Singapur: Romain Grosjean erblindet, GP-Sperre naht
Romain Grosjean (links) gegen Lewis Hamilton und Max Verstappen
Jeden Sonntagabend nach einem Formel-1-WM-Lauf nimmt sich Rennchef Charlie Whiting Zeit für die Journalisten. In einer kleinen Runde wird erörtert, was im vergangenen Grand Prix zu reden gegeben hat – aus Sicht der Rennleitung und der Berichterstatter. Whiting kann in der Nacht von Singapur nur den Kopf schütteln. Der Engländer meint: «Ich habe selten erlebt, dass ein Fahrer die blauen Flaggen so hartnäckig ignoriert wie Romain Grosjean.»
Während von hinten Lewis Hamilton als Führender des Singapur-GP nahte, wurden dem Haas-Fahrer Grosjean mehrfach blaue Flaggen gezeigt – im Rennsport das Zeichen für «Verfolger naht, Überholen lassen!» Aber Grosjean war im Duell mit dem ebenso störrischen Sergey Sirotkin von teilweiser Blindheit geschlagen, Hamilton kam nicht vorbei, und auf einmal füllte Max Verstappen den Rückspiegel des Engländers.
Die vier Rennkommissare Gerd Ennser (Deutschland), Steve Chopping (Australien), Derek Warwick (England) und Nish Shetty (Singapur) brummten Grosjean eine Fünfsekundenstrafe auf, darüber hinaus gab es zwei Punkte im Strafregister.
Charlie Whiting trocken: «Offenbar hat Grosjean komplett vergessen, was blauen Flaggen sind. Und die besagen nun mal, dass du Platz machen musst, auch wenn du selber in einen Zweikampf verwickelst bist. Ich weiss nicht, wie oft ich das den Kerls eingebläut habe, aber Romain hat das offenbar nicht interessiert. Entlang der Strecke wurden auf den Leuchttafeln blaue Flaggen und seine Nummer gezeigt, klarer kann das nicht sein. Ich habe selten erlebt, dass ein Pilot das dermassen ignoriert.»
Grosjean entschuldigte sich nach dem WM-Lauf: «Ich war komplett ins Duell mit Sirotkin vertieft, der eine Art Go-Kart-Rennen fuhr. Ich konnte nicht langsamer machen, denn Gasly hing mir am Hintern. Sobald ich Sirotkin endlich geschnappt hatte, liess ich Hamilton ziehen.»
Das beeindruckte die Kommissare wenig. Die beiden Strafpunkte von Singapur bedeuten: Innerhalb der kommenden Rennen von Russland, Japan, Texas und Mexiko darf sich Grosjean kaum mehr Fouls leisten, er ist nur noch drei Punkte von einer Rennsperre entfernt.
Zur Saison 2014 hin führte der Autoverband FIA ein neues Strafpunktesystem ein: Maximal elf Strafpunkte darf sich ein Grand-Prix-Pilot in einem Zeitraum von zwölf Monaten (also über eine Saison hinaus) leisten. Wer sich zwölf oder mehr zuschulden kommen lässt, der kommt gewissermassen auf die Strafbank und muss einen Grand Prix lang zuschauen.
Der letzte Fahrer, der eine vergleichbare Strafe erhielt (auch ohne Punktesystem) war – Romain Grosjean! Nach dem Auslösen der Startkollision von Belgien 2012. In Monza fuhr damals Lotus-Testfahrer Jérôme d’Ambrosio anstelle des Genfers.