Sebastian Vettel – Lewis Hamilton: So geht es weiter
Lewis Hamilton vor den Ferrari in Silverstone
Mercedes-Benz war in Silverstone bärenstark, Ferrari konterte auf dem Hungaroring mit einem astreinen Doppelsieg, das Pendel zwischen den beiden Top-Teams schwingt hin und her. Die Frage ist: Wie geht das weiter?
Was wir in den Rennen von Melbourne bis Budapest gelernt haben, sollte uns eine Ahnung verschaffen, was von Spa-Francorchamps bis Abu Dhabi passieren wird.
Das Faszinierende beim WM-Duell zwischen Ferrari und Mercedes: Hier treten zwei komplett verschiedene Fahrzeuge gegeneinander an, die zu ähnlich tollen Ergebnissen führen.
Generell passen engere Rennstrecken wie der Hungaroring besser zum Ferrari. Auch auf Pisten mit glattem Asphalt wie Monaco sind die Italiener im Vorteil. Mercedes hingegen kann auf Strecken mit langen Geraden einen Power-Vorteil ausspielen, auch schnelle Kurven wie in Silverstone kommen dem Silberpfeil zugute.
In Sachen Abstimmung ist der Ferrari einfacher handzuhaben als der Mercedes. Nicht zufällig hat Mercedes-Teamchef Toto Wolff das Auto eine Diva genannt. Wenn das Setup passt, sind Lewis Hamilton und Valtteri Bottas Sieganwärter. Wenn jedoch die Fahrzeugbalance nicht perfekt ist, dann tun sich die beiden GP-Asse schwer, die Reifen im besten Betriebsfenster zu halten.
Nach der Schlappe in Monaco hat Mercedes sehr intensiv an diesem Problem gearbeitet und grosse Fortschritte gemacht.
Der längere Radstand des Mercedes beeinflusst direkt das Verhalten der Pirelli-Walzen. Der Wagen neigt dann eher zum schlagartigen Übersteuern als der Ferrari. Lewis Hamilton in Ungarn: «Bis zu einer gewissen Grenze fühlt sich der Wagen prima an. Aber wenn du gezwungen wirst, mehr aus dem Auto zu pressen, dann bist du auf Messers Schneide.» Der Wagen beginnt, in gewissen Kurven zu untersteuern, oder er schmiert über die Hinterachse urplötzlich weg – ein Phönomen, das wir mit der neuen Modellgeneration in Kombination mit den 2017er Pirelli ab Australien entdeckt haben.
Der Ferrari als grundsätzlich gutmütigeres Auto ist ein Rennwagen, der auf allen Rennstrecken zuhause ist. Besonders stark ist das Fahrzeug von Vettel und Räikkönen auf engen Kursen, wo auch gute Traktion aus den Kurven heraus gefragt ist.
Wie also geht es weiter?
Die kommenden schnellen Kurse wie Spa-Francorchamps und Monza müssten von der Papierform eine Beute der Mercedes-Fahrer werden. Natürlich kann besonders in Belgien das Wetter ein Faktor werden: Wir haben in den Ardennen schon Temperaturen von jenseits 30 Grad erlebt, bei herrlichem Sonnenschein. Es hat aber auch schon waagrecht geschüttet, bei klammen 15 Grad. Ein Regenrennen wirft ohnehin alles über den Haufen.
Singapur sollte eher Ferrari favorisieren, selbst wenn Mercedes 2016 dort stärker gewesen ist als beim völlig verpatzten GP-Wochenende 2015.
Malaysia ist schwer einzuschätzen: Wir würden sagen – 50:50. Bei normalerweise heissen Temperaturen fühlt sich der Ferrari sehr wohl, die schnellen Kurven hingegen passten gut zum Mercedes.
Suzuka ist von der Art her wie Silverstone, Vorteil Mercedes. Auch in Malaysia und Japan sind Regenrennen nicht unüblich.
USA bietet eine Mischung aus allen Kurvenkombinationen, auch in Texas sollten die schnellen Bögen Mercedes favorisieren. In Mexiko und Brasilien würden wir erneut sagen 50:50, Abu Dhabi war in den letzten Jahren fest in Mercedes-Hand.
Anders gesagt: Wenn Mercedes es schafft, die Diva gutmütig zu stimmen, dann wird es Ferrari schwer haben. Wenn die Mercedes-Fahrer mit der Abstimmung hadern, können Vettel und Räikkönen dank ihrem Allrounder zuschlagen.
Noch neun Rennen sind zu fahren, und wenn wir alle gemeinsam betrachten, wird es so kommen, wie Mercedes-Teamchef Toto Wolff vermutet: «Das bleibt ein Duell, bei dem es um Nuancen geht – welche dann den Ausschlag über Sieg oder Niederlage geben. Alles ist offen.»
Siege 2017: Vettel und Hamilton vorne
Sebastian Vettel 4 (Australien, Bahrain, Monaco, Ungarn)
Lewis Hamilton 4 (China, Spanien, Kanada, Grossbritannien)
Valtteri Bottas 2 (Russland, Österreich)
Daniel Ricciardo 1 (Aserbaidschan)
Mercedes 6
Ferrari 4
Red Bull Racing 1
Doppelsiege: Mercedes in Kanada und Grossbritannien, Ferrari in Monaco und Ungarn