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Jackie Stewart: Ein großer Kämpfer wird 80

Von Andreas Reiners
Während seiner Formel-1-Karriere kämpfte Jackie Stewart für mehr Sicherheit in der Königsklasse. Inzwischen ist sein größter Kampf «Race Against Dementia».

Die Ehrlichkeit ist beeindruckend. Ungewöhnlich. Vor allem ist sie entwaffnend. Aber so ist Jackie Stewart immer gewesen.
Geradeaus. Direkt. Deutlich. Kein Hin und Her. Auch wenn es unbequem war.

«Ich wäre ein beliebterer Weltmeister gewesen, hätte ich immer gesagt, was die Leute hören wollen. Ich wäre dann vielleicht tot, aber mit Sicherheit beliebter», sagte Stewart einmal. Seit 2001 «Sir» Jackie Stewart.

Denn der Schotte, der am heutigen Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, war nicht nur einer der besten Rennfahrer der 60er und 70er Jahre. Er war auch Kämpfer und Vorreiter für mehr Sicherheit in der Formel 1.

59 tote Kollegen und Freunde

Kein Wunder, wenn man in einer Zeit der Königsklasse groß wurde, wo das Sterben in den Autos noch zum Alltag gehörte. Er hatte vor Jahren mal nachgerechnet: 59 tödliche Unfälle von Kollegen und Freunden musste er miterleben. Er selbst erlebte die damaligen Schattenseiten am eigenen Leib, überlebte, wollte aber nichts mehr dem Zufall überlassen und setzte sich fortan vehement für die Sicherheit ein.

Er ist der älteste noch lebende Formel-1-Weltmeister, er verpasste der Nürburgring-Nordschleife den Spitznamen «Grüne Hölle», er war und ist immer noch charismatisch, einer mit Witz und Charme, guten Sprüchen («Rennwagen sind wie Frauen: empfindlich, nervös, schwer zu steuern und noch schwieriger zu bremsen») und einer klaren Meinung. Ein Playboy wie andere aus seiner Generation war er aber nie.

Baskenmütze und Kodderschnauze

Sein Markenzeichen früher: Seine Koteletten und die ausgefallenen modischen Experimente. Heute ist es vor allem die karierte Baskenmütze. Und die immer noch fixe Kodderschnauze, mit der er auch schon mal erklärt, dass Sebastian Vettel seinen Zenit überschritten habe. Immer noch klare Kante. Immer noch freundlich und auskunftsfreudig.

Was er ebenfalls immer war, ist bodenständig. Seine Helen heiratete er bereits 1962 – eine Sandkastenliebe. Erst vor zwei Jahren gab er zu, dass er zwar einige Autos besitzt, die aber im Mittelklassebereich angesiedelt sind. Seine Bescheidenheit wird auch in der eigenen Garage zur Schau gestellt.

Zum Motorsport kam Stewart, der es als Jungspund im Tontaubenschießen fast zu den Olympischen Spielen 1960 geschafft hätte, zum Großteil auch durch Ken Tyrrell. Der Ex-Rennfahrer brachte den jungen Stewart in der Formel 3 unter, wo er durchstartete und im Rekordtempo das Interesse der halben Formel 1 auf sich zog.

1965 feierte er sein Debüt, acht Jahre später war er nach 99 Rennen und 27 Siegen für B.R.M., Matra, March und Tyrrell dreimaliger Weltmeister. Sein erster Titel jährt sich in seinem Geburtstagjahr zum 50. Mal, 1971 und 1973 holte er ebenfalls die Weltmeisterschaft, ehe er aufhörte. Er hatte genug vom Tod.

Legasthenie hilft

1973 gewann er zwar den Deutschland-Grand-Prix auf der Nordschleife, er sei sich aber «nie sicher gewesen, ob er nach Hause zurückkehre», sagte Stewart später. Seinen Freund Jochen Rindt hatte er bereits zu Grabe getragen, und als dann auch noch Francois Cevert sein Leben ließ, zog Stewart das Karriereende vor. Zwar nur ein Rennen vor dem geplanten Schlusspunkt, womit er aber auf sein 100. Rennen verzichtete.

Kurios: Erst mit 42 Jahren wurde bei ihm Legasthenie diagnostiziert. Ihm hat die Lernschwäche stets geholfen. Denn: «Wenn man als Legastheniker etwas findet, worin man gut ist, dann bemüht man sich mehr als jeder andere. Man kann nicht so denken, wie die cleveren Leute, also denkt man immer etwas unkonventionell und geht Wege, die niemand geht.»

Comeback als Teambesitzer

1997 feierte er ein Comeback als Teambesitzer. Zusammen mit Sohn Paul trat er mit Stewart Grand Prix drei Jahre lang in der Königsklasse an, dank Johnny Herbert gewann das Team ein Rennen. Der weitere Werdegang: Übernahme durch Ford, danach als Jaguar-Racing am Start, später wiederum als Red Bull Racing.

Was seine Formel-1-Karriere betrifft, kennt Stewart allerdings keine Bescheidenheit. Die ist für ihn stets zum Greifen nah. «Ken Tyrrell hat mir den 003 geschenkt, mit dem ich 1971 Weltmeister geworden bin», sagte er. Den Tyrrell 006 von 1973 habe er gekauft. „Und ich habe sechs der Stewart-Grand-Prix-Autos. Der Matra von 1969 gehört einem sehr netten, reichen französischen Herrn, der ihn mir nicht verkaufen will. Aber ich kann ihn haben, wann immer ich ihn brauche."

Aber wie es so oft ist im Leben: Man kann nicht alles haben. Man muss ihn gar nicht fragen, was er sich zu seinem Geburtstag wünscht. Man kann sich auch denken, wie schnell er seine Autos, wie schnell er wahrscheinlich seine ganze Karriere eintauschen würde.

Wenn es denn dadurch im Kampf gegen Demenz einen Durchbruch geben würde, denn daran leidet seine Helen seit ein paar Jahren. Er setzt sich genauso lange für die Erforschung der Krankheit ein, gründete «Race Against Dementia».

«Das ist mein größter Kampf», sagte Stewart, der mit seiner Frau in der Schweiz lebt, eine Klinik ist direkt um die Ecke, seine Frau bekommt die bestmögliche Betreuung. Eine Heilung bleibt aber utopisch.

Genau das will Stewart ändern. «Das ist ein globales Problem. In den vergangenen 30 Jahren sind wir einer Antwort nicht wirklich nähergekommen», sagte er zum Stand der Forschung. Er sucht eigene Antworten, sammelte mit seiner Initiative bereits über 3,5 Millionen Dollar.

Er zieht dabei einen Vergleich zur Formel 1. «In den modernen Zeiten haben vier Leute den Sport tatsächlich verändert: Gordon Murray, Ross Brawn, John Barnard und Adrian Newey. Es hat nur vier Leute gebraucht, um das zu schaffen. Im Geschäftsleben waren es Bill Gates oder Steve Jobs. Man braucht nur andere Ideen, einen anderen Ansatz. Beim Wettlauf gegen Demenz ist es nicht anders.»

Ein Wettlauf, den er mit 80 noch voll mitgeht. Nicht nur seine Ehrlichkeit ist beeindruckend. Auch sein Kampfgeist.

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