Kimi Räikkönen: Von Ferrari als Bauernopfer benutzt
Patrick Bruce Reith «Pat» Symonds ist mit seinen 64 Jahren ein Formel-1-Urgestein – zusammen mit Teambesitzer Ted Toleman stieg er anfangs der 80er Jahre von der Formel 2 in den Grand-Prix-Sport hoch. Aus Toleman wurde Benetton, bei Benetton war Pat bei den ersten zwei WM-Titeln von Michael Schumacher dabei. Aus Benetton wurde Renault, Pat, nunmehr als leitender Ingenieur, betreute Fernando Alonso bei dessen beiden Titeln. Später wurde Symonds Technikchef bei Williams, heute arbeitet er als technischer Experte für «Formula One Management».
Auch der Engländer hat sich die Formkurven der Rennställe sehr genau angesehen, seit wir von den Wintertests in Barcelona in den vermeintlichen Spätsommer von Australien reisten (schnelle Wetterwechsel sind in Melbourne berüchtigt). Symonds weilte in der Wüste von Bahrain und ausserhalb von Shanghai. Nach zwei Wintertests und drei WM-Läufen auf komplett unterschiedlichen Rennstrecken stellt Pat zunächst den drei Top-Teams sein Zwischenzeugnis aus.
Red Bull Racing: Umwerfend
«Es ist offensichtlich: Noch fehlt etwas zum Leistungsniveau von Ferrari und Mercedes. Was mich in China so gefreut hat: Das war ein Volltreffer der Mannschaft. Sie haben eine schwere Entscheidung schnell und mit vollem Risiko getroffen, und sie wurden durch den Sieg belohnt. Und wie Daniel Ricciardo diese Strategie umgesetzt hat, erste Sahne! Es ist wirklich umwerfend, wie dieser Bursche überholen kann.»
«Max hat kein Jota seines Talents verloren. Gut, er hat ein paar doofe Fehler gemacht, aber das ist kein Grund, auf ihm herumzuhacken. Er ist ein herrlich aufregender Fahrer. Ich glaube, Red Bull Racing hat zwei Piloten, die das Zeug zum Weltmeister mitbringen. Ob dieser Sieg reicht, um Daniel zum Bleiben zu bewegen, weiss ich nicht. Vielleicht wäre es Zeit für einen Tapetenwechsel. Seine Situation erinnert mich an jene von Lewis Hamilton, bevor er den Schoss von McLaren verliess und zu Mercedes wechselte. Ich hoffe nur, Daniel trifft die richtige Wahl.»
Ferrari: Beeindruckend
«Im Rahmen der Wintertests hoffte ich, dass Ferrari zu Mercedes aufschliessen kann, dass aber Weltmeister Mercedes noch nicht alles gezeigt hat. Nun, wenn es da noch mehr gibt, dann habe ich es noch immer nicht gesehen. Ferrari arbeitet konstant auf sehr hohem Niveau. Sie haben einen soliden Speed in der Qualifikation und sind ausgezeichnet im Renntrimm.»
«Ferrari ist stärker als in den Jahren zuvor, das ist eine gute Ausgangslage für eine sehr erfolgreiche Saison. Sie müssen sich aber schon darüber im Klaren sein, wie sie Rennen fahren wollen. Die Art und Weise, wie Kimi Räikkönen in China gebraucht wurde, war unglücklich – sie liessen ihn de facto auf der Bahn versauern in der Hoffnung, dass er Gegner aufhält. Doch als die Rivalen endlich an Kimi herankamen, waren seine Reifen so hinüber, dass er sich nicht wehhren konnte. Ein strategischer Schuss in den Ofen. So wird Ferrari jedenfalls nicht Markenweltmeister. Für Ferrari scheint der Fahrertitel wichtiger zu sein.»
Mercedes: Schwerwiegend
«Wenn wir uns die letzten Jahre von Mercedes betrachten, dann fällt auf: Trotz aller Dominanz machte ihnen das Thema Reifen-Management zu schaffen. Wir sahen das oft in der Ära vor den Turbo-Motoren. Damals hatten sie nicht die Motorleistung, um das zu kaschieren. Von 2014 bis 2016 gab es immer wieder Rennen, in welchen sie Mühe mit den Pirelli hatten. Aber der Leistungsvorteil war so enorm, dass dies kaum aufgefallen ist. Dann war 2017 auf einmal davon die Rede, das Auto sei eine Diva. Wie bitte? Aerodynamik und Fahrzeugdynamik sind immer gleich. Wenn dann auf einmal die Konkurrenzfähigkeit abhandenkommt, dann kann das nur am Umgang mit den Reifen liegen.»
«Ich traue Mercedes noch immer zu, den Titel erfolgreich zu verteidigen. Aber es wird weitere WM-Läufe geben, bei welchen sie die Mailänder Walzen nicht zum Arbeiten bringen und daher Rennen verlieren. Ich erkenne auch strategische Mängel. Wenn du ein schnelles Auto hast und in Führung liegst, dann solltest du die Zügel in der Hand behalten. Was Mercedes dann teilweise gezeigt hat, würde ich nicht als Fehlentscheidungen bezeichnen, eher als stragegische Unvollkommenheit. Ich habe den Verdacht: Die gab es schon früher. Aber da war Mercedes so krass überlegen, dass wir es vielleicht glatt übersehen haben.»