Christian Horner: Sebastian Vettel kann nicht anders
Sebastian Vettel mit Dr. Helmut Marko und Christian Horner
Die britischen Boulevardblätter haben sich wirklich Mühe gegeben, Sebastian Vettel in der Rolle des bösen Deutschen zu schubladisieren. Wenn wir die Reaktion der meisten Fans bei der Formel-1-Show in London und an der Rennstrecke von Silverstone als Massstab heranziehen, dann ist dieser Plan grandios gescheitert. Mit seiner Schlagfertigkeit und Fan-Nähe hat Vettel in London gepunktet, zumal sein WM-Rivale Hamilton die Formel-1-Show in der britischen Hauptstadt geschwänzt hat. Pfiffe gab es für den Abwesenden, kaum für den Ferrari-Star.
Vettel hat das wenig verblüfft: «Ich wusste, dass das keine grosse Geschichte werden würde. Die Fans von Silverstone sind mit mir immer fair umgegangen. Ein so fachkundiges Publikum schätzt die Piloten, weil sie dem Sport leidenschaftlich gegenüberstehen. Zumal gibt es auch in Grossbritannien viele Ferrari-Fans.»
Was hingegen auch im Fahrerlager von Silverstone ein Thema bleibt: Wie Vettel auf einem Standpunkt beharrt, selbst wenn die meisten anderen Fachleute vom Gegenteil überzeugt sind. Mich erinnert das oft an Michael Schumacher. Oder, über die deutschen Grenzen hinaus, an Ayrton Senna.
Einer, der Sebastian Vettel seit Jahren kennt, ist Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner. Meinem Kollegen Andrew Benson von der BBC verrät der Engländer: «Sebastian macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er ist ein einem unheimlich intensiven WM-Kampf verwickelt. Er wittert die Chance, den fünften Titel zu erringen. Und er weiss, dass er gegen Mercedes alle Hebel in Bewegung setzen muss, um dieses Ziel zu erreichen.»
«Wenn er sagt, was er denkt, dann gibt es keinen zwischengeschalteten Filter. Bei seinen Taten hin und wieder auch nicht. Aber das bringt ihn halt in die Bredoullie.»
Auch Horner schlägt eine Brücke zwischen dem siebenfachen Formel-1-Champion aus Deutschland und dem vierfachen Weltmeister: «Sebastian hat einen unfassbaren inneren Antrieb. Rekorde bedeuten ihm viel. Michael Schumacher war sein Idol. Was wir erleben, das ist ein gelegentliches Überborden dieses Killerinstinkts, dieses absoluten Willens zu siegen. Vettel kommt dann jeweils als verdorben rüber, aber die Leute müssen auch versuchen, sich ein wenig in seine Position zu versetzen. Ich meine, er hat bei seinem Rennstall mitgeholfen, dass Ferrari um den Titel fährt. Das zeichnet einen grossen Fahrer aus.»
«Ferrari ist zudem ein emotionales Team, Latinos eben, und das giesst nur zusätzlich Benzin ins Feuer der Leidenschaft. Das ist nichts Schlechtes. Das alles zeigt nur, dass Sebastian auch nur ein Mensch ist. Und dass er unheimlich hungrig ist, sein Ziel zu erreichen.»
«Das Verhalten im Team wird auch vom Chef geprägt. Firmenchef Sergio Marchionne hat einen eigenwilligen Führungsstil. Er ist sehr unverblümt. Das färbt ab. Du hast als Aussenstehender den Eindruck – Ferrari ist ein Dampfkochtopf mit ordentlich Druck im Kessel, ganz besonders in dieser Phase.»