Lewis Hamilton: «War das Absicht von Vettel?»
Lewis Hamilton und Sebastian Vettel
Lewis Hamilton hätte in Mexiko Rang 5 zum Titel gereicht, selbst bei einem Sieg von Sebastian Vettel, aber der Engländer hatte klargestellt: Er will als Racer zum Titel fahren, nicht als Rechner.
«Ich fahre hier auf Sieg, um genau zu sein, will ich die letzten drei Rennen des Jahres alle gewinnen», liess der Mercedes-Star wissen, bevor er in seinen Silberpfeil kletterte.
Und dann wurde es eher Krampf als Kampf: Kollision ausgerechnet mit Vettel kurz nach dem Start, als Lewis die Gelegenheit ergreifen wollte, von Duell Verstappen gegen Vettel zu profitieren.
Vettel fuhr vom zweitletzten Rang hoch zu Platz 4, aber das reicht nicht. Er hätte Zweiter werden müssen.
Hamilton kämpfte sich zurück auf Rang 9. Über Funk hatte er gefragt, ob Vettel ihm vielleicht absichtlich den Reifen aufgeschlitzt habe.
Sky-Experte Martin Brundle: «Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Für Vettel wäre das Risiko viel zu gross gewesen.»
Als Hamilton TV-Interviews gab, kam Vettel zum Gratulieren vorbei, der ganze Argwohn war verflogen.
Erste Worte von Hamilton, als er ausgestiegen war: «Wow. Danke für alle, die mich immer unterstützt haben. Ich weiss nicht, was da nach dem Start passiert ist. Ich fand, ich gab allen genügend Raum. Es ist nicht das Rennen, das ich zeigen wollte. Klar hätte ich gerne den Titel mit einem Sieg eingefahren, aber heute hat es nicht sollen sein.»
«Mein erster Dank gilt meiner Familie. Dann allen Menschen, die mich begleitet haben. An Ron Dennis, der immer an mich geglaubt hat. Dann wechselte ich zu Mercedes, und viele glaubten, das war keine gute Entscheidung. Aber ich habe immer an das Projekt Mercedes geglaubt.»
«Ich frage mich, wie viele Menschen hier drin sitzen, die damals gedacht habe, das war ein Fehler mit Mercedes. Umso cooler finde ich, was wir nun alles erreicht haben.»
«In solchen Momenten gehen dir viele Szenen von früher durch de Kopf. Du denkst daran, wie du im Rennsport gross geworden bist, und du fühlst sich so dankbar.»
Wie fühlte sich Hamilton nach der Kollision mit Vettel? «Als ich im Rennen nach der Kollision so weit hinten lag, habe ich mir immer gesagt – gib nicht auf! Gib nicht auf! Und das habe ich durchgezogen.»
«Die Vier ist für mich eine magische Zahl, hm, eigentlich ist es die 44, aber ich glaube nicht, dass ich so viele Titel hole! Was der vierte Titel bedeutet? Puh, als ich Kart fuhr, konnte ich mir noch nicht mal richtig vorstellen, Formel 1 zu fahren, geschweige denn vierfacher Weltmeister zu sein. Ich stelle mir gerne vor: Zuhause sitzen die Kids und träumen davon, ebenfalls Weltmeister werden. So wie ich damals davon träumte, ein Grand-Prix-Fahrer zu werden. Wenn ein Bub aus einem kleinen englischen Ort Weltmeister werden kann, dann können es andere Jungs auch. Ich würde gerne glauben, dass ich eine Inspiration bin.»
«Was nach der Vier kommt? Natürlich die Fünf!»
Klar wird Hamilton nochmals auf Vettel angesprochen. Hamilton: «Ich nehme die Negativität dieser Frage und schleudere sie zurück. Ich wollte einfach nach dem Vorfall das bestmögliche Rennen fahren. Ich wollte nicht zu aggressiv fahren in der ersten Runde. Ich liess viel Raum offen. Ich konnte nicht verstehen, dass ich berührt werden. Klar war ich erstaunt. Aber er ist selber vierfacher Weltmeister, und es fällt mir schwer zu glauben, dass er so was machen würde.»
«Und dann das Duell mit Fernando! Ich dachte im Auto – der Kerl ist so eisenhart! Das ging hin und her und hin und her. Das war ein grandioses Duell, und ich hoffe, in Zukunft haben wir noch mehr davon.»
Hand aufs Herz: Sinkt es langsam ein, dass nur Fangio und Schumacher mehr Titel haben? Lewis: «Nein, ich bin noch völlig von den Socken. Auch dass ich jetzt der erfolgreichste Brite bin, also in Sachen WM-Titel. Das raubt mir den Atem. Ich bin so dankbar für all die Unterstützung so vieler Menschen. Nur dank ihnen war das möglich.»
Musste sich Hamilton gegen Vettel 2017 mehr strecken als bei den anderen Titeln? Lewis: «Du kannst das kaum vergleichen. Die Herausforderung war einfach eine andere. Ich fand es schöner, wie 2008 gegen ein anderes Team zu kämpfen. Aber gegen einen vierfachen Champion zu kämpfen, das war noch toller. Wenn schon Weltmeister werden, dann nach so einem Kampf.»
Was war in diesem Rennen das Schwierigste? «Ich kann gar nicht sagen, wie schwierig es war, den anderen Autos zu folgen. Ich hoffe wirklich, dass wir für die Zukunft Fahrzeuge haben können, die es einfacher machen, sich auf die Vorderleute zu werfen.»
«Ich habe mich zwischendurch immer wieder erkundigt, wo Vettel liegt. Ich wusste, dass er Ränge gutmacht, aber mir war nicht klar, ob es für ihn reichen würde, Platz 2 zu erreichen.»
«Ich fragte auch, wo ich landen könnte und erhielt die Antwort – auf Rang 8. Das hat nicht geklappt, aber das spielte am Schluss keine Rolle.»
«Es wäre in diesem Rennen sehr einfach gewesen, die Hoffnung fahren zu lassen. Aber ich wollte nicht aufgeben. Das erinnert mich an die Zeiten früher im Kartsport. Da gab es auch Situationen, in welchen es schwierig ausschaute. Aber dann habe ich mich durchgebissen.»
Hamilton scheint es wirklich zu geniessen, gegen Vettel zu fahren. Auch wenn ab und an die Karbonteile fliegen. Lewis lacht: «Nun, wir sind ja keine Kinder mehr. Und im Sport sind nun mal die grossen Duelle das Salz in der Suppe. Vettel ist in den letzten Jahren so stark gefahren und so konstant, klar macht es am meisten Spass, sich mit so einem Piloten zu messen.»
«Gewiss fühlte ich mich nach Baku seltsam, als er mir ins Auto fuhr. Und auch zu Beginn dieses Rennens hier hatte ich ein seltsames Gefühl. Aber das ändert nichts daran, dass ich es geniesse, gegen ihn zu fahren. Und ich hoffe auf viele weitere Duelle.»