtlich auch leichter, die Reifen im besten Wirkungsfenster zu halten, als den Piloten von Mercedes.
Das führte zur Unterstellung: Sind die Pirelli-Reifen dieser Saison auf Ferrari massgeschneidert worden?
Mercedes-Teamchef Toto Wolff wiegelte sofort ab: «Ferrari schafft es besser als wir, die Walzen optimal zum Arbeiten zu bringen. Wenn sie das können, müssen wir das auch können.»
Pirelli-Firmenchef Marco Tronchetti Provera: «Die Reifen sind für alle gleich. Mercedes hat grosse Erfolge gefeiert, derzeit spüren sie ein wenig Gegenwind. Aber ich bin überzeugt davon, dass die bald wieder vorne mitfahren. Der Grund für die guten Leistungen von Ferrari ist schlicht, dass dieses Team ein hervorragendes Auto gebaut hat. Vielleicht hat dieser Fortschritt einige Leute überrascht. Wir sollten diese Leistung anerkennen.»
Sebastian Vettel hat immer als Erster die Hand hochgehalten, wenn es darum ging, sich freiwillig für Reifentests zu melden. Und Provera sagt denn auch: «Sebastian Vettel hat unheimlich seriös gearbeitet, was die Entwicklung der 2017er Reifen angeht, er hat sich uns ständig zur Verfügung gestellt, andere waren nicht so oft verfügbar.»
Durch die Blume bestätigt Provera, was der frühere Ferrari-Werkspilot Stefan Johansson schon vorher wusste: «Ich habe im Spätsommer 2016 vorhergesagt – ich wette darauf, dass es von Vorteil sein wird, wie sich Sebastian Vettel in die Testarbeit mit Pirelli reinhängt. Er war der einzige Top-Fahrer, der sich in dieser Weise engagiert hat. Ich war überzeugt davon, das wird sich für Vettel und damit für Ferrari auszahlen, und genau danach sieht es nun aus.»
«Es fällt mir schwer zu verstehen, wieso sich die anderen Piloten diese Gelegenheit entgehen liessen. Wenn es eine simple Abkürzung zur besseren Rundenzeit gibt, dann über die Reifen. Je mehr Verständnis du im Umgang mit den Pirelli-Walzen gewinnen kannst, desto besser. Es wird noch vorteilhafter, wenn du wie Vettel sogar Einfluss auf die Entwicklung hast.»
«Ich kann es nicht genug betonen: Das war einer der Gründe für die Dominanz von Michael Schumacher mit Ferrari. Michael fuhr Tag und Nacht mit den Bridgestone-Reifen herum, und am Ende kam ein japanisches Produkt heraus, das auf ihn massgeschneidert war. Viele andere Piloten hatten ihre liebe Mühe, die Walzen zum Arbeiten zu bringen, aber zu Schumi haben sie perfekt gepasst.»
Toto Wolff muss sich die Frage gefallen lassen: Wieso hat Mercedes versäumt, bei den Reifentests weitgehend auf die Stars Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu verzichten?
Der Wiener antwortet: «Unsere Position war im vergangenen Jahr anders als jene von Ferrari. Wir waren voll in dieses Team-interne WM-Duell zwischen Rosberg und Hamilton eingebunden. Da wollte sich keiner der beiden Fahrer übermässig um die Entwicklung künftiger Reifen kümmern.»
«Ich glaube aber – nur ganz selten findest du in der Formel 1 quasi den Stein der Weisen, der den entscheidenden Vorteil bringt. Es geht mehr darum, ganz viele kleine Details zu einem entscheidenden Vorteil zusammenzusetzen. Was ich jetzt sagen werde, ist eine Hypothese. Aber vielleicht haben die Glaubwürdigkeit von Sebastian Vettel als Entwickler und seine Aussagen über die Reifen dazu geführt, dass dies bei Pirelli einen Einfluss hatte. Vielleicht hört Pirelli mehr darauf, was ein erfahrener Fahrer sagt als auf einen jüngeren Piloten. Aber nochmals: Dafür habe ich keine Belege, das ist nur eine Mutmassung von mir persönlich.»