Sergey Sirotkin (Williams): Pay-Driver reine Lüge?
Eigentlich hätte SMP Racing schon vor Jahren in die Formel 1 kommen müssen – als Teil des Schweizer Sauber-Rennstalls. Und das kam so: Sauber und Ferrari verbindet seit Jahren ein festes Band, das auf eine Freundschaft zwischen Teamchef Peter Sauber und dem Franzosen Jean Todt zurückgeht, der zunächst Rennchef von Peugeot und dann bei Ferrari war. Im Langstreckensport freundeten sich der Zürcher und der Franzose an.
Sauber ist seit 1997 Ferrari-Kunde, nur unterbrochen durch jene Phase, als der Hinwiler Rennstall in BMW-Händen war (2006 bis 2009).
Über Ferrari sind Peter Sauber und die damalige Teamchefin Monisha Kaltenborn mit Boris Rotenberg in Kontakt gekommen: Der heute 60 Jahre alte Russe trat mit eigenem Auto in der «Ferrari Challenge» an. Der Selfmade-Millionär gilt als enger Freund von Staats-Chef Vladimir Putin, die beiden haben gemeinsam Judo gelernt. Boris Rotenberg (russisch-finnischer Doppelbürger) ist noch heute stellvertretender Präsident des russischen Judo-Verbands.
Rotenberg hat sein Vermögen in der Baubranche gemacht, vorwiegend mit der Konstruktion von Gasleitungen (daher eine enge Verbindung zum Staats-Konzern Gazprom) sowie von chemischen Anlagen und Produkten. Der Vater zweier erwachsener Söhne ist geschieden. Roman Rotenberg (36) ist selbständiger Unternehmer, Boris Rotenberg junior (31) wurde Fussball-Spieler (gegenwärtig bei Lokomotive Moskau).
Rotenberg hat sein Vermögen in der Baubranche gemacht, vorwiegend mit der Konstruktion von Gasleitungen (daher eine enge Verbindung zum Staats-Konzern Gazprom) sowie von chemischen Anlagen und Produkten.
Zusammen mit seinem älteren Bruder Arkady Rotenberg besitzt Boris die SMP (eine 2001 gegründete Bank); darüber hinaus gehört den Rotenbergs die «SGM Group», in welcher die Bau-Aktivitäten gesammelt sind (vorwiegend Stahl-Leitungen für Gazprom).
Die Bank SMP operiert in rund 40 russischen Städten mit mehr als 100 Geschäftsstellen, die Hälfte davon alleine im Grossraum Moskau, Ableger gibt es auch in Lettland. SMP betreibt mehr als 9000 Bank-Automaten und hat sich nach zwölf Jahren unter die 40 grössten Finanz-Institute von Russland geschoben.
SGM steht für «Stroy Gaz Montazh» (Strom, Gas, Montage) – die Gruppe ist der Haupt-Auftragnehmer des Industrie-Riesen «Gazprom» zum Bau von Öl- und Gas-Leitungen. Gazprom wiederum ist das grösste Erdgasförder-Unternehmen der Welt (Umsatz 2011: 120 Milliarden Euro) und der grössten Arbeitgeber Russlands (rund 450.000 Fachkräfte). Der russische Staat hält 50 Prozent am Unternehmen Gazprom plus eine Aktie, im Aufsichtsrat hält die Regierung die Mehrheit der Sitze. Die Beziehung zwischen Gazprom und SMP/SGM gründet auf der Freundschaft zwischen Putin und Rotenberg. Sergej Zlobin, der erste Russe in einem Formel-1-Rennwagen (mit Minardi), ist bis heute im Dunstkreis von Gazprom und SMP geblieben: Er fuhr mit Rotenberg im Ferrari Langstrecken-Rennen.
Und dieser Boris Rotenberg wollte den jungen Sergey Sirotkin bei Sauber einschleusen, allerdings nicht von SMP finanziert. Doch die 2013 angekündigte Kooperation mit einer Reihe von russischen Partnern (Investment Corporation International Fund, State Fund of Development of Nortwest Russian Federation sowie National Istitute of Aviation Technologies) platzte. Mit deren Hilfe sollte die langfristige Zukunft des einzigen Formel-1-Rennstalls mit Sitz in der Schweiz gesichert werden. Als Gegenzug sollte der junge Russe Sergej Sirotkin aufgebaut werden. Über die wahren Hintergründe zum Scheitern dieses Bündnisses wird bei Sauber bis heute nicht gesprochen.
Als Williams bestätigte, dass Sergey Sirotkin 2018 für Williams fahren wird, reagierten viele Formel-1-Fans ablehnend: Noch ein Bezahlfahrer, prima.
Doch SMP-Chef Rotenberg wehrt sich gegen die Darstellung, sein Schützling sei ein Pay-Driver. In der russischen Fontanka regt sich der Unternehmer auf: «Allen Leuten, die behaupten, Sirotkin hätte einen Platz in der Formel 1 erkauft, dennen kann ich sagen – das ist eine glatte Lüge. Wahr ist, dass Sergey einfach schneller gewesen ist als Robert Kubica. Der Junge hat fünf Jahre lang geschuftet, seit er in unser Programm gekommen ist. Das Geld hat für die Verpflichtung bei Williams nicht den Ausschlag gegeben.»
«Rennsport ist nicht billig. Und er ist auch kein Spielzeug für mich, um ein wenig Spass zu haben. Ja, es fliesst Geld zu Williams. Aber das stecken wir in die Entwicklung des Autos.»
Der 22jährige Sirotkin war 2017 Reservist bei Renault. Hätte Rotenberg Sergey nicht lieber bei den Franzosen gesehen? «Nein, Williams ist historisch das bedeutendere Team. Sie sind mehr auf Ergebnisse konzentriert.»
Rotenberg glaubt nicht, dass Sirotkin wegen Williams-Financier Lawrence Stoll auf verlorenem Posten steht, weil der kanadische Geschäftsmann seinem Sohn Lance einen Platz gekauft hat. «Auf der Piste ist jeder alleine. Ich habe Sergey gesagt, er solle jedes Rennwochenende so angehen, als wäre es sein letztes.»