Mattia Binotto (Ferrari): «Heute bedaure ich das»
Ferrari verpasst ein weiteres Mal den Weltmeistertitel, die Tifosi werden um ein neues Jahr vertröstet. Seit 2008 haben die Italiener keinen Konstrukteurs-Poal mehr gewinnen können, seit 2007 ist kein Pilot in Rot Fahrerweltmeister geworden, der vorderhand letzte hiess Kimi Räikkönen. Zur Sommerpause 2019 zieht Teamchef Mattia Binotto eine Zwischenbilanz, und der in Lausanne geborene Italiener beschönigt nichts.
Was sich viele Ferrari-Fans bis heute fragen: Wie konnte ihr Lieblingsrennstall im Testwinter einen solch guten Eindruck hinterlassen und dann beim Saisonstart den Mercedes hinterherfahren? Mattia Binotto meint: «Auch wir glaubten damals, dass wir konkurrenzfähig sind, aber wir dürfen nicht vergessen, dass Lewis Hamilton am letzten Tag der zweiten Testwoche bereits Bestzeit fuhr. Wir waren uns also dessen bewusst, dass mit Mercedes zu rechnen sein würde. Aber dass sie in der Folge so schnell sind und wir im Verhältnis dazu langsam, das hat uns verblüfft. In Bahrain lief es dann besser, und in gewisser Weise hat dies das Muster der Saison vorgegeben, ein stetiges Auf und Ab.»
Und wie erklärt sich der 49jährige Techniker das? Binotto weiter: «Auf den Rennstrecken bestanden andere Verhältnisse als bei den Wintertests – Pistentyp, Wetter, Reifen. Bei uns wurde klar, dass wir im Schnitt einfach zu wenig schnell sind, ganz besonders auf gewissen Streckenarten. Inzwischen haben wir uns ein wenig gefangen, wir befinden uns in einem Aufwärtstrend, das ist ein gutes Zeichen. Es gibt in der Formel 1 keine Magie, Probleme lassen sich nicht von einem Rennen zum nächsten lösen.»
Spätestens am spanischen GP-Wochenende auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya war klar: Dem Ferrari mangelt es an Abtrieb, daher ist er vor allem in langsamen Passagen zu wenig flott unterwegs. Binotto fährt im Gespräch mit unserem Kollegen Roberto Chinchero von der italienischen motorsport.com fort: «Wir waren nach dem enttäuschenden Saisonbeginn in Australien in Bahrain die Schnellsten, in Shanghai lief es nicht übel, auch in Baku waren wir bei der Musik. Wir haben deshalb nicht kommen sehen, was in Barcelona passierte. Unsere Darbietung in Spanien war ernüchternd, entmutigend gar, denn nun wurde klar – wir haben sehr, sehr viel Arbeit vor uns.»
«Die Reifengeneration 2019 erfordert ein Auto, das tüchtig Abtrieb aufbaut. Könnte ich ein Jahr zurück, dann hätte ich das anders gemacht – ich hätte ich mehr Gewicht auf Abtrieb gelegt, auf Kosten des Luftwiderstands.»
«Wir haben keinen Einfluss darauf, welche Reifen gebaut werden. Und das ist keine Kritik an Pirelli. Ich weiss, dass sie die bestmöglichen Walzen herstellen und vor der schwierigen Aufgabe stehen, es immer allen recht machen zu müssen. Ich habe kein Problem mit Pirelli, ich habe ein Problem mit den Abläufen – etwa mit der Tatsache, dass wir sieben von zehn Team-Stimmen benötigen, um in Sachen Reifen etwas zu ändern.»
«Wir haben uns dann für einen anderen Weg entschieden. Wir haben ein Schreiben aufgesetzt und defininiert, was wir uns von den Walzen für die kommende Saison wünschen, in Sachen Reifenabbau, in Sachen Unterschiede zwischen den verschiedenen Mischungen. Nochmals: Pirelli hat nichts falsch gemacht. Aber wir haben zu bedenken gegeben – diese Reifen sind schwierig ins korrekte Betriebsfenster zu bringen, und wenn sie überhitzen, dann verringert sich die Haftung dramatisch, etwa wenn ein Pilot einem Gegner folgt, wollen wir das alles auch in der nächsten Saison haben?»